Interview

"Wir hatten unseren Fokus verloren"

27.02.1998

CW: Informix ist nun schon zum zweiten Mal dabei erwischt worden, eingehende Aufträge als bereits bezahlt abgebucht zu haben. Kann die Firma noch als seriös gelten?

Stanley: Definitiv ja. Die Softwarebranche insgesamt ist noch sehr jung und extrem lebendig und bei der Buchaltung nicht immer ganz genau. Oracle hatte das Problem in den frühen 90er Jahren ebenfalls. Wir haben nichts verschwiegen und die alten Praktiken abgestellt.

CW: Kunden beschrieben Informix als arrogant, und nun gelten Sie zudem als rückfälliger Buchfälscher. Das ist nicht gerade ein guter Ruf.

Stanley: Deswegen haben wir auch viel verändert.

CW: Was?

Stanley: Wir wollen den Kunden heute nicht mehr vorschreiben, was sie brauchen, sondern uns ihre Wünsche anhören und sie ernst nehmen. Das Ziel, möglichst schnell möglichst viel Umsatz zu machen, ist einer weit erwachseneren Einstellung gewichen. Wir wollen, daß der Umsatz Substanz hat, auch wenn damit nicht mehr so hohe Zuwachsraten zu erreichen sind.

CW: Informix hat das Topmanagement ausgetauscht. Sind jetzt statt der Datenbankspezialisten die Marketiers am Ruder?

Stanley: Nein. Die Cheftechniker sind noch bei uns. Alle Analysten haben von Informix gefordert, solide Geschäftsleute einzustellen, und genau das haben wir getan. Wir haben nicht nur einen neuen CEO, sondern auch einen neuen Finanzchef.

CW: War die Situation in der deutschen Niederlassung schlimmer oder besser als in den anderen Informix-Regionen?

Stanley: Das Hauptproblem war, daß wir unseren Fokus verloren hatten. Es gab bezogen auf den Umsatz zu viele Mitarbeiter und Bereiche. Es mußte also weltweit gestrafft werden. Für München galt das besonders, weil hier neben dem deutschen Markt auch noch die ganze Infrastruktur für Europa und Osteuropa lag.

CW: Was machen Sie anders als ihre Vorgänger Blaschke und Königseder?

Stanley: Ich glaube, die Zeit für einen autoritären Führungsstil ist vorbei.

CW: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Stanley: Er ist kommunikativ, bei mir sind die Türen immer offen, ich unterhalte mich viel mit meinen Mitarbeitern.

CW: Informix hat den "Universal Server" neu positioniert. Nachdem kaum jemand ihn wollte, wird die Technik nun Basis für die gesamte Produktlinie. Jubeln Sie hier Ihren Kunden einen Ladenhüter unter?

Stanley: Jeder wird dieses Produkt früher oder später brauchen. Unser Fehler war zu glauben, daß dieser Zeitpunkt schon bei allen da ist. In Branchen, wo es um Bilder oder Tonsequenzen geht, etwa beim Fernsehen, wird der Nutzen der multimedialen Data-Blades sofort erkannt. In der fertigenden Industrie ist das ganz anders. Wir haben damals nicht auf die Stimmen unserer Anwender gehört, sonst hätten wir den Universal Server vorsichtiger positioniert, nämlich vorerst nur in den interessierten Sparten.

CW: Sie haben den Universal Server - wenn auch ohne Multimedia-Funktion - zur Basis Ihrer Datenbankprodukte gemacht. Wollen die Kunden das?

Stanley: Ja. Damit reduzieren wir unsere Produktpalette auf eine einzige skalierbare, in verschiedene Richtungen hin ausbaubare Datenbank. Die Optionen für Data-Warehousing oder Multimedia brauchen bei Bedarf nur noch eingeklinkt zu werden.

CW: Muten Sie damit nicht Kunden, die jetzt ordern, einen schwierigen Technologiewechsel zu - schließlich müssen Sie Ihren bisherigen Datenbank-Kernel gegen die Basistechnik des einstigen Universal Server austauschen?

Stanley: Wir vereinigen die Produktlinien im Laufe der kommenden 15 Monate.

CW: Wie stark ist nach dem Desaster von 1997 ihre Position gegenüber Wettbewerbern wie Oracle oder Sybase?

Stanley: Sybase reüssiert doch eher im Middleware-Geschäft, und Oracle ist stark im Geschäft mit Anwendungen und Beratung. Der Datenbankanteil ist dort relativ klein...

CW: ... aber immer noch weit größer als der Umsatz von Informix.

Stanley: Natürlich. Sie sind Marktführer. Ich will darauf hinaus, daß wir uns auf das Datenbankgeschäft spezialisieren, während Oracle sich anderswo betätigt. Allerdings macht sich Larry Ellision wegen sinkender Datenbankumsätze Sorgen und hat sogar das Engagement für Netzwerk-Computer zurückgeschraubt.