MeKIDI-Forschungsprojekt

Wie sich KI und Mensch versöhnen lassen

20.07.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Künstliche Intelligenz trifft Mitarbeitende – Freunde oder Feinde? Angst vor Jobverlust oder Chance auf Höherqualifizierung? Ein Forschungsprojekt hat Antworten gefunden.
MeKIDI verfolgt das Ziel, KI-basierte Lösungsansätze zu entwickeln, die sowohl die Unternehmensziele als auch die Bedürfnisse von Mitarbeitenden berücksichtigt.
MeKIDI verfolgt das Ziel, KI-basierte Lösungsansätze zu entwickeln, die sowohl die Unternehmensziele als auch die Bedürfnisse von Mitarbeitenden berücksichtigt.
Foto: Redshinestudio - shutterstock.com

Wenn von Künstlicher Intelligenz (KI) die Rede ist, steht auch immer die Frage im Raum, ob Roboter Jobkiller sind oder angesichts des Fachkräftemangels dafür sorgen können, dass zumindest Routinearbeiten Mitarbeitende entlasten.

Um darauf fundierte Antworten zu erhalten, hat Alexander Mädche, Wirtschaftsinformatikprofessor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), mit den Partnern Heidelberger Services AG, soluvia Energy Services GmbH, Stadtwerke Bretten GmbH und World of VR GmbH das großangelegte und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der INQA-Initiative geförderte Projekt – MeKIDI (Menschengerechte KI-basierte Prozessdigitalisierung in der Energiewirtschaft) – initiiert, das sich nun bereits in der Endphase befindet und interessante Ergebnisse vorweisen kann.

"Technologien auf Basis Künstlicher Intelligenz sind einer der Schlüssel, um Geschäftsprozesse von Unternehmen zu optimieren. Sie bieten große Potenziale für die Digitalisierung von Prozessen in der Energiewirtschaft", heißt es in der Projektbeschreibung. Eine zentrale Herausforderung bestehe unter anderem darin, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in die Einführung von KI einzubinden. Mädche ist nämlich überzeugt, dass die Einführung von KI-Technologien dann viel größere Potenziale entfaltet.

Das MeKIDI-Projekt verfolgt daher das Ziel, KI-basierte Lösungsansätze zu entwickeln, die "sowohl die Unternehmensziele als auch die Bedürfnisse von Mitarbeitenden berücksichtigt". Eine zentrale Rolle spiele hierbei die proaktive Ausgestaltung des Zusammenspiels zwischen Menschen, Aufgaben und KI-Technologie.

Im Fokus von MeKIDI stehen die KI-Technologien Chatbots, Robotic Process Automation (RPA) Bots sowie KI-basierte Virtual-Reality Avatare. KI-basierte Prozessdigitalisierung in MeKIDI hat dabei zwei komplementäre Sichten: KI-Technologie ermöglicht zum einen Aufgaben von Mitarbeitenden an Roboter zu übergeben ("Automation"), zum anderen kann KI-Technologie Mitarbeitende auch befähigen, zukünftig neue Aufgaben zu übernehmen ("Augmentation"). Unter Verfolgung eines menschengerechten Ansatzes werden ethische Prinzipien wie Fairness und Transparenz befolgt, zusätzlich partizipieren Mitarbeitende und Sozialpartner in der Einführung und es findet eine proaktive Ausgestaltung der zukünftigen Arbeitsumgebung statt.

Alexander Mädche, Wirtschaftsinformatikprofessor am KIT, ist überzeugt, dass KI-Technologien großes Potenzial entfalten können.
Alexander Mädche, Wirtschaftsinformatikprofessor am KIT, ist überzeugt, dass KI-Technologien großes Potenzial entfalten können.
Foto: KIT/Professor Alexander Mädche

So sucht MeKIDI Lösungen

Die Lösungsansätze werden in drei, sich ergänzenden, sogenannten Experimentierräumen umgesetzt und evaluiert. Dabei liegt der Fokus "auf der Balance zwischen Menschlichkeit und Produktivität, der Mensch soll im Mittelpunkt bleiben – die KI soll die Mitarbeitenden bei ihren Aufgaben gewinnbringend unterstützen", so das Ziel des Vorhabens.

Die MeKIDI-Experimentierräume haben folgende Schwerpunkte:

  • Experimentierraum I: KI-basierte Prozessautomatisierung, insbesondere Robotic Process Automation (RPA) – soluvia Energy Services GmbH

  • Experimentierraum II: Zusammenarbeit von Mensch und Chatbot (hybride Kundenservice-Agenten) – Heidelberger Services AG und Stadtwerke Bretten GmbH

  • Experimentierraum III: Bereitstellung von KI-basierten Kompetenzassistenten basierend auf Virtual-Reality-Technologien – World of VR GmbH

Im Experimentierraum I, der gemeinsam mit dem Energiedienstleister soluvia Energy Services GmbH organisiert wird, geht es darum, durch den Einsatz von RPA einfache, wiederkehrende Prozess(schritt)e zu automatisieren. Die damit geschaffenen Mitarbeiterkapazitäten sollten dann für anspruchsvollere Tätigkeiten genutzt werden. Fokus der Automatisierung sind Back-Office-Prozesse wie Kundenservice und Abrechnung.

Bei der Entwicklung von Lösungen stehen dabei die Bedürfnisse der Back-Office-Mitarbeiter im Mittelpunkt, deren Tätigkeiten durch die Technologien unterstützt werden sollen. Leiter des Experimentierraumes Maximilian Meinhardt berichtet von folgendem Beispiel: Jährlich kommen Tausende von Kundenbriefen zu soluvia zurück, sogenannte Postrückläufer, also Briefe, die aufgrund Nicht-Zustellbarkeit zurückkommen. Zudem müssen Mahnsperren gesetzt werden, wenn Rechnungen/Mahnungen nicht zugestellt wurden. Mitarbeiter mussten bisher die richtigen Adressen recherchieren und die Briefe manuell abschicken. Mittlerweile ist die KI-unterstützte Automatisierung so weit, dass 60 Prozent der Rückläufe – von der Adresssuche bis zum Verschicken – softwaregestützt funktioniert.

Als Ergebnisse des Projektes halten die Verantwortliche fest, dass eine Verbesserung der Arbeits- und Prozessqualität zu beobachten ist, dass sich einfache Aufgaben verschieben lassen und dass so eine Automatisierung ordentliches Einsparpotenzial schafft. Was die Mitarbeiterreaktionen angeht, berichtet Ulrich Gnewuch vom KIT, dass initial durchaus bei Mitarbeitern die Angst um einen Jobverlust existierte, aber je mehr die Software Alltag wurde, auch die Angst davor sank. Gnewuch fasst es so zusammen: "Das Potenzial wird erkannt und akzeptiert, Ängste relativieren sich, und ja, es gibt natürlich Herausforderungen bei der Umsetzung."

Der Experimentierraum II beschäftigt sich mit hybriden Kundenservice-Agenten, welche Chatbots und Mitarbeiter in einer hybriden Form integrieren mit dem Ziel Kundenservice-Prozesse zu automatisieren und Mitarbeiter im Kundenservice zu entlasten. Für die Umsetzung einer passenden Chatbot-Lösung wurden zunächst bei den Stadtwerken Bretten bestehende Lösungen, Arbeitsabläufe im Kundenservice und die Bedarfe der Mitarbeitenden analysiert.

Darüber hinaus wurden verschiedene Frameworks für die hybride Mensch-KI-Schnittstelle systematisch analysiert und eine neue Lösung durch die Heidelberger Services AG realisiert. Eine Herausforderung besteht darin, wie Heidelberger-Service-Manager Daniel Schloß ausführt, dass der Chatbot es schafft, zum richtigen Zeitpunkt eine Kundenanfrage an eine reale Person weiterzugeben, wenn es etwa um ein heikles Thema wie Vertragskündigung geht. Der Chatbot Claudia mit hybrider Kundenservice-Agentenfunktion ist auf den Webseiten der Stadtwerke Bretten zugänglich.

Ziel des Experimentierraums III ist der Einsatz von Virtual Reality (VR) für Schulungen, Onboarding und Weiterbildung in Unternehmen der Energiewirtschaft. Damit sollen Mitarbeitende befähigt werden neue Aufgaben zu übernehmen. Durch VR-basierte Kompetenz-Assistenten lassen sich beispielsweise virtuelle Kundenzentren oder virtuelle Trainingsumgebungen schaffen. Im Fokus stehen dabei die Bedarfe der Mitarbeiter im Kundenservice.

Am Beispiel des Trainings zum Thema "Einführung in die Elektromobilität" zeigt Jens Epe vom Kölner Unternehmen World of VR, das auf Virtual Reality spezialisiert ist, wie so eine Schulung funktioniert. Es startet mit einem kurzen Einführungs- und Motivationsvideo. Teil 1 erklärt die Lade- und Steckertypen, was als einfacher Einstieg zur immersiven Wissensvermittlung gilt. Teil 2 beschäftigt sich mit dem richtigen Anschließen und Laden und dient zur interaktive Festigung des theoretischen Wissens. Im dritten Teil findet ein Gespräch mit einem virtuellen Kunden statt, es geht also Praktisches anwenden des Wissens am virtuellen Kunden durch einen Kernkompetenzassistenten.

Wie sieht eine menschengerechte KI aus?

Professor Mädche artikuliert schließlich, welche grundlegenden fünf Prinzipien der menschengerechten KI-basierten Prozessdigitalisierung die Begleitforschung im Projekt bisher identifiziert hat:

  • Prinzip 1: Analyse der Bedürfnisse und Ziele der Mitarbeitenden im Nutzungskontext;

  • Prinzip 2: Kontinuierliche Erfassung von Reaktionen der Beschäftigten;

  • Prinzip 3: Verfolgung eines partizipativen Gestaltungsprozesses mit dem Human-in-the-Loop Paradigma (heißt, dass kontinuierlich Menschen bei der Entwicklung von KI-Anwendungen eingebunden werden mit dem Ziel kontinuierlich Feedback zu geben).

  • Prinzip 4: Bereitstellung von vertrauenswürdigen Software Bots.

  • Prinzip 5: Proaktive Reallokation von Aufgaben und individualisiertesKompetenzmanagement

Gearbeitet wird aktuell noch an einem öffentlich zugänglichen Software Robot Barometer, in dem Reaktionen von Mitarbeitenden zu Software Robots quantitativ erfasst werden können, um dann daraus schließlich die richtigen Maßnahmen abzuleiten, um die Mitarbeitenden zu entlasten und ein positives Gefühl am Arbeitsplatz vermitteln. Der Barometer sowie weitere Ergebnisse des Projektes sind hier verfügbar. (mp)