Business-Software für Energieversorger

Wilken kauft ERP-Konkurrenten Neutrasoft

19.12.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Das in Ulm ansässige Softwarehaus Wilken kauft die auf ERP-Software für Energieversorger spezialisierte Firma Neutrasoft. Der neue Eigentümer will sowohl den Standort als auch das Produkt erhalten.

Die Firma Neutrasoft aus Greven entwickelt und vertreibt betriebswirtschaftliche Standardsoftware für Energieunternehmen. Wilken übernimmt Neutrasoft von deren Gesellschafter, der Indus Holding AG aus Bergisch-Gladbach. Auch Wilken vertreibt ERP-Software für Versorgungsunternehmen. Gemeinsam kommen die Firmen auf 390 Bestandskunden, 245 davon sind Neutrasoft-Anwender.

Wilken bedient mit der Softwarelösung "Ener:gy" Stadtwerke, hat aber auch Software für Sparkassen, Gesundheit und Soziales, Stahlunternehmen und die öffentliche Verwaltung.

Diese Wilken-Lösung basiert auf einer anderen Technik als das Neutrasoft-Produkt "NTS-Suite". Letzteres setzt auf der Standard-ERP-Umgebung "Dynamics NAV" (siehe auch "Neue Version von Dynamics NAV") auf. Die Ulmer wollen beide Produktlinien weiterführen und vermarkten. Wilken hofft, durch die Übernahme neue Software schneller auf den Markt bringen zu können.

Laut Wilken könnte es in Zukunft für beide ERP-Linien eine gemeinsame Lösung für den Marktdatenaustausch geben. Auch sei es denkbar, dass Wilken die Neutrasoft-Software für das Fernauslesen von Stromzählern als gemeinsames Produkt nutzt.

Versorgungsunternehmen stehen vor der Aufgabe, ihre Systeme an gesetzliche Anforderungen der Bundesnetzagentur anzupassen. Die Agentur schreibt beispielsweise Stromanbietern vor, wie und in welchen Formaten sie untereinander Kundendaten austauschen müssen, wenn ein Abnehmer den Lieferanten wechselt. Hierzu wurden Standards für den Marktdatenaustausch erlassen, etwa "Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität" (GPKE) und "Geschäftsprozesse Lieferantenwechsel Gas" (GeLi Gas). Laut Karsten Leclerque, Senior Consultant und Branchenexperte beim Beratungshaus PAC aus München, hat die Bundesnetzagentur in letzter Zeit sowohl Anwender als auch Anbieter mit unklaren Vorgaben sowie mit deren Umsetzungsfristen verunsichert.

Softwareanbieter müssen ihre Geschäftsapplikationen an die gesetzlichen Anforderungen anpassen. Manche Hersteller verlangen für diese Funktionen Geld von den Kunden, andere liefern sie im Rahmen der Wartung aus.

Noch nicht bei allen Energieversorgern vollständig abgeschlossen ist ferner das Unbundling. Dies ist die vom Gesetzgeber im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte eingeführte Pflicht, den Betrieb der Stromnetze von anderen Tätigkeitsfeldern zu trennen und Daten so vorzuhalten, dass Vertrieb und Netzwirtschaft sie nicht gegenseitig einsehen dürfen.

Wilken-Chef Andreas Lied will mit dem Kauf des Konkurrenten Neustrasoft mehr Gewicht im Energieversorgermarkt erreichen.
Wilken-Chef Andreas Lied will mit dem Kauf des Konkurrenten Neustrasoft mehr Gewicht im Energieversorgermarkt erreichen.

Was die Neutrasoft-Übernahme kostet, teilten die Unternehmen nicht mit. Der Umsatz von Neutrasoft belief sich im Jahr 2007 auf 13,2 Millionen Euro, während Wilken in diesem Zeitraum 25,2 Millionen Euro umgesetzt hat. Bisher haben die Ulmer ein Drittel der gesamten Einnahmen mit Software für Energieunternehmen erzielt. Damit ist diese Sparte der größte Geschäftsbereich, der nun durch Neutrasoft noch größer wird. Im Jahr 2007 erwirkte Wilken gegen Neutrasoft eine gerichtliche Abmahnung, da sich der Konkurrent als Testsieger in einer Softwarevergleichsstudie erklärte, die es nie gegeben hat.

Weitere Anbieter im Energieversorgerumfeld sind unter anderem Schleupen, SAP, SIV sowie der CRM-Spezialist Cursor Software (siehe auch "Energieversorger wechselt von R/3 nach SAP ERP"). "Der Markt für ERP-Software für dieser Branche ist weitgehend gesättigt, so dass die Übernahme nicht überraschend kommt", meint PAC-Experte Leclerque. Während SAP vor allem die Energiekonzerne und größere Stadtwerke mit Software ausstatte, konzentrierten sich die anderen Softwarelieferanten auf mittlere und kleine städtische Energiefirmen.

Für Wilken ist dies nicht die erste Übernahme: In den letzten Jahren hatte das Softwarehaus die Firmen Entire Software AG, SEV AG und den E-Business-Lösungsanbieter Openshop gekauft. Auf diese Weise erwarben die Ulmer Marktanteile sowie branchenspezifische Programmpakete.

Weitere Artikel, in denen Wilken vorkommt, finden Sie hier.

Wilken und Neutrasoft

Wilken

  • Profil: Anbieter von betriebswirtschaftliche Software für Stadtwerke, Sparkassen, Gesundheits- und Sozialkassen, Stahlunternehmen sowie öffentliche Verwaltungen;

  • Jahresumsatz in 2007: 25,2 Millionen Euro;

  • Anzahl Kunden (im Bereich Stadtwerke): 145.

Neutrasoft

  • Profil: Softwarespezialist für Energieunternehmen;

  • Jahresumsatz in 2007: 13,2 Millionen Euro;

  • Anzahl Kunden: 245.