Wie wirken DFU-Gebühren auf TP-Anwendungen?

04.04.1976

Verteilte Intelligenz - wie verteilen? Die Antwort wird nicht mehr von Hard- und Software allein bestimmt, sondern auch vom Bundespostministerium. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit - insbesondere für den Nahverkehr - mit die höchsten Leitungsgebühren aller Industrienationen. Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt des internationalen Wettbewerbs werden sinnvolle Datenfernverarbeitungslösungen durch teure Gebühren verhindert. Daß tatsächlich die Gebührenpolitik der Deutschen Bundespost Einfluß auf die Ausgestaltung von Anwendungen hat, zeigen die Stellungnahmen von vier Betroffenen.

Lothar Fleer, Prokurist, Rechenzentrale Bayerischer Genossenschaften e. G., München

Die Rechenzentrale betreibt .seit 1970 Stapelfernverarbeitung mit ihren 21 Datenstationen. Die Länge des Leitungsnetzes beträgt rund 2500 Kilometer. Jährlich sind für die 9600 Baud-Standleitungen rund 750000 Mark Leitungsgebühren an die Bundespost zu entrichten.

Die damalige Entscheidung zur Einrichtung der Datenfernverarbeitung ergab sieh aus betrieblichen Notwendigkeiten. Unser Kundenkreis stützt sich hauptsächlich auf die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenkassen, die auf der absoluten Tagfertigkeit ihrer Buchhaltung bestehen. Aus diesem Sachzwang hat bei der Einrichtung des bestehenden DFV-Netzes die Gebührenordnung der Bundespost praktisch keine Rolle gespielt.

Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken unterhalten 4000 Geschäftsstellen in Bayern. Ein Onlineanschluß aller dieser Geschäftsstellen ist aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus derzeit nicht vorstellbar. Der Terminal- Markt bietet heute bereits preiswerte Produkte. Auch die Software-Seite kann zufriedenstellend gelöst werden. Allein die entstehenden Leitungskosten, zu denen ja auch die Postmodems zu zählen sind, stellen einen wesentlichen Hinderungsgrund für den Einsatz der Dialogverarbeitung dar.

Die Deutsche Bundespost begünstigt zudem Unternehmen wie Groß- und Regionalbanken, die die Datenverarbeitung sowie Fernübertragung im eigenen Hause durchführen. Die Volks- und Raiffeisenbanken sind rechtlich selbständig, das heißt Datenübertragung zwischen einer Volksbank und der Rechenzentrale gilt nach der Fernmeldeordnung als Datenfernverarbeitung zwischen zwei verschiedenen Unternehmen, was zu höheren Gebührenbelastungen führen kann.

Eberhard Adolf Geschäftsführer der Börsendatenzentrale GmbH, Frankfurt

Die Gebührenpolitik für die HfD-Anschlüsse hat Einfluß auf die Entwicklung unserer Datenfernverarbeitung. Mit Betroffenheit müssen wir feststellen, daß durch die Gebührenordnung in Ballungsbereichen Leitungskosten zustande kommen können, die zwischen 1000 und 2000 Mark pro Anschluß liegen. Denn die ersten 50 Kilometer sind die teuersten. Im Verhältnis zu einer Strecke von zum Beispiel 500 Kilometer sind die Kosten überproportional Gerade aber im Nahbereich liegen unsere Anwendungen.

Zudem gibt es das Problem der verschiedenen Geschwindigkeiten. Wir sind bei der heutigen Hardware auf 1200- Baud-Betrieb im Minimum angewiesen. Durch die BSC- Technik kann man eine andere Geschwindigkeit gar nicht mehr zulassen obwohl von der Anwendung her für den reinen Dialogverkehr langsamere Geschwindigkeiten geeignet wären. Das bedeutet: Die Gebührenpolitik der Post und die technischen Voraussetzungen vertragen sieh nicht so ganz. Hierin liegt auch der Grund, daß es bei uns gegenwärtig keine Entwicklung dahin gibt, außerstädtische Leitungen zu nutzen. In unserem Fall, wo nur stundenweise im Dialog gearbeitet wird stellen diese Gründe sehr leicht das ganze Projekt in Frage.

Die Gebührenpolitik der Post ermöglicht es dem Anwender derzeit nicht, dem technologischen Fortschritt auf der Hard- und Softwareseite zu folgen. Im Wählleitungsverkehr würden zwar die Gebühren eine geringere Rolle spielen, nur sind wir von der Technik her hier wiederum etwas gehindert, um vernünftig im Wählleitungsverkehr fahren zu können. Es rentiert sich einfach nicht, für minimale Übertragungen im Dialog die Anwählprozedur durchzuführen.

Was dringend kommen muß und was eigentlich schon laufen sollte, sind die EDS-Anschlüsse. Die Entwicklung der Datenfernverarbeitung wird also tatsächlich zum großen Anteil von den Leitungskosten bestimmt - wir haben in Europa mit die höchsten Gebühren.

Adolf Plank, Leiter der EDV-Abteilung, Stahlgruber, Otto Gruber & Co, München

Die Gebührenpolitik der Post hat bei uns ganz erhebliche Konsequenzen: Im Laufe des Jahres 1977 wird unsere seit 1972 betriebene Online- Version - derzeit elf Standleitungen zu Filialen in Süd- und Nordbayern -abgebaut, da die Leitungskosten zu hoch sind. Wir bezahlen I heute bereits für die Hälfte unserer Filialen etwa 23 000 Mark pro Monat. Unser Ziel ist, diese Onlineverarbeitung durch Satellitenrechner in den Außenstellen zu ersetzen s Nach unseren Berechnungen entsteht somit nur ein Gesamtaufwand von monatlich 5000 bis 6000 Mark. Auch wenn eine weitere Gebührenerhöhung auf uns zukommen sollte, so wird uns das dann nicht mehr so hart treffen. Unser neues Konzept sieht den Einsatz von Satellitenrechnern mit Magnetplatte und entsprechender Plattenkapazität vor, so daß unsere Daten, die zur Fakturierung und Kundenbetreuung benötigt werden, gespeichert sind. Nach 22.00 Uhr täglich werden diese Daten über einen Wählleitungsanschluß "abgeholt", in der Zentrale verarbeitet und gleichzeitig neue Daten an das System zurückgemeldet.

Durch diese Offline-Version müssen wir leider auf den Dialog am Bildschirm verzichten. Wir schaffen aber jetzt die Möglichkeit, dringende ' Informationen per Fernschreiber anzugeben und auszugeben .

Hugo Schwenk, Leiter der EDV-Abteilung Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg AG. Raubling

Monatliche Verkehrsgebühren von 40 Mark/km für die ersten 50 km bei HfD mit 4800 bit/sec.. von 50 Mark/km bei Hfd mit 9600 bit/sec. ergeben unter Hinzurechnung von 160 Mark Grundgebühr eine monatliche Belastung von 2160 Mark oder 2660 Mark für die Überbrückung von 50 Kilometern Diese Sätze sind ein echter Hemmschuh für die Ausbreitung der Datenfernübertragung und treffen vor allem die Klein- und Mittelindustrie. Das übrige Angebot der Post-Telexnetz mit 50 bit/sec. Datennetz mit 50 bis 200 bit/sec. - ist zwar anerkennenswert, genügt dem Computeranwender jedoch nur bei Anfall von geringen Datenmengen. Bei größerem Datenvolumen, und dies ist die Regel, ist die zugelassene Übertragungsgeschwindigkeit zu gering und damit der Datenübertragungsaufwand zu hoch - sowohl im manuellen, oder maschinellen Handlung wie auch hinsichtlich der Kosten.

Die für Herbst 1976 angekündigte Zulassung einer Geschwindigkeit von 2400 bit/sec. in der Datexklasse des neuen Datenwählnetzes ist leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Anwender benötigen eine Geschwindigkeit von 9600 bit/sec. im Datenwählnetz, von 4800 bit/sec. im öffentlichen Fernsprechnetz. Die Post setzt eine Investitionssumme von 1,6 Milliarden Mark für die Schaffung eines neuen innenpolitischen Dauerthemas, nämlich der Vier-Minuten-Takt-Zeit für das öffentliche Fernsprechnetz ein (angeblich ohne damit Gebührenmehreinnahmen zu erlangen). Ware unserer Volkswirtschaft nicht mehr gedient, wenn man die ohnehin knappen Investitionsmittel für die beschleunigte Einführung des elektronischen Datenvermitlungssystems EDS einsetzen würde? Wann erkennt man die Zeichen der Zeit in Bonn?