Web

Wie Web-Werbung wirkungsvoller wird

26.05.2000
Kreativität und Sorgfalt garantieren ein hohes Nutzerinteresse

Von CW-Redakteur Wolfgang Terhörst

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Werbung im Internet boomt wie noch nie. Für immer mehr Unternehmen ist sie inzwischen fester Bestandteil des Marketing-Mix. Damit das investierte Geld nicht sinnlos im weltweiten Netz verschwindet, sollten Web-Werber einige Grundregeln beachten.

Die weltweiten Online-Werbeumsätze betrugen im vergangenen Jahr 4,62 Milliarden Dollar - eine Steigerung gegenüber 1998 um satte 141 Prozent. Diese Zahlen ermittelte das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers (PWC) im Auftrag des Internet Advertising Bureau (IAB), einer Lobbyvereinigung der Web-Werbewirtschaft. Im Vergleich der beiden letzten Quartale von 1998 und 1999 ergibt sich demnach sogar eine Steigerung von 161 Prozent.

"Marketing-Manager fragen nicht länger, warum sie online werben sollten, sondern wie viel Geld einzuplanen ist", frohlockt IAB-Chairman Rich LeFurgy. Das Internet habe sich als Werbemedium etabliert. Und das in beinahe schon gewohnter Geschwindigkeit. Im fünften Jahr seit Beginn der PWC-Erhebungen wird im Web deutlich mehr Geld mit Werbung verdient als im Vergleichszeitraum beim Fernsehen. "Wir erleben hier ein nie da gewesenes Wachstum", so Tony Hyland, Partner bei Pricewaterhouse-Coopers. Der "Advertising Revenue Report" basiert auf den Angaben von über 200 Unternehmen mit mehr als 1200 Websites.

Die Bereitschaft vieler Manager, im Internet zu werben, hat umgekehrt natürlich zu einer wachsenden Zahl an Web-Anbietern geführt, die gerne bereit sind, ihre Sites gegen gutes Geld mit Bannern und anderen Werbeformen anzureichern. Der Dienstleister Adknowledge hat für das vergangene Jahr eine Steigerung von 135 Prozent errechnet. Immer mehr Sites buhlen also um die steigenden Marketing-Budgets. Im Ergebnis hat das zu einem Preisverfall bei den Tausenderkontaktraten, der stabilsten Branchenwährung, geführt. Laut Adknowledge mussten Werbewillige Ende 1999 im Schnitt 33,75 Dollar für tausend Online-Kontakte auf den Tisch legen. Im Dezember 1998 waren es noch 35,13 Dollar. Das scheint zwar nicht viel, summiert sich aber bei größeren Kampagnen schnell.

Eine steigende Zahl an Unternehmen kann sich also die Werbung auf einer Vielzahl an Websites leisten. Damit das Online-Werbebudget dann nicht wirkungslos in den Weiten des World Wide Web verpufft, sollte der Einsatz der Mittel den Bedürfnissen entsprechend geplant werden. Dabei helfen Multimedia-Agenturen und professionelle Vermarkter wie Doubleclick, Netlinq, Adlink oder Adpepper. Doch einige Grundregeln der Web-Werbung sollten auch den verantwortlichen Marketing-Entscheidern in den Unternehmen geläufig sein.

Clifford Kurtzman, CEO der Internet-Marketing-Agentur The Tenagra Corp. hat dazu einen Kodex wichtiger Verhaltensmaßnahmen aufgestellt.

ZEHN GOLDENE (WEB-)WERBEREGELN

Die zehn wichtigsten Werberegeln lauten nach Ansicht des Online-Marketing-Experten Clifford Kurtzman wie folgt:

Seien Sie nicht schüchtern. Publizieren Sie Ihre Web-Adresse (URL) überall.

Platzieren Sie Ihren Markennamen auf jedem Werbemittel im Internet.

Wählen Sie Ihr Werbe-Netzwerk, sprich Ihre Werbepartner, sorgfältig aus.

Beweisen Sie Einfallsreichtum bei der eigenständigen Suche nach Werbemöglichkeiten.

Werben Sie nicht auf den voreingestellten (Default-)Seiten der Browser.

Fünf bis zehn Wörter pro Werbe-Banner reichen. Das Reizwort Nummer eins lautet "kostenlos".

Helle, strahlende Farben sind besser als Rot oder Schwarz.

Animationen oder kleine Banner-Serien erhöhen die Aufmerksamkeit.

Messen Sie beständig den Erfolg einer Kampagne. Reagieren Sie schnell auf Veränderungen.

E-Mail-Werbung und Partner-Programme sind eine wirkungsvolle Ergänzung zur direkten Online-Werbung.

Kurtzman ist neben seiner unternehmerischen Tätigkeit Gründungsmitglied der Branchenvereinigung Association of Internet Professionals (AIP) und gilt weltweit als Web-Werbeguru. Tenagra betreibt außerdem mit der Online Advertising Discussion List eines der führenden Branchenforen.

Kurtzman legt allen, die im Internet werben, sich präsentieren oder Geschäfte machen wollen, folgende Maxime ans Herz: "Seien Sie nicht schüchtern. Publizieren Sie Ihre Web-Adresse (URL) überall." So ließe sich die neue Plattform Internet am schnellsten mit der alten Welt koppeln. Ob Produktverpackungen, Flyer, E-Mails, Fernseh-Spots - in Zukunft müsse die Netzadresse der Firma überall dort erscheinen, wo der Firmenname auftauche. Umgekehrt, zitiert Kurtzman den Branchenkenner Michael Glaspie, gebe es keinen Grund, den eigenen Markennamen nicht auf jedem Banner zu positionieren, mit dem das Unternehmen online werbe. Die durchschnittliche Klickrate, also die Zahl der Nutzer, die ein Werbe-Banner auch tatsächlich anklicken, ist mit ein bis zwei Prozent sehr gering, so Glaspie. Warum also in 98 Prozent der Fälle die Chance verschenken, die eigene Marke zumindest ins Bewusstsein zu bringen, argumentiert der Experte.

Bei der Auswahl eines Werbenetzwerkes, über das die großen Vermarkter in der Regel Online-Anzeigen auf den unterschiedlichsten Seiten platzieren, rät Kurtzman zu Umsicht und Vorsicht. Kleinere und mittlere Netze hätten oft auch Ramsch- und Pornoseiten im Portfolio. Wer nicht wolle, dass sein Firmenname über ein Banner dort auftauche, solle sich vertraglich absichern. Auch wenn man sich an einen Nischenmarkt wende, sei die sorgfältige Auswahl der Internet-Werbepartner essenziell. Viele Sites offerieren Platzierungen nach unterschiedlichen Zielgruppen, und auch Vermarkter gehen dazu über, ihre Netzwerke stärker zu segmentieren.

Etwas Einfallsreichtum bei der eigenhändigen Suche nach Werbepartnern kann laut Kurtzman ebenfalls nicht schaden. Oft seien die schlechtesten Seiten die besten Plattformen - denn wenn der eigentliche Inhalt mies gestaltet ist fällt eine einfallsreiche Anzeige umso mehr auf. Im Gegenzug gebe es immer noch eine ganze Menge wirklich guter Seiten, deren Betreiber noch gar nicht daran gedacht hätten, mit Fremdwerbung Geld zu verdienen. Kurtzman rät den Marketing-Managern zum regelmäßigen Surfen. Meiden sollte man allerdings Web-Seiten, die den Nutzer durch einen Prozess führen. "Wenn jemand mitten im Ausfüllen eines Formulars ist, wird er kaum auf ein Banner klicken", bestätigt Marshall Hays, President bei Hays Internet Marketing.

Nichts zu suchen hat Internet-Werbung laut Marketing-Experte Kurtzman auch auf den voreingestellten (Default-)Seiten der Browser-Hersteller. Die würden von den meisten Nutzern schon beim Aufbau weggeklickt. Hat man schließlich eine Site oder ein Werbenetzwerk gefunden, fängt die Arbeit erst an. Denn der beste Partner nützt nichts, wenn die Werbung nicht wahrgenommen, wenn Banner (mit Abstand noch die meistgenutzte Werbeform) nicht angeklickt werden. "Sieh mich jetzt an, sofort!" Diese Wirkung einer Aussage ist Kurtzman zufolge entscheidend, wenn es um Sekunden oder Sekundenbruchteile geht, in denen ein Surfer weiterwandern kann.

Dieses Ziel könne man durch den Text, die Farbe und die Grafik der Anzeige erreichen - und zwar in genau dieser Reihenfolge, so Kurtzmans Kollege Glaspie. Mit fünf bis zehn Wörtern sollte ein Banner auskommen. Helle, strahlende Farben seien zudem besser als Rot oder Schwarz. Glaspie empfiehlt Gelb, Orange, Blau und Grün. Animationen und Banner-Reihen erhöhen den Grad der Aufmerksamkeit zusätzlich. Beim ersten Aufruf einer Seite könnte eine einführende, provozierende oder einfach nur neugierig machende Botschaft verwendet werden. Mit weiteren Seitenaufrufen desselben Nutzers bekäme dieser dann Folge zwei beziehungsweise drei einer Serie präsentiert. Das Reizwort Nummer eins ist für Glaspie aber immer noch "kostenlos". Nichts verführe die Nutzer mehr dazu, ein Banner anzuklicken, als die Aussicht auf einen Gewinn, kostenloser Support oder Downloads, freie Registrierung auf einer Website und so weiter. Hier sei der Einfallsreichtum der Verantwortlichen gefragt.

"LECK MICH!"

Marketing-Experte Clifford Kurtzman beschreibt eine erfolgreiche, abgestufte Bannerkampagne am Beispiel eines Speiseeisproduzenten. Auf dem Banner, das die Surfer zuerst zu Gesicht bekamen, stand einfach nur "Leck mich!" - mit einem kleinen Eis im Hintergrund. Das hat provoziert und neugierig gemacht. Der zweite Banner-Text lautete dann "Gewinn mich!" - im Hintergrund immer noch das Eis. Auch das hat die Nutzer neugierig gemacht: Wer verlost schon ein Eis? Das dritte Banner dann schlug voll durch. Der Spruch war derselbe wie beim zweiten, allerdings jetzt mit einem Auto im Hintergrund. Es ist unschwer zu erraten, dass sich der Eisproduzent über hohe Klickraten freute.

Ihnen legt Kurtzman zusätzlich ans Herz, ein Banner oder eine Kampagne mit Performance-Messungen ständig auf ihre Wirkung zu überprüfen und gegebenenfalls auf der Stelle zu beenden oder zu variieren. Habe ein Surfer beim dritten Mal ein unverändertes Banner nicht angeklickt, werde er es ganz sicher auch beim vierten Mal nicht tun. Viel Geld könne so in uneffektive Kampagnen fließen. Schlussendlich sollten Marketing-Manager auch den Nutzen von E-Mail-Werbung und Partnerprogrammen nicht außer Acht lassen.

Obwohl durch die jüngsten Virenangriffe auf Computer in aller Welt etwas in Verruf geraten, kann E-Mail nach Ansicht der Experten hervorragend zur direkten Kundenansprache genutzt werden - vorausgesetzt, man hat sich zuvor mit dem Empfänger darauf verständigt. Über Partnerprogramme (Affiliate Networks) könne ein Unternehmen zudem viele kleine Site-Betreiber auf Pay-per-View-Basis für sich arbeiten lassen, die von den üblichen Werbenetzwerken nicht berücksichtigt werden. Diese Regeln im Hinterkopf, sollte laut Kurtzman einem gelungenen Werbeauftritt im Internet grundsätzlich nichts mehr im Weg stehen.