HR-Umfrage

Wieviel KI vertragen die Mitarbeiter?

30.09.2021
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Fast ein Drittel der Personalabteilungen hat digitale Technologien implementiert oder plant deren Einsatz. Allerdings befürworten Arbeitgeber klare ethische Rahmenbedingungen bei der Nutzung von KI.
Dass KI darüber bestimmt, welche Bewerber eingestellt werden, ist nicht jedem geheuer.
Dass KI darüber bestimmt, welche Bewerber eingestellt werden, ist nicht jedem geheuer.
Foto: Adrian Candela - shutterstock.com

Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands für Personalmanager (BPM) und des Ethikbeirat HR-Tech. Es sind vor allem Recruiting-nahe Anwendungsfälle, wie die Optimierung von Stellenanzeigen, die Analyse von Lebensläufen oder die Integration von Chatbots, bei denen die Nutzung entsprechender Anwendungen erfolgt und als sinnvoll erachtet wird. Gleichzeitig ist der Wunsch nach mehr Sicherheit und Verbindlichkeit groß. So wünscht eine deutliche Mehrheit der Personaler verbindliche Richtlinien für den Einsatz entsprechender Technologien. Die Vorgaben müssen dabei nicht gesetzlicher Natur sein, auch Hilfestellungen von Fachgremien auf gesellschaftlicher beziehungsweise wirtschaftlicher Ebene werden akzeptiert, sind aber noch zu wenig präsent.

Die bekanntesten Richtlinien dazu sind das Weißbuch der Europäischen Kommission zu KI (PDF), die KI-Strategie der Bundesregierung und die Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von KI und weiteren digitalen Technologien in der Personalarbeit des Ethikbeirats HR-Tech.

Chatbot-Nutzung am beliebtesten

"Digitale Technologien wie KI befinden sich im Personalmanagement immer mehr im Aufwind", beobachtet Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des BPM. Im Rahmen der aktuellen Befragung von BPM und Ethikbeirat HR-Tech wurden die Teilnehmer zu acht Anwendungsfeldern von KI und modernen Technologien im HR-Management befragt. Konkret ging es um die Analyse von Lebensläufen, Optimierung von Stellenanzeigen, Chatbots als Ansprechpartner, Matching von Profilen, Erstellung eines Rankings, Vorschläge für Entwicklungsmaßnahmen, Analyse von Audio- und Video-Aufnahmen sowie Vorhersage der Kündigungsabsicht.

Diejenigen, die KI und moderne Technologien in diesen Anwendungsfeldern bereits nutzen oder einführen wollen, schätzen deren Einsatz mit deutlicher Mehrheit als sinnvoll im Sinne einer qualitativen Verbesserung der Personalarbeit ein. Die Spitzenplätze belegen dabei die Chatbot-Nutzung (93 Prozent), die Optimierung von Stellenanzeigen (92 Prozent) und das Matching von Profilen (91 Prozent). Die vollautomatisierte Analyse von Lebensläufen wird etwas kritischer eingestuft (84 Prozent).

Mit Blick auf die Nutzung bestimmter Anwendungen in der Personallandschaft führt die automatisierte Analyse von Lebensläufen, auch bekannt als CV Parsing (flächendeckende Verbreitung elf Prozent), die Optimierung von Stellenanzeigen (sieben Prozent) sowie die Nutzung von Chatbots als Ansprechpartner und Matching von Profilen (jeweils fünf Prozent).

Wenig Interesse an Videoauswertungen

Demgegenüber haben die in letzter Zeit heftig diskutierte automatisierte Analyse von Audio- und Videoaufnahmen sowie die Vorhersage der Kündigungsabsicht bisher de facto noch nicht ihren Weg in die Organisationsrealität gefunden - hier melden die Studienteilnehmer keinerlei Verbreitung außerhalb von (sehr seltenen) Pilotprojekten.

Die Arbeit mit KI und modernen Technologien setzt eine sorgfältige Prüfung der im Rahmen der Anwendungen genutzten historischen Datenbestände voraus, um in die Zukunft gerichtete Diskriminierung und sonstige Fehlentwicklungen auf Basis historischer Daten zu vermeiden. In dieser Hinsicht identifiziert die Studie einen beunruhigenden Befund: Je nach Anwendung wird in fast einem Drittel bis zur Hälfte der Fälle auf Tests der Anwendungen verzichtet.

Aus Sicht des Ethikbeirats HR-Tech sind Tests ein unabdingbarer Arbeitsschritt in der Einführung von modernen Technologien. Wurden Tests durchgeführt, dann in den Themenfeldern Vorschläge für Entwicklungsmaßnahmen und Nutzung von Chatbots, hier insbesondere auch unter Einbeziehung des Betriebsrats.

Letzte Entscheidung muss natürliche Person haben

Insgesamt erzielen in der Studie alle zehn Richtlinien des Ethikbeirats HR-Tech eine hohe Zustimmung. Als besonders relevant bewerten die Studienteilnehmer die Forderung, dass die letzte Entscheidungsbefugnis für die Nutzung beziehungsweise den Einsatz einer Technologie einer natürlichen Person obliegt und nicht ein Algorithmus alleine entscheidet.

"Noch besteht aber eine erhebliche Kluft zwischen dem Anspruch einerseits und der digitalen Elementarbildung und dem Handlungswissen andererseits", resümiert Martin Kersting, Professor für psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Mitglied des Ethikbeirats HR-Tech.

Die aktuelle Studie von BPM und Ethikbeirat HR-Tech trägt den Titel "Zwischen Angst und Aufbruch - Moderne Technologien und KI im HR-Management" und stützt sich auf einen Online-Fragebogen, den mehr als 300 Entscheider und Experten aus dem HR-Management im Juli/August 2021 beantwortet haben. Die Analyse wird wissenschaftlich betreut durch Martin Kersting, Professor für psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Mitglied des Ethikbeirat HR-Tech. Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse kann formlos per E-Mail bestellt werden.