Zukunftsforschung

Wir brauchen keine Querdenker

19.02.2009
Von 


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.

Corporate Foresight

Neef: Vor allem zahlenorientierte Organisationen akzeptieren Corporate Foresight nur dann, wenn am Ende Messgrößen herauskommen. Es gibt aber auch Konzerne wie etwa BASF, die eher dialogorientiert geführt werden ("Kultur des Sprechens") und versuchen, mit den (zuvor abgesicherten) Ergebnissen zu einer strategischen Entscheidung zu kommen. Dies kann dazu führen, dass solche Unternehmen beispielsweise frühzeitig oder trotz einer Krise in einen Markt investieren und sich so später Wettbewerbsvorteile sichern.

CW: Gibt es spezielle Software, die Anwender bei die der Zukunftsforschung unterstützt?

Neef: Eines der besten Tools ist Parmenides "Eidos" (vormals Thinktool), an dessen Entwicklung auch der renommierte Hirnforscher Ernst Pöppel beteiligt ist. Es hilft uns, Szenarien zu entwickeln, Strategien abzuleiten, diese zu bewerten und Ziele zu priorisieren. Anwender brauchen etwa einen Tag Schulung, um mit diesem Denkwerkzeug arbeiten zu können.

CW: Wie lange dauert ein Corporate-Foresight-Projekt?

Neef: Aufgrund des großen Drucks in den Unternehmen dauern die Vorhaben je nach Umfang und Ziel zwischen fünf Wochen und fünf Monaten. Voraussetzung für den Erfolg sind realistische Erwartungen und der Wille, mitzuarbeiten, also nicht alles den Externen aufzulasten. Zukunftsforschung kann nicht alle Fragen beantworten. Ihr Mehrwert für das Unternehmen ist zudem gering, wenn die Ergebnisse nicht intern veröffentlicht und verwertet werden - also in der Schublade versauern.

CW: Bräuchte es einen regelrechten Stab oder eine Stelle in der Unternehmensorganisation für Zukunftsforschung?

Neef: Es gibt Konzerne mit großen Entwicklungsabteilungen wie etwa Daimler oder Volkswagen. In der Regel halten Unternehmen aber die Strukturen allein schon aus Kostengründen (Personal, Schulung) klein und nutzen externe Hilfe. Intern kann dann beispielsweise ein persönlicher Assistent oder eine Abteilung für strategische Projekte dem Vorstand berichten und zusammen mit Beratern dafür sorgen, dass dieses Zukunftswissen in die Prozesse gelangt.

CW: Gibt es Beispiele, wie Corporate Foresight Unternehmen Vorteile gebracht hat?

Neef: Ein oft zitiertes Beispiel ist der Ölkonzern Shell, in dem Szenarioanalysen seit Jahrzehnten zur Unternehmensstrategie gehören. Dadurch war der Konzern beispielsweise in den 70er Jahren auf die Ölkrise vorbereitet und konnte Lieferverträge mit Reedereien abhängig vom Ölpreis kurzfristig kündigen und Kosten sparen. Ein aktuelles Beispiel ist Daimler: In einem Pilotprojekt wurden 200 Smarts in Ulm verteilt, die sich wie Bahnfahrräder ausleihen lassen. Daimler erprobt auf der Grundlage von Szenarioanalysen damit ein neues Geschäftsmodell, nämlich mobile Dienstleistung statt klassischer Autoverkauf.

CW: Haben Sie als Zukunftsforscher die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise kommen sehen?

Neef: Einige Zukunftsforscher haben schon vor fünf Jahren davor gewarnt. Aber meistens wird ihnen kein Gehör geschenkt.