Benutzerverhalten analysieren

Wie Web-Mining Internet-Daten ausschlachtet

19.10.2009
Von Jürgen-Heinrich  Rohr und Karsten Winkler
Das Internet hat sich zu einem unverzichtbaren Informations- und Vertriebskanal entwickelt, der große Mengen kostbarer Daten liefert. Mittelständler, die mehr aus ihren Web-Daten herausholen und damit Online-Marketing und -Vertrieb optimieren wollen, sollten auf Web-Mining setzten - eine spezielle Form des Data-Mining.

Egal, ob aufstrebende Startups oder etablierte mittelständische Unternehmen, alle haben heutzutage eine gemeinsame Priorität, nämlich die verstärkte Investition ins Internet. Die Ziele: Reputation und Sichtbarkeit erhöhen, Gewinne einfahren, Kunden finden oder Kommunikationskosten senken. Das erfordert eine konsequente Umsetzung geeigneter Maßnahmen: Die Relevanz der Web-Inhalte ist zu optimieren, es sollten nur produktaffine Zielgruppen angesprochen werden, Benutzeroberflächen sollten sich möglichst intuitiv bedienen lassen, und Bestandskunden sollten aktiv auf für sie interessante Angebote hingewiesen werden.

Das Modell Tante Emma funktioniert nicht mehr

Die sprichwörtliche Tante Emma setzte ihr Gedächtnis und ihre Intelligenz ein, um sich diesen Herausforderungen des Geschäftslebens im Krämerladen zu stellen. Sie kannte Generationen von Stammkunden, deren Freud und Leid, ihre persönlichen Interessen, Kaufhistorien und finanzielle Spielräume. Laufkundschaft wurde von Tante Emma aufgrund jahrelanger Erfahrung und kaufmännischen Gespürs bestmöglich beraten. Für Mittelständler - die häufig ein fast genauso enges und vertrautes Verhältnis mit ihrer Kundschaft pflegen - gerät der Vertriebskanal Internet aber schnell zum unüberschaubaren Terrain. Binnen kurzer Zeit sind die eigene Produktvielfalt und die vielen neuen Kanäle mit den herkömmlichen betrieblichen "Gedächtnisstützen" à la Tante Emma nicht mehr zu überblicken - und die Investition in den Web-Vertriebskanal bringt mehr Durcheinander als Return-on-Investment. Wie sind also das Gedächtnis und die Intelligenz von Tante Emma auf den Vertriebskanal Internet übertragbar?

Im Direkt-Marketing wird bereits seit Jahrzehnten ein institutionalisiertes Gedächtnis in Form von Datenbanken genutzt, oft in Kombination mit intelligenten Verfahren der Datenauswertung wie etwa Data-Mining. Dabei werden systematisch - auf statistisch-mathematischer Basis - große, meist unstrukturierte Datenbestände durchsucht und ausgewertet. Herkunftsorte dieser Datenbestände sind neben reinen Adressdatenbanken auch Ergebnisse von Online-Marketing-Aktionen sowie Daten zu speziellen Kundenverhaltensmustern. So wird beispielsweise genau festgehalten, welche Produktgruppen innerhalb eines Online-Shops ein Kunde bevorzugt ("Warenkorbanalyse"). Mit diesem Ansatz können Unternehmen trotz einer Vielzahl von Mitarbeitern, Kontaktpunkten und Produkten eine vertrauensvolle, profitable und langfristige Beziehung zu Kunden aufbauen.

Web-Inhalte personalisieren

Erklärtes Ziel von Investitionen in das Kundenbeziehungs-Management ist die Abkehr von der rein transaktionsorientierten Belieferung eines Massenmarktes mit standardisierten Produkten hin zur individuellen Ansprache des Kunden, um eine langfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen. Im Gegensatz zum Einkauf über traditionelle Vertriebswege wie Filiale, Telefon oder Vor-Ort-Meeting ist der Besuch einer Website weitgehend frei von direkten Kontakten von Mensch zu Mensch. Aber: Der virtuelle Raum weist höchst interessante Besonderheiten auf, zum Beispiel die mögliche Personalisierung von Inhalten oder auch die denkbare direkte, ereignisgesteuerte Interaktion mit Besuchern.

Web-Mining nimmt Anleihen beim Data-Mining

Zur Bestimmung dieser zielgruppengesteuerten Inhalte bieten sich nun, analog zum Data-Mining auf "klassischen" Datenbeständen, die Methoden des Web Mining an. Anders als im konventionellen Data-Mining sind in Web-Mining-Projekten meist sehr große Mengen von Online-Protokolldaten (Beispiel Warenkorbanalyse) zu erfassen, mit teilweise speziellen Verfahren aufzubereiten und anzureichern sowie oft mit spezifischen Methoden zu analysieren und zu interpretieren. Das grundsätzliche, sehr prozessorientierte Vorgehen im Web-Mining ist aber ebenso identisch mit einem klassischen Data-Mining-Projekt wie die Mehrzahl der eingesetzten Methoden.