Künstliche Intelligenz

Wie sich Organisationen auf KI vorbereiten können

08.11.2018
Von 
Matthew Neigh verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Bereich IT Service Management. Er war als Cherwell Technology Evangelist und Senior Solutions Consultant für die Planung und Umsetzung internationaler ITSM-Projekte zuständig. Als Vice President Sales ist er für Vertrieb und Partnermanagement in der North-America-Region verantwortlich.
Anwender von morgen müssen künftig hochflexibel agieren. Sie verlangen deshalb am Arbeitsplatz dieselbe Nutzererfahrung, die sie aus dem privaten Umfeld gewohnt sind. Künstliche Intelligenz kann dies leisten und wird im Service Management Einzug halten - ob Unternehmen darauf vorbereitet sind oder nicht.

Der Arbeitsplatz der Zukunft wird mit Technologien und Diensten ausgestattet sein, die auf künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Assistenten wie Amazon Alexa, Apple Siri, Samsung Bixby und Sicherheitssysteme in Fahrzeugen breiten sich immer schneller in unserem privaten Alltag aus. Gleiches gilt für KI-basierte Übersetzer wie DeepL und Google Translate. Sie alle haben eines gemein: Sie bieten eine völlig neue Benutzererfahrung und machen die Nutzung komplexer Services einfacher und natürlicher als je zuvor. Aber auch in Industrie, Logistik und dem Finanzsektor sind KI-Innovationen bereits auf dem Vormarsch - und werden in den nächsten Jahren wettbewerbsentscheidend sein.

Laut Gartner gehört Künstliche Intelligenz bis 2020 für 30 Prozent der CIOs zu den wichtigsten Investitionsschwerpunkten. Zwar ist es bis dahin eher unwahrscheinlich, dass Roboter a la Ex-Machina eigenständig Hardware montieren - die Vorbereitung auf KI-Technologien sollte dennoch ab sofort auf der Agenda eines jeden CIO und IT-Leiters stehen.

Künstliche Intelligenz im Bereich Service Management

Im IT Service Management (ITSM) oder Enterprise Service Management (ESM) kommt Künstliche Intelligenz vor allem zur Automatisierung von Routineaufgaben zum Einsatz, die bisher von Technikern ausgeführt werden. Die Technologie bietet den IT-Teams neue Chancen: Sie werden von regelmäßig wiederkehrenden Tätigkeiten entlastet und können sich mehr auf strategische Aufgaben konzentrieren als bisher. Dazu gehört beispielsweise, dass sie KI-gesteuerte Technologien so trainieren, dass sie eine größere Vielfalt an Serviceanfragen erfüllen können und sich die Technik "menschlicher" verhält.

Nur wenige Organisationen auf KI vorbereitet

Viele Unternehmen sind jedoch bisher nicht ansatzweise auf KI-Anwendungen vorbereitet und können damit verbundene Vorteile in naher Zukunft nicht ohne Weiteres nutzen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Schatten-IT und Daten-Silos, Legacy ITSM-Plattformen und -Werkzeugen bis hin zu starren Service-Desk-Prozessen. Hinzu kommt eine abwartende oder gar kritische Haltung vieler IT-Teams, für die eine konkrete Realisierung von KI-Anwendungen oft noch in weiter Ferne scheint. Nimmt das Tempo der KI-Innovationen weiter zu, wird eine beträchtliche Anzahl von Unternehmen wirtschaftlich hinter Mitbewerbern zurückbleiben.

Die gute Nachricht: Zukunftsorientierte Organisationen können sich dennoch branchenübergreifend auf die nächste Generation von KI-Technologien vorbereiten. Was können CIOs und IT-Leiter also schon heute tun, um die Grundlagen für eine erfolgreiche Einführung zu schaffen? Sie sollten sich zunächst mit folgenden Themen beschäftigen und entsprechende Planungen möglichst zügig vorantreiben.

1. Eine Kultur der Selbstbestimmung schaffen

Künstliche Intelligenz ist im Bereich Service Management im Grunde "nur" ein weiteres Mittel zur Automatisierung von Self Service: Anwender können Incidents und Service Requests erstellen - und erhalten innerhalb kürzester Zeit eine passende Antwort. KI kann Serviceprozesse verbessern, selbst bei komplexen Anfragen die passenden Antworten geben und sogar Mitarbeiter automatisiert bei ihrem beruflichen Neustart unterstützen.

Damit entsprechende Lösungen jedoch angenommen werden, müssen Nutzer darauf vertrauen, dass ihre Anfragen auch ohne die klassischen Anrufe beim Service Desk zuverlässig beantwortet werden. Dazu ist es wichtig, Self Service nicht einfach auf funktionaler Ebene zu implementieren, sondern dessen breite Akzeptanz im gesamten Unternehmen gezielt zu fördern. Führungskräfte sollten deshalb gezielt eine Kultur der Selbstbestimmung schaffen. Ihnen muss es gelingen, dass Mitarbeiter entsprechende Portale in ihre Selbstorganisation aufnehmen und eigenständig nach einer Lösung suchen (Selbstverantwortung).

Damit dies gelingt, müssen Mitarbeiter aller Abteilungen davon überzeugt sein, dass wenige Klicks in einem Self-Service-Portal meist deutlich schneller zum Erfolg führen als lange Telefonate oder E-Mails. Um dies zu erreichen, sind in hohem Maße auch die IT-Teams gefragt. Erst wenn alle Benutzer selbständig Services anfordern, den Status von Incidents verfolgen und Antworten auf häufig gestellte Fragen erhalten, werden KI-Initiativen auch im Bereich Service Management erfolgreich sein.

Experten-Tipp: IT-Teams, die schon ein Self-Service-Portal implementiert haben, können bereits mit Künstlicher Intelligenz experimentieren, indem sie Anwendungsfälle auswählen, in denen sich Endbenutzer einloggen und zur Problemlösung mit einem einfachen Chat-Bot oder virtuellen Agenten interagieren. Um das Engagement auf Nutzerseite zu fördern, können Unternehmen Anreize für Fachabteilungen schaffen, den betreffenden Bot mithilfe bekannter Szenarien weiter zu verbessern.

2. Wissensmanagement ausbauen

Die Lage ist ernst: Analysten von Gartner gehen heute noch davon aus, dass bis 2020 etwa 99 Prozent der KI-Initiativen an einer fehlenden Wissensbasis scheitern werden. Diese Wissensbasis ist also das erste Kernstück jeder KI-gesteuerten Technologie oder Dienstleistung. Daher ist eine nicht zu sparsame Erhebung sinnvoller Daten und deren konsistente Speicherung schon heute erforderlich, damit sie künftig durch KI-Algorithmen verarbeitet werden können.

Im Bereich Service Desk bestehen diese vor allem aus gut dokumentiertem Lösungen für bestimmte Problemszenarien. Diese Informationen sollten möglichst zentral abgelegt werden, so dass KI-Algorithmen sie später interpretieren und Nutzern die passenden Lösungen bereitstellen können. Ergo: Künstliche Intelligenz zwingt zu einem Wandel der Art und Weise, wie Wissen in Organisationen entwickelt, gesammelt und geteilt wird. Der dazu jetzt notwendige Change Prozess ist nicht zu unterschätzen und erfordert viel Zeit und Engagement.

IT-Teams sollten also zeitnah damit beginnen, Kompetenzen für Wissensmanagement aufzubauen und gemeinsam mit den Fachabteilungen firmenspezifische Best Practices zu entwickeln. Wird dies versäumt, werden Organisationen zu Gartners 99 Prozent gehören und nicht in der Lage sein, Künstliche Intelligenz sinnvoll im Service Management einzusetzen.

3. Agile Methoden und Frameworks nutzen

Künstliche Intelligenz erfordert auch ein hohes Maß an Experimenten und Optimierungen innerhalb der IT. Traditionelle ITSM-Ansätze bieten jedoch in der Regel keine Unterstützung für die teils enormen und iterativen Änderungen an vernetzten Systemen. Das ITSM-Framework "ITIL" in der Vergangenheit als sehr effektiv erwiesen - insbesondere, wenn es darum ging, die IT-Abteilung bei der Wartung leicht verständlicher Anwendungen und Systemen zu unterstützen. Es gilt jedoch als zu starr für IT-Umgebungen, die schnelle Evolutionsstufen durchlaufen müssen.

Der Schlüssel zur Überwindung solcher Herausforderungen liegt in der Einführung von agilen oder schlanken Frameworks wie DevOps. Die darin enthaltenen Methoden können Experimenten, Erkundungen und sogar Unsicherheiten umgehen. Sie verfolgen iterativen Innovationsansatz, der kleinere, häufigere und weniger riskante Veränderungen in die IT-Infrastrukturen möglich macht. Ansätze dieser Art werden bei der Einführung von KI-Technologien der nächsten Generation, unerlässlich sein. Auch Gartner geht davon aus, dass bis 2020 mehr als 50 Prozent der Unternehmen die Tools, die sie bisher zur Unterstützung der Kernfunktionen des IT-Betriebsmanagements (ITOM) verwenden, vollständig durch solche ersetzen werden, die ursprünglich von DevOps-Teams verwendet wurden.