Interview

"Wintel ist einfach kein brauchbares System"

06.06.1997

CW: Sind Sie ernsthaft der Meinung, bei Wintel (Wintel = Windows und Intel) handele es sich um eine Ehe zweier altertümlicher Dinosaurier?

Baker: Nun ja, ich würde Intel nicht unbedingt zur Gattung der Dinosaurier zählen. Nicht die Intel-Plattform ist steinzeitlich, sondern die Software, die darauf läuft und die dementsprechend auch administriert werden muß. Wintel ist für die meisten Anwender einfach kein brauchbares System.

CW: Sondern?

Baker: Ein Server-basiertes Modell, das die vom Anwender benötigten Informationen wie Applikationen, Daten, Inhalte oder Services vom Server lädt. Diese Vorgehensweise stellt die brauchbarste Lösung dar - und das sowohl für den Endanwender im privaten Bereich als auch für komplexe Umgebungen in Unternehmensstrukturen.

CW: Aber weltweit wurden über Jahre hinweg horrende Summen in Windows-basierte Software investiert. Sie können doch nicht ernsthaft erwarten, daß Benutzer diese Produkte so einfach über Bord werfen.

Baker: Betrachten Sie doch einmal die Entwicklung in der Vergangenheit: Bereits vor zirka 20 Jahren ereignete sich mit dem Siegeszug des PCs eine ganz ähnliche Revolution. Damals steckten auch immense Investitionen in IBM-Mainframes und dazugehöriger Software. Doch der PC bot zu dieser Zeit so viele unbestreitbare Vorteile, daß daraus ein komplett neuer lukrativer Markt entstand. Denken Sie daran, wie die Leute bereits heute in Java investieren - und Java ist noch lange nicht perfekt. Die Ressourcen, die momentan in die Entwicklung neuer Java-Applikationen gesteckt werden, sind beachtlich. Und all diese Anwendungen werden künftig auf dem Netzwerk-Computer (NC) laufen.

CW: Glauben Sie wirklich, damit eines Tages Geld verdienen zu können?

Baker: Ja, davon bin ich überzeugt. Unser Ziel ist es, profitabel zu werden.

CW: Im Moment befinden Sie sich aber noch nicht in der Profitzone, oder?

Baker: Wir hoffen, in zwölf bis 18 Monaten erste Gewinne ausweisen zu können. Zwar verkaufen wir unsere Software schon heute, aber nur in sehr geringen Stückzahlen. Das hat zwei Gründe: Erstens sind wir eine kleine Company, der nur wenige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um eine passable Anwender-Unterstützung anbieten zu können. Zweitens befindet sich ja auch die Produktion der NCs erst im Aufbau.

CW: Wie soll die Interoperabilität zwischen den einzelnen NCs und unterschiedlichen Servern gewährleistet werden?

Baker: Dies soll in drei Phasen geschehen: Zunächst ist eine Interoperabilität auf dem Applikationslevel vorgesehen. Sie soll garantieren, daß eine HTML (Hypertext Markup Language)- oder Java-Anwendung auf einem NC von NCI ebenso einsetzbar ist wie auf Suns "Javastations" oder den "Network Stations" von der IBM. Anschließend planen wir die Verwendung einer Smartcard (Mikroprozessorgestütztes, kreditkartengroßes Gerät, das Daten der Anwender wie etwa die persönliche Konfigura- tion speichert, Anm. d. Red.), die standardmäßig mit jedem NCI-basierten NC zurechtkommt und ihn mit individuellen Informationen füttert. Zu guter Letzt muß es uns gelingen, unsere NCs auch auf Servern einsetzbar zu machen, die nicht von der IBM stammen. Diese Art von Interoperabilität wird derzeit diskutiert und soll demnächst auch praktikabel werden. Ich hoffe, bis Ende dieses Jahres eine solche Architektur sowie Spezifikationen für diese Implementierungen unterbreiten zu können.

CW: Wie lauten die Ziele von NCI für die zweite Hälfte des Jahres 1997?

Baker: Im Unternehmensbereich heißt unsere klare Devise: Suchen und Finden von Referenzkunden, die NCs für wichtige Aufgaben verwenden. Wir erhoffen uns zehn oder zwölf derartiger Paradeanwender für das laufende Jahr. Im Consumer-Segment erwarten wir zunächst hingegen keine großen Verkaufszahlen. Wichtig ist dort nur, Kunden darauf aufmerksam zu machen, daß künftig auch ein NC-Markt für Endanwender existieren wird.