Wie sich wichtiges Wissen planen lässt

19.07.2007
Von Ralph Köppen
Mit einem strategischen Skill-Management-System können Unternehmen flexibel auf veränderte Anforderungen reagieren.
Aufwandsanteile der IT-Rollen in Anwendungsentwicklungs-Projekten. Während in Leading-Practice-Organisationen wesentlich intensiver Gebrauch von passgenau qualifizierten Skills gemacht wird, werden im Markt häufig überqualifizierte Skills eingesetzt. Dadurch steigen in der Regel auch die Kosten für vergleichbare Projekte.
Aufwandsanteile der IT-Rollen in Anwendungsentwicklungs-Projekten. Während in Leading-Practice-Organisationen wesentlich intensiver Gebrauch von passgenau qualifizierten Skills gemacht wird, werden im Markt häufig überqualifizierte Skills eingesetzt. Dadurch steigen in der Regel auch die Kosten für vergleichbare Projekte.
Eine Skill-Ausprägung (blaue Zelle im Rahmenwerk) ergibt sich aus einem Skill (zum Beispiel Programmierung) und einem Skill-Level (zum Beispiel Unterstützer). Eine IT-Rolle (zum Beispiel Junior Softwareentwickler) besteht aus einer Kombination von Skill-Ausprägungen (blaue Zellen). Mit Hilfe technologiebezogener Informationen und persönlicher Qualifikationen kann das Skill Management im Unternehmen faktenbasiert systematisiert werden. Zudem werden unternehmensübergreifende Benchmarks erheblich vereinfacht.
Eine Skill-Ausprägung (blaue Zelle im Rahmenwerk) ergibt sich aus einem Skill (zum Beispiel Programmierung) und einem Skill-Level (zum Beispiel Unterstützer). Eine IT-Rolle (zum Beispiel Junior Softwareentwickler) besteht aus einer Kombination von Skill-Ausprägungen (blaue Zellen). Mit Hilfe technologiebezogener Informationen und persönlicher Qualifikationen kann das Skill Management im Unternehmen faktenbasiert systematisiert werden. Zudem werden unternehmensübergreifende Benchmarks erheblich vereinfacht.
Die Unternehmensziele bei der Skill-Struktur werden auf der Basis des SFIA-Rahmenwerks und von Servicekatalogen beschrieben. Die Mitarbeiter können ihre persönlichen Entwicklungsziele in Abstim-mung mit ihren Vorgesetzten daran ausrichten.
Die Unternehmensziele bei der Skill-Struktur werden auf der Basis des SFIA-Rahmenwerks und von Servicekatalogen beschrieben. Die Mitarbeiter können ihre persönlichen Entwicklungsziele in Abstim-mung mit ihren Vorgesetzten daran ausrichten.

Die Hälfte der deutschen ITK-Unternehmen wird von dem Fachkräftemangel in ihrer Entwicklung gebremst, berichtete der Branchenverband Bitkom im März dieses Jahres. In wissensintensiven Branchen ist die Verfügbarkeit der richtigen Qualifikationen heute und mehr noch in Zukunft einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren.

Hier lesen Sie ...

welche IT-Skills künftig in Unternehmen immer wichtiger werden;

wie IT- und Skill-Strategie voneinander abhängen;

was Unternehmen durch ein systematisches Skill Management gewinnen.

Die Qualifikation der IT-Mitarbeiter kann direkt über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. So hat die Aanalyse von 20 Projekten mit fast 30 000 Beschäftigten im Jahr 2006 gezeigt, dass die Kosten für Anwendungsentwicklung, Softwarewartung und IT-Betrieb in Deutschland aufgrund falscher Skill-Zuordnung oft unnötig hoch sind. Beispielsweise sind in der Softwarewartung Inhaber gehobener Managementfunktionen häufig überrepräsentiert; in manchen Unternehmen lag hier der Anteil von Senior-Beratern und -Entwicklern 200 Prozent über dem Durchschnitt (siehe Grafik Aufwandsverteilung).

IT-Positionen werden ohne strategischen Blick besetzt

Eine wesentliche Ursache: Bisher haben Unternehmen ihre IT-Skills nur selten strategisch gemanagt. So sind im deutschen Markt nur rund 75 Prozent der IT-Stellen überhaupt beschrieben. Diese Definitionen basieren lediglich zu 65 Prozent auf einer festgelegten Struktur, die wiederum nur zu rund 20 Prozent mit derjenigen anderer Unternehmen vergleichbar ist. Das bedeutet: Der größte Teil der IT-Stellen wird nicht auf der Grundlage einer übergreifenden Systematik besetzt.

Deshalb stehen viele Unternehmen heute vor einer paradoxen Personalsituation: Sie verfügen gleichzeitig über zu wenige und zu viele IT-Mitarbeiter. Viele Informatiker haben im Laufe ihrer Karriere zwar zahlreiche Technologien kennen gelernt (und sind mit den Jahren immer teurer geworden). Aber für die Führungspositionen, auf denen sie gebraucht würden, fehlt 62 Prozent von ihnen das notwendige Wissen im Business- und Management-Bereich. Gleichzeitig verfügen 34 Prozent der Spezialisten über technisches Know-how, das entweder zurzeit nicht gebraucht wirdoder veraltet ist. Deshalb geben Unternehmen viel Geld für nicht benötigte Skills aus und müssen für bestimmte Projekte trotzdem externes Spezialwissen einkaufen.

Die oft eher spontan geprägte Personalentwicklung muss deshalb durch eine gezielte Skill-Strategie ersetzt werden, die sich wiederum an der IT-Strategie ausrichtet.

IT braucht neue Management-Skills

Die künftigen Skill-Anforderungen sind bestimmt durch die sich wandelnde Rolle der IT in der Wertschöpfungskette. Sie bringt ins-besondere neue Management-Aufgaben mit sich.

Professionalisierung der Demand-Supply-Schnittstelle: Die IT muss in der Lage sein, verschiedene Kundenbedürfnisse zusammenzuführen und die geschäftlichen Anforderungen optimal in Vorgaben für die IT-Produktion umzusetzen. Für diese Aufgabe werden erfah-rene IT-Generalisten benötigt, die zugleich ein fundiertes Verständnis des Business sowie Management- und Steuerungskompetenzen besitzen. Sie müssen als Mediator und Integrator zwischen verschiedenen Interessen fungieren, Prozesse und Mitarbeiter steuern und auch die Erwartungshaltung der Anwender prägen. Zugleich sollte eine solche Instanz als technischer Innovator für das Business dienen und wissen, welche Technologien bestimmte geschäftliche Anforderungen am besten unterstützen. Dafür braucht sie gute Marktkenntnisse.

Anwendung industrieller Produktionsmethoden in der IT-Entwicklung: An die Stelle der noch immer verbreiteten Aufwandsschätzung für IT-Projekte treten zunehmend tatsächliche Leistungsgrößen. Funktionalität, Umfang, Qualität und Kosten jedes Teilprozesses werden vorab fest vereinbart, womit die Projektleiter künftig sowohl fachliche als auch betriebswirtschaftliche Ergebnisverantwortung erhalten. Sie müssen in der Lage sein, ähnlich einem Architekten ein Softwareprojekt realistisch zu planen und in Teilfunktionen zu zerlegen, Aufträge für einzelne "Gewerke" zu vergeben und deren Ergebnisse zu überwachen. Dazu müssen sie Methoden zur Quantifizierung der fachlichen Funktionalität und Komplexität - etwa durch Function Points - ebenso kennen wie Verfahren zur exakten Kalkulation der IT-Lösung. Zu Letzteren gehören etwa Kennzahlensysteme, die zum Teil aus internen Erfahrungswerten, zum Teil aus Marktvergleichen gewonnen werden.

Auffächerung der Wertschöpfung durch Outsourcing und Near-/Offshoring: Mit der Auslagerung von Teilen der Entwicklung an günstigere Produktionsstandorte wollen Unternehmen nicht nur die Kosten senken, sondern auch dem Mangel an Fachkräften begegnen. Dazu müssen sie allerdings neue interne Steuerungseinheiten installieren (Faustregel: fünf bis zehn Prozent des Outsourcing-Umfangs sollten in solche Governance-Strukturen investiert werden). Diese Mitarbeiter brauchen umfangreiches IT-Erfahrungswissen, zugleich aber auch neue Führungskompetenzen. Sie müssen die beschriebenen Anforderungen an einen internen Projektleiter erfüllen, darüber hinaus gut delegieren, räumlich verteilte Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten motivieren, steuern und Konflikte lösen können. Kommunikation und interkulturelles Management sind deshalb besonders wichtig.

Auch Spezialisten müssen kommunizieren können

In Projekten werden natürlich auch künftig im eigenen Land Spezialisten benötigt. Deren Qualifikation ist stark von der Technologie bestimmt und damit nur schwer vorauszusagen. Denn immer wieder entstehen neue technische Hypes, die oft nach kurzer Zeit verschwinden. Doch zeichnen sich auch hier einige übergreifende Trends ab.

Bereits in der Diskussion um SOA ist deutlich geworden, dass die IT ein grundlegend neues Verhältnis zur Fachseite entwickeln muss. Es beschränkt sich nicht auf die Einrichtung einer Management-Funktion an der Demand-Supply Schnittstelle (so wichtig diese auch ist), sondern verlangt ein durchgängig neues IT-Verständnis. Ziel ist es, nicht länger fallweise die Vorgaben einzelner Fachbereiche umzusetzen, was oft zu den berüchtigten Silo-Lösungen führte. Vielmehr sollen möglichst die gesamten Unternehmensleistungen in wiederverwendbaren Services abgebildet werden, die sich flexibel zu beliebigen Geschäftsprozess-Ketten kombinieren lassen. Dazu sind vor allem die permanente Interaktion zwischen Entwicklern und Kunden sowie ein gemeinsames Problemverständnis notwendig.

Aktuelle Ansätze wie "Extreme Programming" (XP) oder "Agile Programming" (AP) weisen ebenfalls in diese Richtung. Konsequente Orientierung an Kunden, Geschäftsprozessen und Ergebnissen, schnellere Resultate, permanente Zusammenarbeit zw-schen Anwendern und Entwicklern, ständige Interaktion, rasche und flexible Antworten auf Veränderungen sowie ein deutlich höherer Stellenwert des Testens sind Anforderungen, denen IT-Spezialisten künftig genügen müssen. Die Fähigkeit zur Kommunikation, Flexibilität und Verständnis geschäftlicher Herausforderungen sind auch für sie unverzichtbare Qualifikationsmerkmale.

Rahmenwerk hilft die Skills anzupassen

Wenn sich die Skill-Anforderungen stetig wandeln, ist ein Rahmenwerk umso wichtiger, mit dem Unternehmen auf Veränderungen fle-xibel reagieren können. Skill-Management-Systeme sollten die gezielte, strategisch ausgerichtete Entwicklung der eigenen Mitarbeiter, deren optimalen Einsatz sowie eine leistungs- und marktgerechte Vergütung unterstützen. Und nicht zuletzt sollten sie helfen, veränderte Effizienzen durch veränderte Technologien rechtzeitig zu erkennen und in der Planung zu berücksichtigen.

Es gibt unterschiedliche Methoden des Skill- Managements. Das in England entwickelte offene Skills Framework of the Information Age (SFIA) setzt sich auch in Deutschland immer stärker durch. Es definiert in einer Matrix sieben Qualifikationslevel und sechs Skill-Klassen. Diese Skill-Klassen sind in eine Vielzahl einzelner Skills aufgegliedert. An den Schnittpunkten werden dann die jeweils benötigten Skills genau beschrieben. Damit können Unternehmen zum einen intern ihr Personal strukturiert managen; zum anderen können dank einheitlicher Definitionen be-stimmte Rollen und Skills mit dem Markt verglichen werden.

SFIA ist allerdings nur die Basis. Um ein strategisches Skill-Management zu etablieren, müssen Unternehmen zusätzliche Aktivitäten entwickeln. Dazu gehört eine Konzeption zum Einsatz dieses Tools ebenso wie Erweiterungen um Fertigkeiten, die nicht in SFIA enthalten sind: Wissen über bestimmte Techniken, relevante Berufserfahrung, Führungsqualifikationen, Kommunikationsfähigkeit und andere Kompetenzen, die über reine Skill-Klassifizierung hinausgehen. Gebraucht werden auch Marktdaten über die in anderen Unternehmen üblichen Vergütungen von Rollen und Skills (siehe Grafik Rahmenwerk).

Für jeden Kunden die passenden Mitarbeiter

Mit einem strategischen Skill-Management-System kann ein Unternehmen unterschiedliche Herausforderungen angehen.

In Kundenprojekten können die benötigten Rollen definiert werden. Intern können den jeweiligen Rollen die Mitarbeiter mit den notwendigen fachlichen und Management-Skills zugeordnet werden. Über das System wird sichergestellt, dass die einzelnen Rollen marktgerecht vergütet und dass für das Projekt zugekaufte externe Skills marktgerecht bewertet werden. Beides sind Voraussetzungen für wettbewerbsfähige Angebote.

Nicht zuletzt verbessert ein Skill-Management-System die Personal- und Organisationsentwicklung. Das Unternehmen kann künftige Skill-Anforderungen mit gegenwärtigen Skill-Profilen der Mitarbeiter vergleichen und deren Fertigkeiten gezielt weiterentwickeln (vergleiche Grafik Personalentwicklung). Es kann sie sowohl fachlich der technischen Entwicklung anpassen als auch ihre Führungs- und Teamfähigkeit gezielt fördern.