Wiener Fachkongreß zum Thema Computerethik:DV-Fachmann kein Hohepriester

28.03.1980

WIEN - Vorwiegend dem Menschen und erst in zweier Linie der Elektronik galten Vorträge und Diskussionen auf dem 6. Internationalen Kongreß der ADV (Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung Österreich) vom 17. bis 21. März in Wien, zu dem Besucher aus West- und Osteuropa zusammenkamen. Unter dem Leitthema "Chancen und Grenzen der Informationsverarbeitung" wurden optimistische wie pessimistische Gedanken zum Stichwort "Computerethik" vorgetragen, wobei dieser Begriff all jene Denkmodelle umfaßt, die die humanitären Aspekte in einer computerisierten Welt behandeln.

"Vom Anwender für den Anwender" lautet die Aufgabenstellung, die sich die österreichische Anwendervereinigung ADV gestellt hat, um industriellem Profitdenken durch Aufklärung und Kontrolle wirksam entgegenzutreten. Gleichzeitig soll die Kommunikation zwischen Industrie, Forschung, Stellen der öffentlichen Hand und den Benutzern der Datenverarbeitung gefördert werden, um Probleme zu erkennen und abzubauen. Eine der dahingehenden Aktivitäten ist die Organisation des Kongresses, der in diesem Jahr zum sechsten Mal abgehalten wurde.

In zehn Gruppen wurden mehr als 100 Vorträge thematisch zusammengefaßt präsentiert, wobei die Redner im Anschluß an die Ausführungen die jeweils auftretenden Fragen zu diskutieren oder zu beantworten bereit waren. Der letzte Kongreßtag blieb einer Podiumsdiskussion vorbehalten, in der zusammenfassend die "Bilanz des Kongresses" gezogen wurde. Untertitel der Schlußveranstaltung war: Forderungen an die Informationsverarbeitung in den 80er Jahren.

Einigkeit bestand in Wien darüber, daß die Bevölkerung der Industriestaaten in

den kommenden Jahren von revolutionären elektronischen Techniken für alle Lebensbereiche überflutet werden wird. Über die Rückwirkungen auf unsere Gesellschaftsstruktur und das einzelne Individuum ist allerdings von unterschiedlichen Meinungen zu berichten. Prof. Dr. Hans-Jochen Schneider von der Technischen Universität Berlin erklärt, mit den 150 Milliarden Dollar, die in die Computerwelt investiert wurden, hätten unbemerkt die Grenze der Planbarkeit überschritten. Er warnt vor der Einführung neuer Technologien und propagiert die kooperative DV, die als Mischform aus zentraler und dezentraler Informationsverarbeitung praktisches Werkzeug, nicht raffiniertes Kontrollsystem, ist.

Prof. Heinz Zemanek, IBM-Fellow und "Informatikpapst", von der TU Wien behauptet, daß die Probleme seit Beginn der Datenverarbeitung mit der Schnurvermittlung dieselben geblieben seien, nur hätten sie sich gleichsam vom Punkt zur Fläche entwickelt. Unsere Aufgabe sei zu lernen, auch komplexe Systeme vernünftig zu beherrschen. Dr. Werner Frank, Sektionschef im Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie und Präsident der Österreichischen Computergesellschaft Wien spricht von der Gefahr einer "Kaste der Hohepriester der Information", die abgekapselt durch ihr Fachlatein, zu herrschen versucht.

Der Schirmherr des Kongresses, Bundespräsident DT. Rudolf Kirchschläger, dagegen gibt in seinem Geleitwort der Gewißheit Ausdruck, daß "der Computer und mit ihm die Informationsverarbeitung dazu beitragen könne, die Hoffnung und Sehnsucht vieler Menschen dieser Welt nach einer gerechteren Verteilung der Güter unserer Erde der Verwirklichung näherzubringen". (Detaillierte Kongreßberichte in CW Nr. 14.)