IT-Servicemanagement

Wieso ITIL für die IT alternativlos ist

22.04.2016
Von 


Thomas Wittbecker ist einer der Gründer der ADACOR Hosting. In seiner Funktion als CEO ist er im Unternehmen vor allem für die Neu- und Großkundengewinnung, Finanzen und Kommunikation verantwortlich. In seinen Blogbeiträgen setzt er sich pointiert mit Themen und Phänomenen auseinander, die ihm im Arbeitsalltag begegnen. Als Visionär vertritt er die Überzeugung, dass es für ein Unternehmen wichtig ist, ein verlässlicher und langfristiger Partner aller Stakeholder zu sein.
Die IT Infrastructure Library (ITIL) hat sich in den vergangenen 15 Jahren bei deutschen Unternehmen als Grundlage für das IT-Servicemanagement etabliert, denn sie bietet eine gemeinsame Kommunikationsbasis für IT-Dienstleistungen.

Als ich vor einigen Jahren für einen Großkunden arbeitete, sprach mein Gegenüber immer wieder von Transition und KPIs. Die Worte kannte ich zwar, aber sie gehörten nicht gerade zu meinem aktiven Wortschatz. Ich dachte nur: „Bullshit Bingo“. Mittlerweile sind die besagten Begriffe fester Bestandteil meiner Kommunikation geworden - und mehr sogar: Zur ITIL (IT Infrastructure Library) gehörend haben sie sich in der Arbeitswelt weitgehend durchgesetzt. Diese strukturierte Prozesssammlung hat sich in den vergangenen 15 Jahren nämlich bei deutschen Unternehmen ab einer gewissen Größe als Arbeits- und Kommunikationsgrundlage für das IT-Servicemanagement etabliert.

Vom Bullshitbingo zum festen Bestandteil der Business-Kommunikation. Keine IT-Projekte mehr ohne ITIL-Begriffe wie Transition oder KPI.
Vom Bullshitbingo zum festen Bestandteil der Business-Kommunikation. Keine IT-Projekte mehr ohne ITIL-Begriffe wie Transition oder KPI.
Foto: Quelle: www.adacor.com

Wir leben in einer Servicewelt

Die Sicht des Managements auf die Unternehmens-IT hat sich grundlegend verändert. Komplexität und Kostendruck sind stark gestiegen, Technologien und Produkte treten mehr und mehr in den Hintergrund. Stattdessen gewinnen IT-Services an Bedeutung. Das interne Netz wird an einen Dienstleister ausgelagert, ein anderer managt die Clients. Der SAP-Betrieb ist outgesourct, Applikationen werden komplett gemanagt gemietet. Die Integration der mobilen Geräte wird über einen Provider eingekauft und so weiter.

Ein IT-Service bezeichnet in diesem Zusammenhang eine Dienstleistung auf der Basis von Informationstechnologie, die den Business-Prozess des Kunden unterstützt. Die verwendete Technologie sowie die damit einhergehenden Prozesse werden vertraglich festgelegt. Das Management der technologischen und kaufmännischen Risiken übernimmt der Dienstleister, der dem Kunden gegenüber nach einem klar definierten Modell abrechnet.

Die IT-Abteilung wird selbst zum Service Provider.
Die IT-Abteilung wird selbst zum Service Provider.
Foto: Sergey Nivens-Shutterstock.com

Die IT-Abteilung wird in der Folge selbst zum Service Provider. Statt einer IT-Abteilung, die alle im Unternehmen genutzten Services erbringt, erhalten die Mitarbeiter jetzt die Gesamtheit der IT-Services von mehreren Zulieferern. Das erfordert in der Unternehmens-IT neue Rollen bis hin zu komplett neuen Abteilungen. Neben der klassischen IT, die einen Teil der Dienstleistungen für das Unternehmen erbringt, braucht es Teams, die das Zusammenspiel der intern und extern ausgeführten Services orchestrieren, planen und überwachen: Sie übernehmen das IT-Servicemanagement.

Es besteht allerdings ein nicht unerhebliches Risiko, dass die Mitarbeiter im IT-Servicemanagement das Wissen über die hinter den Services eingesetzten Technologien verlieren. Damit laufen sie Gefahr, das Zusammenspiel der von unterschiedlichen Providern eingekauften Services nicht fundiert planen können. Risiken für die Geschäftsprozesse des Unternehmens sowie nicht planbare Mehrkosten sind die möglichen Folgen. Dies ist allerdings nicht das Thema dieses Artikels. Deshalb soll an dieser Stelle der klare Hinweis an Entscheider genügen, dass eine rein organisatorische Sicht auf das IT-Servicemanagement unzureichend ist.

Brennpunkt Kommunikation

Im Rahmen dieser allgemeinen Entwicklung besteht eine große Herausforderung in der Kommunikation: Das IT-Servicemanagement ist gefordert, unternehmensübergreifende Prozesse zu entwickeln. Die Erfahrung zeigt, dass Gespräche über Prozesse im IT-Umfeld schnell eine Abstraktionsebene erreichen, auf der gar nicht mehr so klar ist, ob alle Beteiligten vom Gleichen sprechen. Bereits jetzt haben sich in der gesamten IT-Welt, vom IT-Dienstleister über den Carrier bis zur IT-Abteilung, bestimmte Begriffe wie SLA, Change Management, KPI etabliert.

Infografik zur Prozesskette des IT Service Managements
Infografik zur Prozesskette des IT Service Managements
Foto: Quelle: ADACOR Hosting

Sie sind jedoch nicht wirklich selbsterklärend, wie das Beispiel zeigt: Wer von ITIL keine Ahnung hat, weiß im Zweifelsfall nicht, dass mit einem SLA ein Service Level Agreement und damit ein (Teil-)Vertrag mit einem Kunden über spezielle Ausprägungen und vertragliche Zusicherungen im Rahmen des Services gemeint ist. Für eine funktionierende Kommunikation zwischen den verschiedenen Stakeholdern als den Beteiligten an den betrachteten Geschäftsprozessen, sind gute ITIL-Grundkenntnisse bei den Beteiligten von großem Vorteil: Was ist ITIL? Wie sind bestimmte Begriffe und Rollen definiert? Wie passen sie in das Gesamtbild? Dadurch können Missverständnisse vermieden werden, die ohne eine gemeinsame Basis durch ITIL programmiert wären.

Was ist ITIL – und was ist es nicht?

Entwickelt in den 80er Jahren von der englischen Behörde Computing and Telecommunications Agency und nach wie vor als Teil von Her Majesty’s Government gepflegt, ist ITIL eine strukturierte Sammlung von Good-Practice-Ansätzen für das IT-Servicemanagement. Es definiert grundlegende Prozesse, Rollen und Begriffe und gibt damit gleichzeitig ein entsprechendes Vokabular vor. Dabei handelt es sich um Vorschläge, mit denen Unternehmen gute Erfahrungen gemacht haben, nicht um einen Standard. ITIL beschreibt eher strukturiert die relevanten Bereiche und Rollen einer IT-Service-Organisation, die es zu betrachten gilt. Diese auszugestalten und mit Leben zu füllen, ist Aufgabe der Unternehmen. Entsprechend unterschiedlich ist das Ergebnis. ITIL ist eine Art Werkzeugkiste – mit vielen Werkzeugen zum Lösen bestimmter Probleme und der Möglichkeit, weitere hinzuzufügen. Ein ITIL-Glossar finden Sie hier.

Der Lebenszyklus von Services gibt die Struktur vor

Der Kern von ITIL sind Prozesse rund um das Erbringen von Services. ITIL beschäftigt sich nicht mit Projekten oder deren Management. Im Gegensatz zu einem durch Anfang und Ende gekennzeichneten Projekt, definiert sich ein Service durch einen Start mit anschließender kontinuierlich zu erbringender Leistung.

Die in ITIL gesammelten Prozesse umfassen den gesamten Lebenszyklus von IT-Services, der gleichzeitig die Struktur vorgibt. Parallel zum Lebenszyklus betrachtet ITIL auch Prozesse rund um die IT-Governance im Sinne von Führung und Kontrolle. Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Informationstechnik Geschäftsstrategie und –ziele unterstützt. Die wichtigsten Themen sind in diesem Zusammenhang Risiko- und Sicherheitsmanagement, Finanzmanagement sowie das genaue Messen und Reporten der Serviceleistungen.