Interview mit Ixos-Chef Robert Hoog

"Wir lösen uns auf keinen Fall von SAP"

01.11.2002
Der Münchner Dokumenten-Management-System-(DMS-)Anbieter Ixos AG hat das für die Branche turbulente Jahr 2002 bisher relativ gut überstanden. Künftiges Wachstum soll in neuen Geschäftsfeldern erzielt werden. Ixos-CEO Robert Hoog erläutert im Gespräch mit CW-Redakteur Alexander Freimark die Richtung des Softwarehauses.

CW: Im August hat die Beteiligungsgesellschaft General Atlantic Partners (GAP), der auch der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser angehört, 25,1 Prozent von Ixos übernommen. Waren Sie knapp bei Kasse?

Hoog: Wir haben die Transaktion nicht abgeschlossen, um Löcher zu stopfen. Allerdings ist es immer gut, Geld in der Hinterhand zu haben, denn man weiß nie, was die Zukunft bringt. Jetzt haben wir 45 Millionen Euro Reserve, so viel wie seit drei Jahren nicht mehr.

CW: Nach dem Börsengang war das Geld schnell aufgebraucht, Ixos rutschte in eine Krise. Wo sehen Sie die Unterschiede zur heutigen Situation?

Hoog: Ich habe nach meinem Amtsantritt versucht, das Unternehmen über neue Kreditlinien abzusichern. Wenn Sie das Kapital jedoch dringend brauchen, bekommen Sie es nicht. Jetzt stehen die Banken Schlange, wir könnten uns jederzeit zusätzlich auch noch fremdfinanzieren.

CW: Sie sind auch an der Nasdaq notiert, wo pro Tag durchschnittlich nur 500 Ixos-Aktien gehandelt werden. Stellen Sie, nachdem Sie mit GAP einen neuen Geldgeber gefunden haben, generell die Finanzierung über die US-Börse in Frage, und planen Sie einen Rückzug aus Übersee?

Hoog: Wir haben darüber auch schon nachgedacht, weil wir sehen, dass wir an der Nasdaq als europäisches Unternehmen nicht wirklich wahrgenommen werden. Ein Delisting ist momentan nicht möglich, auch wenn wir dadurch Kosten sparen könnten. Ixos müsste unter anderem nachweisen, dass die Firma weniger als 300 Aktionäre in den USA hat. Unter diesen Bedingungen können wir gar nicht aussteigen, daher haben wir die Idee ad acta gelegt. Aber wer weiß, vielleicht ist das Listing in den USA eines Tages ganz hilfreich.

CW: Wollen Sie die Finanzspritze von GAP verwenden, um neue Produkte zu entwickeln?

Hoog: Die Planungen sehen vor, dass wir das Geld dafür nicht angreifen müssen. Ich betrachte es als eine Art Reserve, als Vorsorge für Eventualitäten, die hoffentlich nicht eintreten werden. Neue Programme finanzieren wir aus dem operativen Cashflow, der war im vergangenen Jahr positiv und wird es auch dieses Jahr sein.

CW: Sie haben angekündigt, andere Geschäftsfelder erschließen zu wollen. Was haben Sie vor?

Hoog: Vor rund 18 Monaten haben wir Erweiterungen für die Groupware- und E-Mail-Archivierung vorgestellt, und die Produkte werden von den Kunden gut angenommen. Jetzt geht Ixos den zweiten Schritt und orientiert sich verstärkt in bestimmte Branchen wie Finanzdienstleister oder die öffentliche Hand. So wollen wir die Firma auf eine breitere Basis stellen.

CW: Finanzdienstleister sind doch eine traditionelle Zielgruppe von Ixos. Sind diese Märkte nicht schon gesättigt?

Hoog: Natürlich haben alle Banken DMS-Lösungen im Einsatz, aber sie arbeiten noch nicht flächendeckend damit. Es gibt Studien, die besagen, dass in vielen Instituten bis zu 20 Prozent der Papierdokumente nicht unmittelbar auffindbar oder an der falschen Stelle sind. Daher ist das Verbesserungspotenzial dort noch sehr hoch.

CW: Es heißt seit einigen Jahren, Ixos wolle sich aus dem SAP-Umfeld lösen. Was ist so schlecht an SAP?

Hoog: Wir wollen uns auf keinen Fall lösen, sondern nur weitere Standbeine schaffen. Das hat weniger mit SAP, sondern eher mit den Wünschen unserer Kunden zu tun. Allein in den USA haben wir etwa 50 Anwender, die neben SAP-Programmen auch Tools von Siebel einsetzen. Sie wollen ein Archiv, in dem sich Dokumente aus beiden Systemen ablegen lassen.

CW: Welche Integrationsmöglichkeiten mit anderen Enterprise-Systemen werden von den Anwendern noch nachgefragt? Erkennen Sie hier weiteren Handlungsbedarf?

Hoog: SAP und Siebel sind die großen Themen, aber wir haben uns unter anderem natürlich auch Oracle oder Peoplesoft angesehen. Einerseits gibt es dort jedoch nur geringe Unterstützung für Dokumenten-Management, andererseits hätte es angesichts der Größenordnung wenig Sinn, wenn Ixos spezielle Lösungen entwickeln würde. Daher planen wir derzeit, keine weiteren Transaktionssysteme ins Programm zu nehmen.

CW: Wie weit haben Sie Ihren Zielmarkt denn bereits über SAP hinaus ausgedehnt?

Hoog: Wir machen gegenwärtig rund 20 Prozent unseres Umsatzes außerhalb des SAP-Umfelds, im kommenden Jahr soll dieser Wert auf ein Drittel der Einnahmen gesteigert werden. Ich bin zuversichtlich, das schaffen zu können, denn wir liegen im Zielkorridor.

CW: Wie beurteilen Sie neuere Märkte, etwa das Knowledge-Management oder die Echtzeitanalyse der Inhalte von Dokumenten?

Hoog: Wir konzentrieren uns weiterhin auf Dokumenten-Content-Management, und dazu ist es notwendig, dass wir die Inhalte der Dokumente erschließen können. Damit begeben wir uns in das Gebiet Wissens-Management. Allerdings wird Ixos nicht generell das Problem des Wissens-Managements für Unternehmen lösen. Das wäre ein zu hoher Anspruch.

CW: In Ihrem DMS-Kerngeschäft hat es 2002 hierzulande einige spektakuläre Firmenpleiten gegeben. Wie beurteilen Sie deren Auswirkungen?

Hoog: Der DMS-Markt als solcher ist intakt. Das kann man an den Ergebnissen der US-amerikanischen Anbieter Documentum oder Filenet ablesen, die sich nach Problemen wieder gefangen haben. Die deutschen Wettbewerber wurden zudem nicht von ein und demselben Virus befallen, da hat jeder seine eigenen Fehler gemacht. Wenn Anwender ihre Investitionen zurückschrauben, dann nicht wegen der Unruhe im Markt, sondern als Reaktion auf die allgemein schlechte Wirtschaftslage.

CW: Wie wird sich der DMS-Markt Ihrer Meinung nach entwickeln?

Hoog: Die Auguren erwarten ein Wachstum von durchschnittlich 15 Prozent in den nächsten fünf Jahren. Im Vergleich zur IT-Branche wäre das überdurchschnittlich gut. Allerdings gehe ich davon aus, dass die Entwicklung bis 2004 geringer ausfallen wird, um dann in einen steileren Anstieg überzugehen.

CW: Sie selbst mussten im September ihre Prognose für das Umsatzwachstum im Fiskaljahr 2002/2003 auf zehn Prozent senken.

Hoog: Das muss ich jetzt mal klarstellen: Wir erwarten im laufenden Geschäftsjahr ein von fünf auf zehn Prozent verdoppeltes Umsatzwachstum. Das sind zwar nicht die alten Zeiten, aber für die jetzige Situation ist es schon ganz ordentlich. Allerdings geisterte im Vorfeld die Zahl von einer 15- bis 20-prozentigen Steigerung durch die Branche, was aber nie eine offizielle Prognose von uns gewesen ist. Sie wissen ja, wie das im Internet-Zeitalter läuft: Jemand schreibt etwas, und plötzlich wird es überall kolportiert. Daran kann man kaum noch etwas ändern. (ajf)