Erteilt Microsoft PC-Anbietern ein Testverbot?

Windows 98: Start mit Hindernissen

26.06.1998

"Windows 98: Ein kleiner Schritt für die Anwender dieser Welt, ein großer für PC-Verkäufer", so oder ähnlich äußern sich Branchenbeobachter über das neue Desktop-Betriebs-system.

Anders als beim Startschuß von Windows 95 vor etwa drei Jahren, als PC-Läden weltweit von Konsumenten regelrecht belagert wurden, zeigen sich Privatanwender und Unternehmen von Windows 98 relativ unbeeindruckt. Kein Wunder: Während Windows 95 brauchbare Neuerungen wie FAT 32 oder die intuitive Macintosh-ähnliche Benutzeroberfläche gegenüber dem 16-Bit-Vorgänger Windows 3.x brachte, enthält das aktuelle Release fast ausschließlich Erweiterungen, die seit längerem über das Internet frei zur Verfügung stehen.

Dazu gehört etwa die umstrittene Integration des Browsers "Internet Explorer" oder aber der E-Mail-Client "Outlook Express". Dazu John Wohn, Division Manager bei Market Span Inc. aus Hicksville, New York: "So wie ich das sehe, existiert kein großer Unterschied zwischen Windows 95 und Windows 98."

In dieselbe Kerbe hauen die Marktforscher. Nahezu sämtliche Analysten gehen davon aus, daß das durch die Integration des Browsers als Streitobjekt in die Schlagzeilen der Weltpresse geratene Betriebssystem zwar Akzeptanz bei Käufern neuer Hardware gewinnen wird, Besitzer von Windows 95 werde die neue Betriebssystem-Variante Microsoft jedoch kalt lassen.

Dell bittet um Testerlaubnis

So erwartet etwa das Marktforschungsinstitut Dataquest, daß Windows 98 im nächsten Jahr hauptsächlich das Interesse von Privatkunden gewinnen werde, die sich PCs zulegen: "Bei Windows 95 handelte es sich um ein vollkommen neues Release mit neuen Features und zusätzlichen Fähigkeiten, während Windows 98 einfach nur als Upgrade gewertet werden kann", konstatiert Analyst Chris Le Tocq von Dataquest.

Doch im Geschäft mit Windows 98 verärgert Microsoft die PC-Hersteller mit einer wenige Stunden vor der Auslieferung auferlegten Restriktion. Nach einer Meldung des Web-Magazins "PC-World Online" hat die Gates-Company einigen PC-Herstellern untersagt, vorinstallierte Windows-98-Versionen vor dem Verkauf einem Test zu unterziehen. Dell beispielsweise ringt in Verhandlungen mit Microsoft um die Erlaubnis, neu konfigurierte Windows-98-PCs zu starten, um die korrekte Funktionsweise der Komponenten und Peripherie überprüfen zu können. Der Redmonder Konzern verlange aber, daß Anwender den auf der mitgelieferten CD aufgedruckten Produktschlüssel beim ersten Booten eigenhändig eingeben. Auf Anfrage einer US-Radiostation habe Microsoft zu Protokoll gegeben, das Unternehmen erteile offiziell keine Auskünfte über die Einzelheiten seiner Lizenzvereinbarungen mit PC-Anbietern. Die deutsche Microsoft-Dependance, Unterschleißheim, erklärte hingegen, mit derartigen Vorwürfen bis dato nicht konfrontiert worden zu sein. "Welchen Sinn hat das?" fragt sich denn auch Analyst Kimball Brown bei Dataquest, wenn Microsoft Anbietern wie Dell derartige Restriktionen auferlegt: "Das ist doch absurd." Sein Kollege Le Tocq vermutet indes, Microsoft wolle durch diese Restriktion verhindern, daß illegale Kopien des Betriebssystems in Umlauf kommen.