Windows NT und Unix halten sich bei PC-Servern die Waage IDC: Mit hoeherer Marktreife sinkt die Nachfrage nach Tools

21.10.1994

Den Markt fuer Client-Server-Software 1993 hat das Marktforschungsinstitut IDC unter die Lupe genommen. Unix bleibt den Analysten zufolge das beliebteste Server-Betriebssystem, doch Windows NT und Netware finden auf den kleineren PC-Servern durchaus Verbreitung. Auf den Clients dominiert weiterhin DOS beziehungsweise Windows. OS/2 bleibt ein Nischenprodukt.

Die folgende Uebersicht stellt die wichtigsten Zahlen des Marktes fuer Client-Server-Software in Europa vor. Unter Client-Server- Software versteht man dabei diejenige Systemsoftware, Entwicklungswerkzeuge und Anwendungen, die als Module auf verteilten Systemen und unterschiedlichen Plattformen zusammenarbeiten und fuer den Anwender transparent sind. Mit Hilfe dieser Software koennen die Daten auf einer Vielzahl von Rechnern gehalten werden, wobei die Rechenprozesse ebenfalls verteilt ablaufen. Dadurch wird der Nutzen und die Effizienz von Computersystemen maximiert. Auf der Server-Seite gehoert all jene Software dazu, die im Netzwerk laeuft und auf gemeinsame Ressourcen zugreifen kann inklusive Software fuer Anwendungssteuerung und Reporting. Auf der Client-Seite gehoeren die Anwendungen und die zu ihrer Steuerung notwendigen Programme in diese Kategorie.

Das groesste Wachstum versprechen Anwendungen

Der Client-Server-Softwaremarkt in Europa hatte im Jahr 1993 ein Volumen von schaetzungsweise 1,1 Milliarden Dollar. Dies bedeutet einen Zuwachs von 27 Prozent gegenueber dem Vorjahr. Den groessten Anteil des Marktes hatten Entwicklungs-Tools - dazu gehoeren besonders die Datenbanksysteme - mit 44 Prozent, gefolgt von der Systemsoftware mit 37 Prozent und den Anwendungen mit 19 Prozent Anteil am Gesamtumsatz. Die Prognose rechnet mit einem durchschnittlichen jaehrlichen Wachstum von zirka 27 Prozent bis zum Jahre 1998, wobei die Anwendungen mit durchschnittlich 30 Prozent pro Jahr am staerksten zunehmen werden.

Die Software fuer Server hatte 1993 einen Anteil von 51 Prozent, die Client-Software 49 Prozent. Die Software fuer die Server wird in den kommenden Jahren bis 1998 weiter anwachsen. Das zu erwartende durchschnittliche jaehrliche Marktwachstum in diesem Segment liegt mit zirka 31 Prozent ueber dem Gesamttrend.

Die Systemsoftware repraesentierte mit 37 Prozent mehr als ein Drittel des Client-Server-Softwaremarktes fuer 1993 in Europa. Ein grosser Teil davon bestand aus Netzsoftware. Das durchschnittliche jaehrliche Wachstum bis 1998 duerfte bei 23 Prozent liegen.

Auch bei Client-Server Trend zur Standardsoftware

Die Tools machten im vergangenen Jahr zirka 44 Prozent des Marktes aus. Fuer die erste Haelfte der Prognoseperiode ist ein anhaltend starkes Wachstum sowohl bei den Datenbankentwicklungs-Systemen als auch bei den Entwicklungswerkzeugen selbst zu erwarten. In diesem Zeitraum werden die Tools die hoechsten Wachstumsraten aller Softwaretypen vorweisen koennen. Mit der zunehmenden Reife des Marktes wird sich diese Wachstumskurve doch etwas abflachen, wenn sich dann der Einsatz von Client-Server-Standardanwendungen weiter verbreitet, zu Lasten der bis dahin vorherrschenden Software- Entwicklung.

Das Segment der Client-Server-Standardanwendungen fuer Endanwender ist derzeit noch wenig entwickelt und hatte 1993 folglich nur einen Anteil von 19 Prozent. Zwar wird dieses Segment im Laufe der Prognoseperiode bis 1998 das staerkste Wachstum erleben, anfaenglich aber noch hinter den Tools liegen. Ab 1996 ist jedoch ein starker Wachstumsschub zu erwarten, der letztlich zu einem jaehrlichen Wachstum von 30 Prozent ueber die gesamte Periode hinweg fuehren kann.

Heutzutage stellt Unix die fuehrende Plattform im Rahmen verteilter Rechnerumgebungen dar und kann auch als ernsthafter Herausforderer fuer die Besetzung der Server-Plattformen in kleinen und mittleren Netzwerken angesehen werden. Unix-Systeme haben wegen ihrer vielfaeltigen Kommunikationsfunktionen und Datenuebertragungssoftware oft eine Brueckenfunktion zur klassischen Server-Welt wahrgenommen. Zirka 55 Prozent der Unix-Desktop- Rechner und 25 Prozent der mittelgrossen Unix-Rechner kommen in Netzumgebungen zum Einsatz. Es ist anzunehmen, dass sich der Anteil bei den Unix-Desktops auf 70 Prozent und bei den mittleren Rechnern auf 40 Prozent erhoeht. Als isolierte Einzelrechner oder Low-end-Anwenderrechner haben Unix-Systeme kaum Erfolgsaussichten im Markt.

Bei den Clients bleiben DOS und Windows vorn

Netware wird nach IDC-Ansicht den PC-basierten Server weiterhin dominieren, bei den mittleren Rechnern allerdings eine sehr viel geringere Rolle spielen. Das Apple-Macintosh-Betriebssystem wird weiterhin auf die Macintosh-Plattformen einschliesslich der neuen RISC-Macs beschraenkt bleiben. Bei den Client-Rechnern werden DOS beziehungsweise Windows die dominierenden Betriebssysteme bleiben. Windows wird besonders fuer solche Client-Rechner eingesetzt werden, die nur gelegentlich auf den Server zugreifen muessen und ansonsten hauptsaechlich als persoenliches System genutzt werden.

OS/2 wird in den naechsten Jahren durchaus noch Erfolg haben. Es wird einige Zeit dauern, bis Windows NT auch entscheidend wichtige Funktionen im Netzwerk-Management anbieten kann. Mit OS/2 fuer Windows hat das Betriebssystem auch den Weg auf Windows-Desktop- PCs gefunden. Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass OS/2 langfristig ein dominierendes Produkt wird. Vielmehr wird es ueberwiegend in speziellen Nischen und besonders bei traditionellen IBM-Kunden eingesetzt werden. Die Umstaende haben die IBM dazu gezwungen, ihre OS/2-Strategie zu ueberdenken. Urspruenglich war OS/2 ja als Nachfolger von DOS unter dem Dach des SAA-Standards vorgesehen. Aber SAA wurde niemals realisiert. Und obwohl Big Blue noch immer seinen LAN-Server als strategisches Netz-Betriebssystem bezeichnet, wurde IBM durch die Kundennachfrage gezwungen, auch Netware in sein Angebot aufzunehmen.

Im Client-Server-Markt wird Windows NT allmaehlich den Abstand zu Unix verkleinern. Es wird sich ein prosperierender Markt fuer solche Server entwickeln, die Windows-Front-end-Rechner bedienen. Dieser Markt wird sehr wichtig fuer NT werden, und der NT Advanced Server zielt genau darauf. Es ist zu erwarten, dass Unix und Windows NT fuer PC-basierte Server kuenftig in ungefaehr gleichen Mengen abgesetzt werden. Bei den mittleren Systemen wird die Vorherrschaft von Unix-Software ueber den NT-Herausforderer auch ueber das Jahr 1998 hinaus anhalten.

VMS ist als Betriebssystem durchaus ein respektabler Wettbewerber fuer den Einsatz auf einem Server und koennte vor dem Hintergrund der traditionell starken Netzwerkerfahrung von Digital eine wichtige Rolle bei unternehmensweit verteilten Architekturen spielen. Trotz der starken Client-Server-Orientierung ist aber nicht zu erwarten, dass VMS ueber die installierte Basis an Alpha- Systemen hinaus umfangreich zum Einsatz kommen wird.

Was nun OS/400 angeht, so sind die AS/400-Systeme in Europa ueberwiegend als Zentralrechner in kleinen und mittleren Unternehmen im Einsatz. Die Nutzung als Netzwerk-Server oder im Rahmen von Client-Server-Architekturen ist selten. Allerdings will IBM die AS/400 neu positionieren und wird die Integrationsfaehigkeit dieses Systems in Netzwerke betraechtlich erweitern. Ausserdem wurde die Plattform schon mit zusaetzlichen Netzwerkfunktionen ausgestattet.

Der Beitrag ist ein Nachdruck aus dem "Newsletter der IDC Deutschland", Ausgabe 6 vom Juni 1994.