Kolumne

"Windows 98 ist tot - es lebe Windows 98"

16.04.1999

Microsofts Group Product Manager Ed Muth lehnte sich unlängst weit aus demFenster, als er Linux die Brauchbarkeit für professionelle Anwender bestritt. Gegen das Open-Source-System spreche, so der Microsoft-Manager, daß für seine Weiterentwicklung keine langfristige Planung bestehe.

Was die Gates-Company nun anläßlich der Winhec-Konferenz verlautbarte, verdient gewiß auch nicht die Bezeichnung Betriebssystem-Strategie. Das neueste Kapitel im Verwirrspiel "Wir führen Consumer- und Profi-Windows auf Basis von NT zusammen" gäbe wieder einmal Anlaß zur Belustigung, wenn nicht die Anwender die Zeche bezahlen müßten.

Der Beschluß, die Produktlinie Windows 3.x/95/98 trotz gegenteiliger Ankündigungen weiterzuführen, ist ein klarer Hinweis darauf, daß Microsoft seine Plattform immer stärker fragmentiert. Neben dem Oldtimer für private Anwender existieren noch Windows CE und NT. In Entwicklung befinden sich zudem der NT-Nachfolger Windows 2000 sowie eine 64-Bit-Variante. Diese unterschiedlichen Ausführungen weichen in den Programmier-Schnittstellen und in wichtigen Systemkomponenten voneinander ab, was die Portabilität von Anwendungen und die Migration zwischen den Varianten beinträchtigt. Genau dies gestand Microsofts Vice-President David Cole ein, als er die Fortführung von Windows 98 damit begründete, für NT gebe es nicht genug Spiele. Mit anderen Worten: Microsoft ist nicht in der Lage, Windows 2000 kompatibel zu populären Consumer-Anwendungen zu machen.

Der Windows-98-Aufguß bietet Microsoft nicht nur eine Ausflucht aus technischen Problemen, er soll auch die Kassen bis zur Fertigstellung des Endlosprojekts Windows 2000 füllen. Mit Marketing-begründeten Versionen ê la "Second Edition", die die Bezeichnung Update nicht verdienen, schlägt Bill Gates wieder einmal Geld aus altem Code. Auch wenn er nichts Neues auf den Markt bringt, muß er nicht um seine Position am Desktop fürchten. Der Bedrohung von NT durch Linux auf dem Server versucht Microsoft zu begegnen, indem es mit dem Open-Source-Konzept kokettiert. Solange die Änderung der Windows-API aber dem Gutdünken von Microsoft unterliegt, ist Anwendern mit dem Quellcode des NT-Kernels nicht viel gedient. Diese erwarten hochwertige Produkte und eine transparente Update-Politik. Bei Windows werden sie sich da wohl noch ein Weilchen gedulden müssen.