IT-Berufsbilder

Wie sich der Job des CIO verändert

19.12.2011
Von 
Dietmar Müller ist freier Journalist in München.

Kampf gegen die Halbstrategen

Heute berichtet der CIO in der Regel an den CFO. Die IT hat bisher eher eine Unterstützungsfunktion wahrgenommen. Oder anders gesagt: Ihr ist diese Rolle vom Business zugeteilt worden. "Die neue Rolle der IT ist eine andere. Dass alle Fachbereiche von immer mehr IT durchdrungen werden, führt zu einer zwingenden Neupositionierung der IT. Die ehemalige Unterstützungsfunktion hat sich zu einer Wertschöpfungsfunktion gewandelt", analysiert der langjährige IT-Chef und heutige Berater Bernd Hilgenberg.

Der erfahrene IT-Manager fährt fort: "Dieser Wandel bedingt auch eine Neupositionierung der IT im Unternehmen. Der CIO wird in den nächsten Jahren von seiner Verbindung zum CFO abrücken und eigenständig für die Belange der IT eintreten." Viele Unternehmen hätten deshalb den CIO schon zum Mitglied der Geschäftsführung gemacht. Dieser Trend werde anhalten.

Dem widerspricht keiner der von uns befragten CIOs, wenngleich ein "Uplift" der eigenen Stellung für manchen noch in die Kategorie Wunschdenken fällt: "Eine Aufwertung erfährt der meist dem CFO untergeordnete CIO erst, wenn er in die gleiche Ebene gehoben wird", konstatiert Reuter nüchtern. Diese "Anhebung" wird allerdings ihre Zeit brauchen, vermutet Weinrauch: "Der CIO wird meistens weiterhin auf der Ebene direkt unter der Geschäftsführung beziehungsweise dem Vorstand, eventuell als Geschäftsführer eines Captive-Service-Providers, agieren."

Markus Grimm, DVK Euro Service: "Die Integration privater Geräte von Social Media ist Unternehmensrealität."
Markus Grimm, DVK Euro Service: "Die Integration privater Geräte von Social Media ist Unternehmensrealität."
Foto: Grimm,Dr. Markus

Ganz ähnlich nimmt Grimm die Situation wahr: "Ich sehe den CIO zunehmend auf Vorstandsebene, allerdings im Vergleich zu heute in einer nur langsam wachsenden Bedeutung." Auch Werner Scherer erblickt den künftigen CIO "klar auf Level eins, auf keinen Fall unter dem CFO" angesiedelt. Auf den Punkt bringt es Andreas Reuter: "Der CIO ist neben dem CFO und dem CEO der einzige C, der strategisch denken und planen muss. Alle anderen Cs sind operative Denker und Macher. Insofern erwarte ich, dass der CIO zukünftig als dritte Kraft im Board sitzt." Ihm ist aber klar, dass bei diesen Gedankenspielen viel von besagtem Wunschdenken im Spiel ist, "denn gerade COOs und andere "Halbstrategen` werden den Aufstieg zu verhindern wissen".

Die neuen technischen Trends müssen demnach die Rolle des CIO nicht beschädigen. Vielmehr erwarten beziehungsweise erhoffen sich die von uns befragten deutschsprachigen IT-Manager als Lohn für ihre Flexibilität eine Aufwertung ihrer Stellung im Unternehmen. Am besten wäre eine Emanzipation vom CFO, an dessen Gängelband sich mancher IT-Leiter unwohl fühlt. Dazu ist jedoch eine komplett neue Rollenverteilung nötig.

Wird sich die Rolle des CIO aufsplitten?

Die ICT-Management-Beratung Detecon verkündete unlängst, dass sich das Aufgabenspektrum heutiger Chief Information Officers (CIO) bald in die Rollen von Chief Process Officers (CPO) und Chief Technical Officers (CTO) aufspalten wird. IT-Organisationen werden darüber hinaus noch stärker als bisher die Geschäftsstrategien von Unternehmen unterstützen, wobei die Steuerung von Services gegenüber deren Erbringung deutlich an Bedeutung gewinnt.

Auch in diesem Fall wollten wir von hiesigen CIOs wissen, inwieweit sie diese Prognose mitzutragen bereit sind. Das Ergebnis fiel überraschend einmütig aus: Tatsächlich sehen sie den CIO in einer "schizophrenen" Position - zerrissen zwischen den Anforderungen von Prozessmodellierung und Technikbeschaffung. Ob diese Situation aber wirklich in einen Rollensplit mündet oder der CIO die Gespaltenheit vielmehr aushalten lernen muss, ist strittig. "Die Aufgabe der IT-Führung ist mittlerweile mehrschichtig ausgeprägt", so Gasch. "Ein IT-Leiter nimmt eigentlich verschiedenste Rollen ein, sowohl im Strategie-Management als auch im operativen Business. In komplexen und prozess-orientierten Unternehmensstrukturen sehe ich diese Aufgaben verteilt auf verschiedene Personen, die über den Tellerrand der IT schauen und sich interdisziplinär mit Entwickler-, Lohn/Faktur-, Marketing- und anderen Themen auseinandersetzen müssen."

Für Reuter ist ein Split in CPO und CTO "absolut plausibel" und daher unausweichlich. Ähnlich nehmen es Markus Grimm und Werner Scherer wahr. Letzterer sagt: "Einem Split in CPO und CTO stimme ich zu 100 Prozent zu. Ich frage mich aber, ob es sinnvoll ist, die Verantwortungen auch in der Person zu trennen. Tut man das, könnte man Nutzen aus der ständigen "Reibung` zwischen den beiden unterschiedlichen Zielen ziehen."

Genau diese Reibung will allerdings Andreas Strausfeld vermieden wissen: "Ich halte nichts davon, künstliche Trennungen herbeizuführen. Das wäre jedoch eine solche, denn Prozesse und Technik gehören zusammen, wenn man weiterhin Bindeglied zwischen Business und IT sein will."

Günter Weinrauch, ADAC: "Der CIO muss in Zukunft sowohl die Rolle des Chief Process Officer als auch die des Chief Technology Officer ausüben."
Günter Weinrauch, ADAC: "Der CIO muss in Zukunft sowohl die Rolle des Chief Process Officer als auch die des Chief Technology Officer ausüben."
Foto: Premiere

Auch ADAC-Mann Weinrauch hat kein großes Interesse an einer zusätzlichen Position in der Führung der IT-Abteilung: "Ich sehe, dass CIOs in Zukunft alle diese Rollen (CPO sowie CTO/d. Red) abdecken müssen, wenn sie nicht marginalisiert werden wollen. Einen Split in diese Einzelfunktionen sehe ich aber nicht, eher eine Ausweitung des Spektrums für den strategisch agierenden CIO."

Zusammenfassend erklärt Hilgenberg: "Ich bin der Auffassung, dass eine Trennung von Prozessen und Technik in den nächsten Jahren nicht erfolgen wird. Diese beiden Themen bedingen sich zu stark." Als unabhängig nebeneinander agierende Funktionen könnten sie einem Unternehmen keine wirklichen Vorteile liefern. Unterhalb des CIO allerdings werde diese Trennung sinnvoll und wertschöpfend für ein Unternehmen sein. Weiter oben könne er sich beide Rollen nicht gut nebeneinander vorstellen.

CPO hat bessere Karten als CTO

Sollte es dennoch zu einem Split der CIO-Rolle kommen - und in einigen Unternehmen wird dies der Fall sein -, dann sollten sich angehende IT-Manager früh positionieren. Denn die Gewichtung ist offenkundig ungleich verteilt.

Werner Scherer: "Bei IT-Innovationen trifft man zu oft auf heiße Luft oder alten Wein in neuen Schläuchen."
Werner Scherer: "Bei IT-Innovationen trifft man zu oft auf heiße Luft oder alten Wein in neuen Schläuchen."

Für Scherer etwa stellt sich die Frage nach der größeren Bedeutung von CPO oder CTO erst gar nicht: "Klar hat der CPO eine größere Bedeutung! Und mindestens er gehört ins Board!" Dem pflichtet Grimm bei: "Mehr Gewicht wird definitiv der CPO haben. Der CTO ist der "Techie" und wird dem Business den Mehrwert der IT weniger vermitteln können als der CPO." Man sieht in vielen Unternehmen, dass die Vertreter der IT, hier allen vor-an die Demand-Manager, tiefere Prozesskenntnisse haben als die jeweiligen Fachbereiche. Auch Reuter glaubt den CPO klar im Vorteil, denn "Technik lässt sich extern einkaufen. Prozesse leben dagegen von innen heraus. Jeder, der einmal eine der großen Unternehmensberatungen im Haus hatte, weiß, was ich meine."

Detecon berichtet, dass 84 Prozent der Unternehmen mit einer Demand-Supply-Trennung ihre Kundenorientierung verbessern und 82 Prozent ihre IT-Kosten senken und dabei auch noch die Qualität erhöhen. In Vergleichsgruppen ohne Trennung seien es lediglich 40 beziehungsweise 33 Prozent.

Ein Split der Aufgabenverteilung könnte sich also durchaus als gewinnbringend erweisen. Was zu weiteren Gedankenspielen verführt: Zusätzlich könnten Rollen wie der "Demand-Manager", der "Business-Process- Manager", "Governance-Manager" oder "Supply-Manager" entstehen. Mehr Manager, mehr Umsatz? Dazu Strausfeld trocken: "Wir haben heute schon ganz viel C-Level. Aber mehr ist nicht immer mehr ."