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Windows teilweise "Open Source"?

13.02.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft ermittelt gegenwärtig zusammen mit Behörden, weil seine "Kronjuwelen", der Quellcode des Windows-Betriebssystems, offenbar teilweise ins Internet durchgesickert sind. Eine Datei, die angeblich den Sourcecode von Windows 2000 enthält, kursierte gestern in verschiedenen Filesharing-Netzen, darunter BitTorrent und eMule. Auszüge daraus erschienen prompt auf einer Reihe von Websites. Auch die Quellen von NT 4.0 sollen zu haben gewesen sein.

Microsoft versuchte, die Angelegenheit herunterzuspielen. "Die Gerüchte bezüglich der Verfügbarkeit von Windows-Quellcode basieren auf Spekulationen einer Einzelperson, die einen kleinen Teil unidentifizierten Codes einsehen konnte und diesen für Windows-Code hielt", erklärte das Unternehmen. "Microsoft untersucht dies pflichtgemäß." Eine offizielle Stellungnahme (in englischer Sprache) findet sich hier.

Ein Entwickler, der die umstrittene Datei zu Gesicht bekam, erklärte, diese sei als Zip-Archiv 208 MB groß gewesen. Der komplette Windows-2000-Code dürfte sich darin nicht befinden, denn dessen Umfang schätzen Experten auf 40 bis 50 Gigabyte.

Ohnehin stellt sich die Frage, ob beispielsweise Hacker mit der strittigen Fundsache überhaupt etwas anfangen könnten - ohnehin werden ja jedes Jahr Dutzende von Lecks in Windows von Sicherheitsexperten entdeckt, die keinen Zugriff auf die Sourcen haben. Russ Cooper, der die Mailinglist "NT Bugtraq" betreibt, erklärte: "Schauen Sie sich an, was Leute ohne den Quellcode anstellen konnten. Ich glaube nicht, dass sie mit ihm viel mehr zustande bringen würden", so der Experte. "Jemand bräuchte schon enorm viel Zeit, um die Quellen durchzusehen."

Microsoft hatte seinen Quellcode in der Vergangenheit stets streng geheim gehalten. Dass dieser Code proprietär ist, steht im Mittelpunkt der Debatte um Open Source und den Streit darüber, ob Betriebssystem-Käufer sich auf Sicherheit durch Geheimhaltung ("security through obscurity") verlassen können. In den letzten Jahren hat Microsoft ohnehin begonnen, im Rahmen seines Programms "Shared Source" sowohl Wissenschaftlern wie auch Regierungen große Teile seiner Quellcodes zur Einsicht überlassen. (tc)