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Wilhelm zu Guttenberg

Wikipedia-Fälscher kritisiert Recherche der Medien

13.02.2009
Von pte pte
Die Anekdote um den neuen Vornamen des aktuellen Wirtschaftsministers zu Guttenberg hat erneut Diskussionen über den Umgang mit Online-Quellen ausgelöst.

Die Aufregung um den falschen zusätzlichen Vornamen des neuen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg hat in Deutschland eine breite Diskussion über die Recherchequalität der Journalisten in Bezug auf Internet-Quellen ausgelöst. Ein Fälscher, der sich mittlerweile bereits zu seiner Tat bekannt hat, hatte in der Online-Enzyklopädie Wikipedia den Guttenberg-Eintrag absichtlich abgeändert. Von etablierten deutschen Medien wie "Spiegel Online", dem "Handelsblatt", der "Süddeutschen" oder der "Bild"-Zeitung wurden die falschen Angaben daraufhin unkontrolliert übernommen. "Zugegeben, der Scherz war anfangs nicht gerade originell. Innerhalb weniger Stunden bekam er aber eine höchst interessante Eigendynamik, die mich an den Recherchemethoden vieler Journalisten erheblich zweifeln ließ", schreibt der Übeltäter in einem aktuellen Blog-Eintrag.

"Die aktuellen Ereignisse zeigen einmal mehr, dass Wikipedia nur sehr eingeschränkt als journalistische Recherche-Quelle taugt", stellt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), im pressetext-Interview fest. Da die Online-Enzyklopädie kein professionelles journalistisches Produkt sei und keine für die dortigen Inhalte verantwortliche Redaktion aufweise, dürfe sich der Journalist keinesfalls ausschließlich auf diese eine Quelle verlassen. "Journalisten, die Wikipedia bei ihren Recherchen zu Rate ziehen, sollten zwei Dinge beachten: Erstens müssen sie sich vergewissern, woher die dort gefundenen Informationen ursprünglich stammen und zweitens sollten sie zu ihrer eigenen Rückversicherung noch mindestens eine weitere Quelle hinzuziehen", fasst Zörner zusammen. Dies gelte aber nicht nur für das Internet-Nachschlagewerk, sondern prinzipiell für jede Art von Online-Quelle.

Dass auch so renommierte Medien wie der "Spiegel", der eigentlich für seine gute Recherchequalität bekannt ist, auf die Guttenberg-Finte hereingefallen sind, ist für den DJV-Sprecher eine Überraschung. "Da sind sicherlich grobe Fehler passiert", ist Zörner überzeugt. Dies gesteht das Nachrichtenmagazin inzwischen auch öffentlich ein und verspricht in Zukunft sorgfältiger zu recherchieren. "Wikipedia bleibt für uns eine wichtige Quelle, darf aber für journalistische Arbeit nie die einzige Quelle sein", heißt es von Spiegel Online. Diese Einsicht ist aber keineswegs neu. "Eine Enzyklopädie sollte lediglich die Hintergrundinformationen liefern und als Basis für die weitere Recherche dienen", verkündete Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales vor einiger Zeit im Rahmen eines Kongresses in Wien.

"Ausschlaggebend für solche Fehler ist wohl in vielen Fällen das Zeitargument, das im Journalismus eine wesentliche Rolle spielt", meint Zörner. In dieser Hinsicht habe Wikipedia entscheidende Vorteile zu bieten. "Die Seite ist eine schnelle und einfache Art, wie man als Journalist in relativ kurzer Zeit an möglichst viele Informationen zu einem bestimmten Thema herankommen kann", stellt der DJV-Sprecher fest. Auch wenn sich die Online-Enzyklopädie in puncto Qualität und Glaubwürdigkeit mittlerweile deutlich verbessert habe, seien die dort zu findenden Inhalte immer noch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. "Journalisten müssen sich stets Zeit für eine gründliche Recherche nehmen. Es gibt zwar ein klar erkennbares Bemühen, die Wikipedia-Einträge zu professionalisieren, doch ein Unsicherheitsfaktor bleibt vorhanden", so Zörner abschließend. (pte)