Neues Consumer-Betriebssystem vorgestellt

Windows ME: Browser und Media Player inklusive

14.04.2000
MÜNCHEN (CW) - Der Schuldspruch im Antitrust-Verfahren lässt Microsoft offenbar kalt. Trotz des eindeutigen Urteils hat der Softwarehersteller ebenso wie bei Windows 98 auch bei dessen Nachfolger Windows ME den "Internet Explorer" erneut mit dem Betriebssystem gekoppelt. Auch die enge Einbindung des "Media Player 7" in das Consumer-System dürfte der US-Kartellbehörde missfallen.

Ohne weltweites Feuerwerk und Marketing-Fanfaren, sondern lediglich in 30 ausgewählten Lichtspielhäusern der USA hat Microsoft die Premiere des neuen Consumer-Systems Windows ME veranstaltet. Die "Bescheidenheit" hat offensichtlich triftige Gründe: Obwohl Richter Thomas Jackson erst vor wenigen Tagen Microsoft schuldig gesprochen hatte, seine Monopolstellung bei PC-Betriebssystemen durch die Verknüpfung mit dem Internet-Browser missbraucht zu haben, zeigt sich die Gates-Company auch mit der "dritten und letzten Version von Windows 98" uneinsichtig. Ebenso wie beim Betriebssystem-Vorgänger hat der Konzern auch Windows ME mit dem Web-Browser Internet Explorer gekoppelt. Bei der Anbindung ans Internet geht Microsoft sogar noch einen Schritt weiter: Windows ME soll Funktionen enthalten, mit denen manche Internet-Seiten geöffnet werden können, ohne dass der Anwender explizit irgendeinen Browser starten muss.

Grund für neue Querelen mit dem US-Justizministerium könnte zudem die Verknüpfung des "Windows Media Player 7" in das Betriebssystem geben. Unbeirrt vom Zwist mit den Kartellhütern, hat Microsoft die Multimedia-Software für Internet-Inhalte als festen Bestandteil in das Betriebssystem integriert. Der Media Player eignet sich zur Übertragung von Audio und Videos über das Netz der Netze. Damit geht der Hersteller aus Seattle jedoch auf direkten Konfrontationskurs mit dem Konkurrenten Real Networks. Der Anbieter um den ehemaligen Microsoft-Manager Rob Glaser dominiert mit der Software "Real Player" und weltweit rund 115 Millionen Benutzern klar das Geschäft mit Audio- und Video-Streaming im Internet. Etwa 85 Prozent aller Web-Seiten laufen heute nach den Worten des Vorstandschefs auf Real-Networks-Technologien. Dazu Billy Pidgeon vom Marktforschungsunternehmen Jupiter: "Dass bei Microsoft die Streaming-Software gratis ist, könnte für Real Networks eine Gefahr werden."

Zu den weiteren Windows-ME-Features gehört ein "System Restore", das gelöschte, kritische Systemdateien automatisch wiederherstellt. Dabei macht das Betriebssystem regelmäßige "Snapshots", also Momentaufnahmen der Systemkonfiguration, um im Fall der Fälle fehlende oder korrumpierte Dateien selbständig rekonstruieren zu können. Darüber hinaus ist - ähnlich wie bereits bei Windows 98 - eine automatische Update-Funktion vorgesehen, die neue Systemkomponenten selbständig aus dem Internet lädt und installiert. Ebenso ist mit dem "Movie Maker" ein Programm für das Editieren von Videos, mit "Direct Play Voice Chat" ein Paket für die direkte Unterhaltung mit anderen Computerspielern per Sprache und mit "Image Acquisition" ein Modul für die Bildbearbeitung mit digitalen Kameras enthalten. Auch in diesen Fällen scheint Ärger programmiert: Apple und AOL haben bereits ähnliche Produkte im Sortiment. Windows ME soll im zweiten Halbjahr freigegeben werden.