Angestammte Geschäftszweige bringen noch immer Umsatz

Wie sich die Software AG aus dem Sumpf zieht

06.02.1998

Die Software AG ähnele einem Pilotfisch, der sich immer in der Nähe des Hais aufhalte, um den einen oder anderen Brocken von dessen Beute zu erhaschen. Dieser Vergleich stammt aus der Fachzeitschrift "Software Futures", die mit ihrem Beitrag über die Darmstädter Softwareschmiede Aufsehen erregte. Als Hai machten die Journalisten Microsoft aus; die Software AG profitiere mit ihren Middleware-Produkten für die Microsoft-Welt von dem Unwillen oder der Unfähigkeit des weltweit größten Softwarehauses, solche Tools selbst herauszubringen.

Diese Interpretation trifft nur teilweise zu, denn die Software AG erwirtschaftete 1997 nur einen Bruchteil ihrer Einnahmen mit Middleware. Knapp 80 Prozent des Umsatzes wurden mit den angestammten Produkten erzielt - der Datenbank-Linie "Adabas" und der Entwicklungsumgebung "Natural". Beide Geschäftsbereiche sind 1997 zweistellig gewachsen.

Vorstandssprecher Erwin Königs erklärt, warum: "Was uns in die Hände spielt, ist der Rezentralisierungstrend. Wir sehen, daß eine Vielzahl großer und mittlerer Kunden ihre kritischen Applikationen vom Client-Server-Modell wieder auf den Mainframe übertragen - einfach, um die Kosten zu senken." Deshalb werde die Software AG ihre Adabas-C-Linie weiter am Markt halten und mit Erweiterungen für SMP-Architekturen (SMP = symmetrisches Multiprocessing) sowie mit SQL-Eigenschaften modernisieren.

Auch bei den Entwicklungs-Tools aus der "Natural"-Palette profitiere die Software AG vom Scheitern modernerer Ansätze. "Die Annahme, daß Geschäftsanwendungen nicht mehr mit Cobol geschrieben werden, ist falsch", stellt Königs klar. Alle Ansätze aus dem objektorientierten Lager seien letztendlich fehlgeschlagen - nicht aus technischen Gründen, sondern weil die Cobol-Entwickler sich geweigert hätten, etwas anderes zu lernen.

Der Tatsache, daß noch mengenweise mit Cobol programmiert werde, verdanke die SAG heute und in naher Zukunft eine rege Nachfrage nach ihrer 4GL Natural.

Das Produkt werde modernisiert, indem man es für das Erstellen von Componentware (DCOM-Komponenten) optimiere, mit einer Browser-Schnittstelle versehe und generell in den "Mainstream der heutigen Entwicklungs- Tools" überführe.

Erst an dritter Stelle - allerdings mit deutlich steigender Tendenz - steht das Geschäftsfeld Middleware, an dessen Spitze die "Entire-X"-Produktpalette thront. Mit den hier zusammengefaßten Tools soll die Welt der Microsoft-Komponenten mit unternehmensweiten Transaktionssystemen in Einklang gebracht werden. Zunächst hatte die Software AG Microsofts Component Object Model (COM) auf Nicht-Win- dows-Plattformen wie Unix und MVS portiert. Jetzt werden auch Dienste angeboten, die Komponenten in die Unternehmens-DV integrieren sollen.

"Wir haben zirka 70 Entire-X-Projekte am Laufen", berichtet Königs. Das Geschäftsvolumen liege bereits bei einigen Millionen Mark, soll aber in diesem Jahr um voraussichtlich 40 Prozent wachsen. Daher werde das Adabas- und Natural-Geschäft 1998 wohl nur noch zirka zwei Drittel des Gesamtgeschäfts ausmachen.

Weniger relevant ist für die Software AG das Data-Warehouse-Business - laut Königs ein überschätzter Markt. Die meisten Anwender strickten sich zu ihren vorhandenen Datenbankumgebungen eigene Abfrage- und Datenkonsolidierungs-Tools. Er habe das Unternehmen noch nicht entdeckt, das mit Warehouse-Tools reich geworden sei. Ihre Zukunft baut die Software AG nicht nur auf Middleware, sondern auch auf zwei neue Produkte für den Datenbank- und den Entwicklungssektor. Königs sieht große Marktchancen im Bereich Electronic Commerce und möchte hier zur CeBIT eine Java-basierte Entwicklungsumgebung vorstellen, die zur Zeit den Codenamen "Business Java" trägt.

Entwickler in Großunternehmen und Softwarehäusern sollen die Sprache verwenden, um mit einfachen Befehlen komplexe Java-Programme zu schreiben. Als Zielcode entstehe Java-Bytecode und nicht irgendeine Meta-Sprache. Damit sei das reibungslose Zusammenspiel der Programme mit Java-kompatibler Component- und Middleware gewährleistet.

Gegen Jahresende kommt außerdem ein neues Datenbanksystem auf Basis des Adabas-Kerns heraus, das in der Lage ist, komplexe Multimedia-Objekte zu verwalten. "In diesem System lassen sich Web-Daten in HTML, Java oder anderen Sprachen direkt und ohne Konvertierung ablegen und abfragen", verspricht der SAG-Mann. Erste nennenswerte Umsätze mit den beiden neuen Produktlinien erwartet die Software AG für 1999.