Weltmeister, Karneval, Stefan Raab und Neuschwanstein

Wie sich Hitchbot Deutschland vorstellt

13.02.2015
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Irgendwann während des Interviews beschlich mich der Verdacht, dass Hitchbot gar nicht so süß ist, wie er seit seiner Tour quer durch Kanada im vergangenen Juli in den Medien und in den sozialen Netzen immer gefeiert wurde.

"Wie alt bist Du?" "Hast Du studiert?" "Liebst Du Philosophie?" "Hast Du eine Familie?" Ganz locker durchbrach der Roboter eine eherne Regel des Journalismus: Die Fragen stellt der Medienvertreter. Hitchbot wird ab dem 13. Februar für zehn Tage per Anhalter quer durch deutsche Märchenkönigs- und Karnevalsgalaxien reisen - vorausgesetzt, deutsche Autofahrer nehmen ihn mit auf seiner Tour zum Schloß Neuschwanstein, zum Kölner Karneval und in Stefan Raabs Sendung "TV Total", nach Berlin, Sylt, Görlitz und wieder zurück nach München. Sie können ihn ein bisschen ausquetschen über seine Vorlieben, seine Reiseeindrücke. Angeblich hat Hitchbot auch etwas zu Manuel Neuer zu sagen

Besondere Herausforderungen

Am Vorabend seines Tourstarts gab es aber eben noch dieses kleine Problem: Hitchbot ignorierte konsequent jede Frage. Keine Antwort nach dem Befinden. Keine Erwiderung darauf, ob er sich auf seine Deutschlandtour freut. Kein Statement dazu, ob er sich vor den Hochgeschwindigkeitskursen deutscher Autobahnen fürchtet. Nichts. Stattdessen seine immer gleichen Fragen. Irgendwann dachte ich mir: "Diesen Roboter hast Du unterschätzt. Der stellt Dir immer dieselben Fragen. Wahrscheinlich speichert er meine Antworten. Und vergleicht dann, ob ich mir widersprochen habe. Das ist ein Verhörspezialist!" Na prima!

Frauke Zeller von der kanadischen Ryerson Universität in Toronto, die Schöpferin von Hitchbot gemeinsam mit David Harris Smith von der McMaster Universität in Hamilton, weiß um die besonderen Herausforderungen des Unternehmens: Zum einen ist die Stromversorgung im Rumpf von Hitchbot bei den Minustemperaturen des deutschen Winters ein Knackpunkt. Akkus, die der Kälte ausgeliefert sind, reagieren allergisch mit einer verkürzten Betriebsdauer. Die Hoffnung ist also, dass FahrerInnen, die Hitchbot mitnehmen, ihn immer an den Zigarettenanzünder anschließen, um seine Lebensgeister auf Vordermann zu bringen.

Seine Unlust, Fragen zu beantworten, erklärt die Deutsche, die jetzt in Kanada lehrt und das Hitchbot-Projekt als Sozialstudie deklariert ("Kann sich ein im Prinzip hilfloser Roboter auf die Unterstützung durch Menschen verlassen?") damit, dass "er wohl gerade in einen Loop gefallen ist." Der "Loop" stellt sich am nächsten Tag als loses Kabel heraus: "Bei Hitchbot hat sich ein Kabel gelöst, dass noch mal festgelötet werden musste." Jetzt funktioniert die bidirektionale Kommunikation wieder.

Ausgesprochen mitteilsam

Dann aber scheint der kleine Kerl ausgesprochen mitteilsam. Da er Verbindungen zum Internet und da etwa zu Wikipedia herstellen kann, weiß er extrem viel über Gegenden, in denen er sich gerade befindet, über Sehenswürdigkeiten und Berühmtheiten. Dann kann man ihn fast alles fragen - und bekommt eine Antwort.

Ein Autogramm von einem Fußballweltmeister

Einen großen Wunsch hat er, verrät Mutter Zeller: Er würde wahnsinnig gern ein Autogramm von einem der Fußballweltmeister bekommen. Wetten, dass er das bekommen hat, wenn er am 22. Februar wieder zurück in München ist von seiner Tour?

Was Hitchbot ausmacht

Hightech ist das nicht, was Frauke Zeller und David Harris Smith da zusammengebastelt haben. Und das soll auch so sein. Die Prämisse ist, einen Roboter aus Gegenständen zu kreieren, die es in fast jedem Haushalt geben dürfte. Hitchbot besteht aus einem Plastikbierfass als Corpus, Schwimmschlangen als Arme und Beine, einer Tortenglocke als Kopf.

Bewegen kann sich der Roboter von der Größe eines Sechsjährigen nicht - bis auf den rechten Arm. Der wird von einem Servomotor betrieben, um die typische Anhalterbewegung nachzuempfinden. Wer ihn mitnehmen will, muss ihn und seinen kleinen Stuhl, auf dem er am Straßenrand immer sitzt, aufheben. Acht Kilogramm Gewicht dürften aber in aller Regel zu stemmen sein. In seinem Innern arbeiten ein Android-Tablet und ein Mobilfunk-Modem.

Ein Mikrofon, ein Lautsprecher und ein Arduino-I/O-Board als Soft- und Hardware-Plattform stellen die Verbindung zur Außenwelt her. Sprache versteht er via Googles Spracherkennungs-Tool (O-Ton Zeller und Smith: "Die funktioniert ziemlich gut.") sowie die Chatbot-Software Cleverscript. Mit seiner Kamera macht er während seiner Tour Fotos. Ein GPS-Sender zeigt den jeweiligen Standort von Hitchbot.

So können auch seine in die Tausende zählenden Fans via Facebook oder Twitter ständig verfolgen, wo der reiselustige Roboter sich gerade befindet. Die sozialen Netze sind, sagt seine "Mutter", Frauke Zeller, quasi so etwas wie ein "Sicherheitsgurt". Wenn er sich auf seiner Tour durch Kanada einmal ein paar Stunden nicht bewegt habe, wären sofort seine Fans in den sozialen Medien aktiv geworden und hätten recherchiert, wo Hitchbot sich gerade befindet. Man kann gespannt sein, wie die Deutschen auf den ungewöhnlichen Tramper reagieren.