Messe-Rundgang CeBIT 2000: PDAs

WinCElinge kämpfen um öffentliche Aufmerksamkeit

18.02.2000
Taschencomputer liegen voll im Trend. Längst halten die persönlichen digitalen Assistenten (PDAs) Einzug in den Massenmarkt. Die noch relativ junge Produktkategorie, die vom Organizer für die Westentasche bis zum Mini-Notebook reicht, beschert den Hardware-Herstellern derzeit enorme Wachstumsraten.Von CW-Mitarbeiter Wolfgang Miedl

Laut einer Studie von Dataquest wächst der Markt der Kleinstrechner derzeit jährlich um über 40 Prozent. Geradezu explosionsartig haben sich im vergangenen Jahr die Verkäufe in den USA entwickelt. Marktforscher von NPD Intelect stellten zwischen Dezember 1998 und Dezember 1999 einen Anstieg der Verkaufszahlen von 169 Prozent fest.

Bezeichnend für den noch junge Markt der PDAs ist eine geradezu verwirrende Artenvielfalt. Neben den unterschiedlichen Geräteklassen und -formaten machen verschiedene Betriebssysteme die Wahl zur Qual. Bei den Bauformen dominieren klar die stiftbasierten PDAs im Westentaschenformat. Das liegt nicht zuletzt am "Palm" von 3Com: Der Klassiker hat den PDA-Boom eingeläutet und dominiert bis heute ganz klar den Markt. Weil diese Geräte möglichst leicht und handlich sein sollen, verzichtet die unterste Kategorie, die auch Palm-Klasse (englisch: Handfläche) genannt wird, auf eine Tastatur. Die Eingabe erfolgt über einen Plastikstift, dabei steht entweder eine Handschrifterkennung oder eine winzige virtuelle Tastatur auf dem Display zur Verfügung.

Der Käufer hat in dieser Kategorie zwei Betriebssysteme zur Auswahl: Einige Hersteller bieten Palm-kompatible Geräte mit dem Palm-OS an, der Rest setzt auf Microsofts Windows CE. In der Microsoft-Nomenklatur heißen diese PDAs "Taschen-PCs". Eine Klasse darüber sind die Tastatur-PDAs angesiedelt. Sie sind ebenfalls noch recht leicht und klein, lassen aber dank einer Minitastatur zumindest ansatzweise ein PC-Gefühl aufkommen. Die meisten dieser Geräte verfügen über berührungsempfindliche Displays, die eine Navigation oder Eingabe per Stift erlauben. Als Betriebssysteme kommen in dieser Kategorie Windows CE und das Betriebssystem "Epoc" von Symbian zum Einsatz. Die Microsoft-Bezeichnung lautet hier "Handheld-PC". Abseits dieser groben Gliederung gibt es etliche Nischenprodukte, die nicht klar einzuordnen sind. Ein Paradebeispiel ist der Alleskönner "Communicator 9110" von Nokia - er ist gleichzeitig Handy, PDA und mobiles Internet-Gerät. Es ist zu erwarten, dass in der näheren Zukunft die Mobilfunktechnologie den PDA-Markt noch kräftig durcheinander wirbeln wird und viele Geräteklassen verschmelzen.

BetriebssystemeIm PDA-Bereich kommen derzeit drei Betriebssysteme zum Einsatz. Das am weitesten verbreitete ist Palm-OS - es wurde ursprünglich nur in 3Coms Palm eingesetzt, mittlerweile haben aber neben den Herstellern von Palm-Clones auch Unternehmen wie Sony oder Nokia für Eigenentwicklungen Lizenzen erworben. Die große Stärke des Palm-OS ist seine schlanke und hardwarenahe Architektur. Palm-OS-basierte PDAs begnügen sich mit dem sehr stromsparenden Dragon-Ball-Prozessor von Motorola, der mit 16 oder 20 Megahertz getaktet ist. Ein weiterer Vorteil der verbreiteten Palm-Plattform ist die große Auswahl an Software. Anwender können über das Internet für jeden denkbaren Zweck die verschiedensten Programme downloaden.

Mit dem großen Namen Windows versucht Microsoft, im PDA-Segment Fuß zu fassen. Doch bisher tun sich die Redmonder schwer, mit dem für Kleingeräte aller Art konzipierten Windows CE gegen das dominante Palm-OS anzukämpfen. Das Microsoft-System wurde modular und hardwareunabhängig ausgelegt. Dadurch ist es flexibel und kann unter unterschiedlichen Prozessoren eingesetzt werden. Nach Microsoft-Angaben steuert CE mittlerweile sogar Melkmaschinen und Industriegeräte. Doch im PDA-Bereich konnte das Fenstersystem bisher nicht die gewünschten Marktanteile erzielen. Ein Manko ist vor allem der Ressourcenhunger. Für flottes Arbeiten müssen die Hersteller ihren CE-Kleinrechnern teils sehr hoch getaktete und daher Strom fressende Prozessoren spendieren - 190 Megahertz sind keine Seltenheit mehr. Für eine weitere übermäßige Akkubelastung sorgen die Farb-Displays. Die meisten Geräte müssen deshalb nach einer Laufzeit von zwei bis zehn Stunden wieder an das Ladegerät angeschlossen werden.

Die derzeit noch aktuelle Version von Windows CE ist 2.11. Allerdings steht Version 3.0 bereits in den Startlöchern; nach Angaben von Microsoft führen die PDA-Hersteller zurzeit die letzten Tests durch. Microsoft will auf der CeBIT eine Windows-CE-Pressekonferenz abhalten, auf der das System offiziell vorgestellt werden soll. Mit ersten fertigen Produkten soll im Frühjahr zu rechnen sein. Windows CE ist entgegen den Erwartungen, die der Name weckt, nicht kompatibel mit den Windows-Versionen für PCs. Zum Datenaustausch mit Desktop-Rechnern müssen deshalb wie bei anderen PDAs Synchronisationsprogramme eingesetzt werden.

Fehlt noch Epoc im Triumvirat der Marktbeherrschenden PDA-Systeme. Epoc wurde ursprünglich vom britischen Handheld-Pionier Psion entwickelt. Mittlerweile kümmert sich das Symbian-Konsortium um die Weiterentwicklung - Psion hatte dazu namhafte Hersteller wie Motorola, Nokia, Ericsson und Matsushita mit ins Boot geholt. Epoc ist ähnlich modular und flexibel wie Windows CE, entsprechend breit ist daher das Einsatzgebiet. Einige Handyhersteller entwickeln bereits die nächste Mobilgeneration, die PDA-ähnlichen Smartphones, auf der Basis von Epoc. Große Stärken von Epoc sind seine ausgereifte Technologie, seine schlanke Architektur und die große Entwicklergemeinde. Außerdem unterstützt Epoc im Gegensatz zu seinen Konkurrenten bereits auf Betriebssystemebene eine Vielzahl an Kommunikations- und Internet-Standards - WAP- und HTML-Browser zählen dazu ebenso wie neuerdings Java.

In Zukunft könnte auch Linux im Bereich der Mini-Computer eine Rolle spielen. Linux-Erfinder Linus Torvalds treibt in Diensten des neuen Prozessorherstellers Transmeta seit einiger Zeit die Entwicklung eines "Mobile Linux" voran.

KommunikationWie kommen die Daten in den PDA? Als Standard liefern die Hersteller in der Regel eine Docking-Station mit, über die die Mini-Computer zum Datenabgleich an den PC gehängt werden. Für die kabellose Datenübertragung hat sich bei den PDAs die Infrarotschnittstelle Irda (Infrared Data Association) etabliert. Ob Visitenkarten von Palm zu Palm übertragen werden sollen oder eine E-Mail vom PDA mittels Handy ins Internet - der drahtlose Transfer kommt für die unterschiedlichsten Zwecke zum Einsatz. Die Infrarottechnik hat allerdings auch klare Nachteile wie niedrige Datenrate oder Störanfälligkeit durch Hinder-nisse. Nicht zuletzt deshalb experimentieren derzeit fast alle großen Hersteller mit dem drahtlosen Kommunikationsstandard "Bluetooth".

Mit dieser funkbasierten Netzwerktechnologie sollen künftig alle Kommunikationsgeräte wie Handys, PCs, PDAs und Drucker über kurze Entfernungen in Gebäuden Daten austauschen können.

SchnittstellenWährend Palm bisher noch keinerlei Schnittstellen für Erweiterungskarten vorsieht, haben die Konkurrenten mittlerweile einiges zu bieten. Als Standard hat sich das Compact-Flash-Format durchgesetzt. Außer mit Compact-Flash-Speicherkarten mit bis zu 96 MB lassen sich die kleinen Assistenten neuerdings auch mit einer Festplatte wie dem IBM-"Microdrive" mit 340 MB ausrüsten. Auch Netz- und Modemadapter sind für die Schnittstelle erhältlich. Neben Compact-Flash gibt es bei vielen PDAs herstellerspezifische Erweiterungen. Aussicht auf breite Akzeptanz könnte in Zukunft eventuell auch Sonys "Memorystick" haben.

Unternehmens-DVPDAs haben sich mittlerweile auch im Unternehmensbereich auf breiter Ebene etabliert. Nicht selten werden private Geräte für die berufliche Terminplanung eingesetzt. Beim Marktführer 3Com hat man diesen Umstand erkannt und will ihn nutzen, um auch im Bereich Unternehmens-DV stärker Fuß zu fassen. In letzter Zeit bietet der Hersteller verstärkt Server-basierte Softwarekonzepte an, die es Unternehmen ermöglichen, die bereits inoffiziell eingesetzten Palms in die DV zu integrieren.

IBM bietet in den USA schon eine Komplettlösung an, die aus einem Netfinity-Server, 30 Workpad-PDAs und verschiedenen Groupware-Optionen besteht. So sollen Mitarbeiter auch unterwegs stets über umfangreiche Kommunikations- und Datenbankanbindungen verfügen können. Die "Field Service Management Solution" (FSMS) stellt unter anderem die Anbindung an SAPs Business-Software her.

Hersteller und Produkte auf der CeBITIm Bereich der Taschencomputer sind auf der diesjährigen CeBIT wenige Neuheiten zu erwarten. Der eine oder andere Hersteller wird möglicherweise mit Eröffnung der Messe kleine Überraschungen präsentieren.

Marktführer 3Com wollte bis zuletzt nichts zu den Gerüchten um den neuen, lange erwarteten Palm mit Farb-Display sagen. US-Medien berichteten unterdessen, dass 3Com kurz vor der CeBIT die Katze aus dem Sack lassen will. "Palm IIIc" soll der bunte Zwerg heißen und vom Äußeren her dem Palm III gleichen. Bisher gibt es in Deutschland zwei Palm-Modelle. Der Palm IIIx läuft mit Batterie und hat 4 MB Arbeitsspeicher, die sich auf 8 MB aufrüsten lassen. Das Monochrom-Display besteht aus 160 Bildpunkten im Quadrat. Typisches Kennzeichen für den Palm und die Palm-OS-basierten Konkurrenzprodukte ist die Eingabe per Stift mit einer Art Handschrifterkennung. Mittels des Spezialalphabets "Graffiti" gelingt bereits nach kurzer Gewöhnungszeit eine flüssige Texteingabe. Der Palm V ist schicker, leichter und dünner, aber auch teurer als das Schwestermodell. Von den funktionen her sind beide identisch, der Palm V verfügt aber nur über 2 MB Speicher, die nicht erweiterbar sind.

Nicht auf der CeBIT vertreten ist Handspring. Das junge US-Unternehmen, das von Palm- Gründern nach deren Weggang von 3Com aus der Taufe gehoben wurde, bietet seit kurzem mit "Visor" und "Visor Deluxe" zwei Palm-Clones an.

Ab Sommer will Handspring seine Produkte auch auf dem deutschen Mark anbieten. Sie übertreffen die etwas karg ausgestatteten 3Com-Originale um einige Zusatz-Features wie den Erweiterungsschacht "Springboard".

IBM vertreibt die Original-Palms von 3Com unter der Produktbezeichnung "Workpad PC Companion" und "Workpad C3". Eine entscheidende Verbesserung wird der C3 erfahren, der dem Palm V entspricht. Statt mit mageren 2 MB Speicher wird er in Zukunft mit 8 MB verkauft werden. Auf dem Thinkpad-Stand will IBM außerdem eine eigene Bluetooth-Entwicklung auf der Basis des Workpad vorführen - Workpads können dabei drahtlos Daten mit Thinkpad-Notebooks austauschen. Bis zur Marktreife dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen.

Casio hat mit dem Cassiopeia E-105G einen richtigen Multimedia-Winzling im Programm. Das Windows-CE-Gerät ist ebenfalls schon einige Zeit auf dem Mark. Von der Größe her ähnelt es dem Palm, es verfügt allerdings über ein Farb-Display, 32 MB RAM, Multimedia-Software und einen 131-Megahertz-Prozessor, der das Ganze antreibt. Die üppige Ausstattung macht das Gerät allerdings auch doppelt so schwer wie die 3Com-Referenz.

Compaq ist auf der CeBIT mit den beiden Stift-PDAs "Aero 2100" und "1500" vertreten. Beide Modelle basieren auf CE, der 2100 ist ein farbiges Multimedia-Gerät, der 1500 hat ein Monochrom-Display und besticht durch sein sehr niedriges Gewicht.

Hewlett-Packard bedient das PDA-Segment mit zwei Jornada-Modellen. Der stiftbasierte "Jornada 420" und das Tastaturgerät "Jornada 680" laufen mit Windows CE.

Mobilfunkspezialist Ericsson zählt zu den ersten Herstellern, die praktikable Ansätze zur Verschmelzung von PDA und Handy aufgezeigt haben. Mit dem "MC218" bieten die Schweden den nach eigenen Angaben ersten WAP-PDA an. Als Epoc-basierter Tastatur-PDA kann er allerdings deutlich mehr als WAP - nach Installation eines HTML-Browsers etwa stellt er auch normale Web-Seiten dar. Durch das mitgelieferte Modem wird der MC218 in Verbindung mit einem Ericsson-Handy zu einem umfassenden Internet-PDA. Als Vorseriendemonstration will Ericsson das schon im vergangenen Jahr vorgestellte Organizer-Handy "R380s" auf seinem Messestand zeigen. Das Mobiltelefon arbeitet ebenfalls mit Epoc und fungiert mit seinem berührungsempfindlichen Display als Zwitter zwischen Mini-PDA und WAP-Handy. Erhältlich soll es noch in der ersten Jahreshälfte sein.

Psion feiert auf der CeBIT die Deutschland-Premiere seines "Netbook". Das Epoc-basierte Sub-Notebook mit VGA-Bildschirm ist vor allem durch seine Java-Unterstützung multifunktional einsetzbar. Auch das Modell "5mx Pro" gewinnt nun durch eine "Java Virtual Machine" (Version 1.1.4) ganz neue Einsatzmöglichkeiten vor allem im Bereich Unternehmens-IT. Eine weitere Neuheit für die Modelle "5mx Pro" und "Revo" ist der Psion-WAP-Browser. Psion bietet im Gegensatz zu vielen anderen Handheld-Herstellern nicht nur Hardware, die Briten setzten stattdessen auf umfangreiche Kommunikationslösungen. Neben dem Portal "Psion & More" kommen dabei auch mobile Enterprise-Lösungen von IBM, Oracle, SAP, Sybase, Citrix und Sun zum Einsatz.

Nokia war der erste Hersteller, der mit dem "Communicator" Handy und PDA in einem Gerät vereinte. Nach wie vor ist die nun zweite Auflage, der "Communicator 9110", das einzige Multitalent auf dem Markt, das als Telefon fungiert, einen Organizer und umfassende Kommunikationsoptionen bietet. Nokia will Mitte des Jahres ein Nachfolgemodell vorstellen.