T-Systems-Chef Konrad Reiss im CW-Gespräch

"Wir haben nicht alle Chancen genutzt"

28.03.2003
Die IT-Dienstleistungstochter der Deutschen Telekom, T-Systems, strukturiert ihren Vertrieb um. Mit Chief Executive Officer (CEO) Konrad Reiss sprachen die CW-Redakteure Joachim Hackmann und Wolfgang Herrmann.

CW: Herr Reiss, Sie haben Anfang des Monats eine radikale Neustrukturierung von T-Systems angekündigt. Wie soll die konkret aussehen?

REISS: Radikal ist etwas übertrieben, aber es handelt sich schon um einen konsequenten Umbau. Wir haben unsere bislang acht vertikalen Sparten zu vier Segmenten - TK, Service & Finance, Public & Healthcare sowie Manufacturing - zusammengefasst. In diesen In-dustriesparten werden wir unsere weltweit 50 größten Kunden über die komplette Breite unseres Angebotsspektrums hinweg betreuen.

CW: Was wollen Sie mit der Struktur erreichen?

REISS: Wir wollen wachsen - und das geht in einem Verdrängungsmarkt, mit dem wir momentan konfrontiert sind, nur, wenn wir unsere Ressourcen bündeln. Bisher handelte es sich bei den Branchensegmenten um reine Vertriebseinheiten ohne eigene Ergebnisverantwortung. Künftig sollen sie als Business-Units mit klaren Umsatzvorgaben und Profitabilitätszielen agieren.

CW: Sie bedienen nicht nur vertikale Märkte über eigene Business-Units, sondern auch horizontal positionierte Geschäftseinheiten wie etwa Desktop- oder Computing-Services.

REISS: Ja, auch sie tragen jetzt volle Ergebnisverantwortung. Für unsere Kunden, die keine Key-Accounts sind, bieten sie vom Vertrieb bis zur Lieferung alles aus einer Hand. Gleichzeitig liefern sie an die Branchensparten, die für die Großkunden zuständig sind.

CW: Heißt das, Sie streben - ähnlich wie Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke - eine Dezentralisierung der Verantwortung an?

REISS: Das kann man so nicht sagen. Wir haben ja ein ganz anderes Geschäft als die Consumer-orientierten Telekom-Säulen. Es geht einfach darum, die Verantwortlichkeiten eindeutiger als bisher zu definieren und zuzuteilen.

CW: Sind damit auch personelle Maßnahmen, etwa weitere Stellenkürzungen, verbunden?

REISS: Wir haben im Oktober angekündigt, bis Ende des Jahres insgesamt 3500 Stellen abzubauen, und dabei bleibt es auch.

CW: Ihr Vorgänger, Christian Hufnagl, hatte ein Programm verabschiedet, durch das bis Ende 2003 rund 500 Millionen Euro eingespart werden sollen. Halten Sie an diesem Ziel fest?

REISS: Wir haben das Sparprogramm präzisiert. Zudem sind wir dabei, unsere Offshore-Strategie zu überdenken, um die Kosten zu senken. Details kann ich hierzu allerdings noch nicht nennen.

CW: Obwohl Sie vor allem in lokalen Märkten stark sind, hat sich Ihr Unternehmen bislang als weltweit tätiger IT-Dienstleister positioniert. Gilt das nach wie vor?

REISS: Ja, an dieser Strategie halten wir fest. Ich bin der Meinung, wir haben unser Licht unter den Scheffel gestellt, was unsere internationale Lieferfähigkeit betrifft. In Zukunft wollen wir uns vorrangig an den Key Accounts orientieren und mit ihnen gemeinsam grenzüberschreitend wachsen.

CW: Sind auch internationale Akquisitionen geplant?

REISS: Wir halten Partnerschaften zu bestimmten Zwecken - etwa um unsere Lieferfähigkeit zu verbessern oder andere Kompetenzen an Bord zu holen - für sinnvoll. Größere Beteiligungen oder Übernahmen sind dagegen nicht geplant.

CW: Abgesehen von den Aufgaben, die mit dem Umbau verbunden sind - was sind langfristig Ihre Ziele? Wofür soll T-Systems stehen?

REISS: T-Systems steht schon heute für die Lösung von Business-Problemen durch den Einsatz von IT und TK kombiniert mit dem entsprechenden Branchen-Know-how.

CW: Wie grenzen Sie sich dabei von der Konkurrenz ab?

REISS: Unser Vorteil ist, dass wir sowohl im IT- als auch im TK-Bereich stark sind, während sich viele unserer Wettbewerber auf eines dieser beiden Technologiefelder konzentrieren.

CW: Das heißt, Sie setzen weiter auf das Thema Konvergenz?

REISS: Ja, wobei ich Konvergenz nicht als Marktsegment betrachte. Konvergenz ist eine logische Folge aus dem Einsatz von IT und TK.

CW: Versuchen Sie Ihren Wettbewerbern dabei vor allem die Großkunden abzujagen?

REISS: Ich denke, wir sind alle auf der Jagd nach ausgedehnten Projekten - speziell jetzt, wo sich die Branche in einer Seitwärtsbewegung befindet. Da dieses Spiel immer nur einer gewinnen kann, müssen wir uns stärker fokussieren. Zudem haben wir ein Akquisitionsteam zusammengestellt, das ausschließlich dafür zuständig ist, Großkunden in den Bereichen Outsourcing und Systemintegration zu gewinnen.

CW: Bei den umfassenden Outsourcing-Deals, die in letzter Zeit in Deutschland abgeschlossen wurden, hat T-Systems allerdings keine große Rolle gespielt.

REISS: In der Vergangenheit haben wir nicht alle Chancen konsequent genutzt. Aber genau deshalb stellen wir uns jetzt neu auf. Ich bin überzeugt, dass T-Systems gerade beim Management von großen Projekten und Infrastrukturen eine Menge zu bieten hat.

CW: In welchen Bereichen lässt sich Ihrer Meinung nach noch Wachstum erzielen?

REISS: Ich glaube, Outsourcing ist nach wie vor ein Wachstumsmarkt - wobei aber künftig eine andere Qualität gefragt sein wird. Der Trend geht weg vom Infrastruktur-Outsourcing und hin zum Business-Process-Outsourcing bis zur Auslagerung von kompletten Geschäftseinheiten.

CW: Woran liegt es, dass sich Geschäftsprozess-Outsourcing in Deutschland bislang so zäh entwickelt? In den USA und in Großbritannien ist man hier ja schon ein gutes Stück weiter.

REISS: Da die objektiven Rahmenbedingungen überall gleich sind, wird diese Zurückhaltung wohl zum Teil auf kulturelle Ursachen zurückzuführen sein. Aber ich glaube, dass der Markt hierzulande - wenn auch langsamer - wachsen wird. Das hängt natürlich auch vom Angebot ab. Wir als Dienstleister müssen die Kunden davon überzeugen, dass ihnen die Auslagerung von Geschäftsprozessen einen effektiven Nutzen bietet.

CW: Wie wird der IT-Services-Markt aussehen, wenn er wieder anzieht?

REISS: In Folge der derzeitigen Konsolidierung werden nur die großen Player übrig bleiben. Was Trends betrifft, sehe ich vor allem in der branchenspezifischen IT-Entwicklung noch Rationalisierungspotenzial.

2002 - ein schweres Jahr

Die T-Systems International GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main ist eine der vier Konzernsäulen der Deutschen Telekom AG (T-Com, T-Mobile, T-Systems und T-Online). Der IT- und TK-Dienstleister beschäftigt zurzeit rund 43450 Mitarbeiter und setzte im Geschäftsjahr 2002 insgesamt 11,3 Milliarden Euro um - fünf Prozent weniger als im Vorjahr. Der Nettoverlust lag bei 100 Millionen Euro, ein Jahr zuvor hatte T-Systems noch ein Plus von 100000 Euro erwirtschaftet. Als Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wies T-Systems 75 Millionen Euro aus (Vorjahr: 90 Millionen Euro).