Differenzen um Streitwert

Wie viel darf Filesharing kosten?

16.07.2012
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Aufsichts-- und Kontrollpflichten

Bei der Bemessung des Umfangs der bestehenden Aufsichts- und Kontrollpflichten ist zu berücksichtigen, dass sich der Sohn der Beklagten damals mit 13 Jahren in einem Alter befand, in dem er mit den Möglichkeiten - aber auch den Gefahren - des. Internets vertraut gemacht werden konnte und sollte. Das schloss es insbesondere ein, ihm zu gestatten, das Internet auch ohne persönliche Anwesenheit eines der Beklagten zu nutzen, solange hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt waren und Kontrollen zu deren Einhaltung durchgeführt wurden. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten liegt es nahe, dass diese den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der vorgegebenen Verhaltensregeln nachgekommen sind.

Danach ist dem Sohn der Beklagten ein gebrauchter PC des Beklagten zu 1) mit den Standardprogrammen von Microsoft-Office überlassen worden. Weiter ist sowohl eine Windows- XP-Firewall als auch ein Securityprogramm installiert gewesen, das - seinerseits gesichert durch ein Administratorpasswort - bezüglich der Installation weiterer Programme auf "keine Zulassung" gestellt war. Weiter soll der PC des Sohnes monatlich von dem Beklagten zu 1) überprüft worden sein. Durch diese Maßnahmen, die schon durch ihre bloße Existenz dem damals 13-jährigen Jungen klargemacht haben müssen, dass ihm das Herunterladen anderer Programme nicht erlaubt war, und dieses auch zumindest erschwert haben, dürften die Beklagten den zu stellenden Anforderungen im Ausgangspunkt nachgekommen sein.

Gleichwohl sind sie nicht entlastet. Es kann nämlich der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden, dass die Beklagten die von ihnen im Einzelnen dargestellten Maß-nahmen auch hinreichend umgesetzt haben. Nach ihrem Vortrag war zwar eine Firewall installiert, konnte aber ihr 13-jähriger Sohn, der schon eine Zeit zuvor, nämlich zu seinem 12. Geburtstag, den PC überlassen erhalten hatte, unter Umgehung dieser Sicherungsmaßnahme die beiden erwähnten Filesharing-Programme installieren. Danach kann die Schutzmaßnahme bereits nicht sachgerecht aufgespielt gewesen sein. Weiter will der Beklagte zu 1) bei den vorgetragenen monatlichen stichpunktartigen Kontrollen - auch in der Übersicht im Internetverlaufsordner - die beiden Filesharing-Programme auf der Festplatte des PC seines Sohnes nicht entdeckt haben.

Keine ausreichende Kontrolle

Die Kontrolle des Internetverlaufs erscheint dem Senat schon deshalb nicht ausreichend, weil auch einzelne der aufgerufenen Seiten aus dem "Verlauf wieder herausgelöscht werden können. Zudem ist es nur Funktion jener Übersicht über den Internetverlauf, darzustellen, welche Seiten mit Hilfe des Browsers (wie z. B. Internet Explorer oder Firefox) aufgerufen worden sind. Die Kontrolle des Verlaufes hätte höchstens zutage fördern können, dass zum Download der Tauschbörsenprogramme "Bearshare" oder "Morpheus" bestimmte Internetseiten aufgesucht worden waren, da die spätere Teilnahme am peer-to-Peer-Netzwerk nicht über den Browser, sondern über den jeweils installierten Software-Client des Filesharing-Programmes erfolgt

Eine Kontrolle der auf dem Rechner des Sohnes installierten Programme wäre aber über die Windows-Systemsteuerung möglich gewesen, die unter anderem eine Übersicht über die auf dem Rechner vorhandene Software bietet. Vorliegend hätte sogar schon eine bloße Kontrolle des Desktops genügt, auf dem die jeweiligen Icons der beiden Filesharing-Programme abgelegt waren. Nachdem die Programme eingestandenermaßen spätestens Anfang Oktober 2006 bereits installiert worden waren, hätte dies dem Beklagten zu 1) vor dem Herunterladen der hier streitgegenständlichen 15 Dateien durch seinen Sohn im Januar 2007 bei den monatlichen Kontrollen - sei es des Desktops oder der Softwareliste - auffallen müssen. Das Nichtauffinden beider seit Herbst 2006 installierter Tauschbörsenprogramme ist ein deutliches Indiz dafür, dass - worauf bereits das Landgericht zutreffend abgestellt hat - die angeblichen Kontrollmaßnahmen nicht zuverlässig durchgeführt worden sein können.

Zu Unrecht rügt die Berufung hierzu die Feststellungen des Landgerichts, der Vortrag zur stichprobenartigen Überprüfung des Computers sei widersprüchlich, als verfehlt. Dass der Beklagte zu 1) die Software auf dem PC vor der Rechtsverletzung hätte auffinden können, folgt nicht aus dem Umstand, dass jenes Programm sieben Monate später sich noch auf der Festplatte befunden hat, sondern insbesondere daraus, dass nach dem eigenen Eingeständnis des Sohnes der Beklagten diese Software bereits im Oktober 2006 installiert worden war und deswegen aus den vorstehenden Gründen bei der gebotenen Nachforschung auf der Festplatte des PC auch hätte aufgefunden werden können.

Elterliche Überwachung nicht wirksam

Konkret wurde festgestellt, dass die Eltern zwar ihr Kind überwacht haben, diese Überwachung allerdings nicht wirksam war, denn sonst wäre es hier nicht zu der Urheberrechtsverletzung gekommen. Aus unserer Sicht ist das ein Zirkelschluss, der dazu führt, dass sich Eltern in Zukunft überhaupt nicht mehr entlasten könnten. Der Sohn der Beklagten hatte hier alle Sicherheitsmechanismen umgangen. Das war aus unserer Sicht nicht vorhersehbar und daher kann den Eltern daraus kein Vorwurf gemacht werden. Auch diese Rechtsfrage wird der Bundesgerichtshof hoffentlich klären.

Spannend ist das Urteil aber auch, weil es sich ausführlich zur Frage der sogenannten Aktivlegitimation äußert. So gehen die Kölner Richter davon aus, dass sich die Musikindustrie auf den Phononet-Katalog oder die Listung bei Amazon berufen kann, um zu beweisen, welcher Künstler bei welchem Musiklabel unter Vertrag steht. Aus unserer Sicht wird es der Musikindustrie damit zu einfach gemacht. Die genannten Kataloge sind fehlerhaft und werden von Dritten (Phononet oder Amazon) gepflegt. Über die dahinterstehenden Rechteinhaber sagen diese Plattformen unserer Meinung nach nichts aus.

Anwaltsgebühren

Weitere Ausführungen finden sich zur Höhe der Anwaltsgebühren. Dazu stellt das OLG Köln fest, dass diese selbst dann korrekt berechnet worden sind, wenn zwischen dem Musikverlag und ihrem Anwalt eine illegale Erfolgsvereinbarung bestünde. Auch diese Rechtsauffassung halten wir für fehlerhaft. Ein Revisionsverfahren in dieser Sache vor dem BGH kann also dazu führen, dass ein Haufen offener Rechtsfragen zur Filesharing Thematik auf einen Schlag geklärt werden. (oe)
Der Autor Christian Solmecke, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner in der Kölner Kanzlei Wilde, Beuger & Solmecke und Spezialist für Internetrecht.

Kontakt:

Wilde, Beuger & Solmecke Rechtsanwälte, Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29, 50672, Köln, Tel.: 0221 951563-23, E-Mail: solmecke@wbs-law.de, Internet: www.wbs-law.de