Thema der Woche / Ein Betatester gibt Auskunft

Windows-NT: Der Nutzen fuer die potentiellen Anwender

07.05.1993

CW: Was kann Unix, was NT nicht kann?

Klockhaus: Der allergroesste Unterschied liegt nicht im technischen Bereich, sondern in der Verbreitung am Markt und der Unterstuetzung von Drittherstellern. Unix hat sich auf dem PC zwar nicht als Endanwendersystem, wohl aber als Server-System etabliert. Momentan gibt es mehr Software und viele auf Unix spezialisierte Dienstleister. Der Support ist ausgezeichnet, waehrend bei Microsoft hier noch alles im unklaren liegt, auch wenn ich als Betatester durchaus Unterstuetzung bekommen habe. Ausserdem hat die Betatest-Phase den Dienstleistern die Moeglichkeit verschafft, sich mit NT vertraut zu machen.

CW: Welche Bedeutung hat es, dass Windows NT kein Multiuser-System ist?

Klockhaus: Windows NT ist ein Single-User-, Multitasking-, Multiprozessor-Betriebssystem. Das schliesst konkret den Einsatz von Terminals als Endgeraete aus.

CW: Entstehen da keine Einschraenkungen, wenn eine fuer Unix entwickelte Grossanwendung wie R/3 von SAP - wie angekuendigt - auf NT laufen soll?

Klockhaus: Das wird so aehnlich funktionieren wie bei R/2, wo bereits das CUA-Benutzer-Interface auf dem Client und die eigentliche Anwendung auf dem Host lief. Unter NT sieht das dann so aus, dass die Datenbankanwendungen, alle Abfragen und das Daten- Management auf einem NT-Server laufen, der dann aus Performance- Gruenden sicher kein Intel-Rechner sein wird**. Dem Client bleibt die In- und Output-Funktion und die Moeglichkeit, die geladenen Daten weiterzuverarbeiten.

CW: Wo ist NT Unix ueberlegen?

Klockhaus: Im Kommunikationsbereich wurde bei NT grosser Wert auf das Zusammenspiel verschiedener Rechnerwelten gelegt. Es gibt derzeit kein Betriebssystem, das ueber aehnliche viele Schnittstellen, sprich Application Programming Interfaces (APIs), verfuegt. So lassen sich von Windows NT aus Unix-Anwendugen starten, sofern sie den Posix-Richtlinien entsprechen.

CW: Aber verfuegt nicht Unix mit Internet und genormten E-Mail- Funktionen ueber ein einfach zu bedienendes und weltweit extensiv genutztes Kommunikationsnetz?

Klockhaus: Ja, aber es hat weniger Schnittstellen zu anderen Betriebssystemen als NT.

CW: Welche Anwenderprobleme loest NT, die nicht heute schon geloest sind?

Klockhaus: Wie gesagt lassen sich von NT aus Applikationen anderer Betriebssysteme aufrufen. Neben Posix-Anwendungen sind das solche fuer OS/2, Windows und DOS. Das ist eine klare Staerke von NT.

Neben einigen Netzwerk-Features wuerde ich hier vor allem noch den C2-Sicherheitsstandard nennen, der auf PCs bisher nicht erreicht wurde.

CW: Wer steigt auf NT um?

Klockhaus: Vor allem PC-Anwender, weil die DOS-Restriktionen wegfallen, wie sie auch unter Windows noch bestehen.

CW: Aber soll nicht auch Windows 4.0 ohne DOS auskommen. Ist es dann nicht sinnvoller, darauf umzusteigen?

Klockhaus: Ja. Windows NT ist so gesehen nicht der natuerliche Wachstumspfad fuer DOS- und Windows-Anwender. Das kann sich aber aendern, wenn massenhaft 32-Bit-Anwendungen auf den Markt kommen.

CW: Ist NT eine Plattform fuer Downsizer?

Klockhaus: Hier ist SAP ein Beispiel. Allerdings verstehe ich Downsizing so, dass eine Arbeitsteilung zwischen Mainframe, Midrange-System und Front-end stattfindet. User- und Daten- Management finden auf Host-Seite statt, Kommunikation und Applikation laufen auf der mittleren Ebene und die Oberflaeche auf dem PC.

CW: Gibt es denn eine Verbindung zwischen NT und der Grossrechner-Welt?

Klockhaus: Es gibt eine Betaversion von SNA-Services, eine NT-Funktion die die Verbindung zu IBM-Mainframe-Netzwerken herstellt. Am PC-Markt wird NT einer Einschaetzung nach Unix ueberholen. Allerdings wird es wohl kaum Umsteiger von Unix nach NT geben. Die Klientel sind DOS- und OS/2-Anwender.

*Eckhard Klockhaus ist bei der Duesseldorfer Microware GmbH verantwortlich fuer den Bereich DV-Management und Beratung.

** Ueber erste Testinstallationen unter Unix berichten Anwender, dass R/3 in einer Version fuer 33 Benutzer einen Hauptspeicher von ueber 120 MB RAM und rund 12 GB Platz auf der Festplatte voraussetzt (Anmerkung der Redaktion).