Wie sich Beraterinnen behaupten

23.06.2006
Sie können programmieren, kommunizieren, delegieren, - oft besser als ihre männlichen Kollegen. Trotzdem müssen sich IT-Beraterinnen in der Männerdomäne durchsetzen, wie unsere vier Beispiele zeigen.

Über ihren Exotenstatus hat sich Anke Schumacher noch keine Gedanken gemacht. Seitdem sie vor einigen Jahren zum Systemintegrator Avanade in Kronberg im Taunus wechselte, ist sie die einzige IT-Beraterin unter 80 männlichen Kollegen. Eine Situation, die der promovierten Physikerin weder unangenehm noch unbekannt ist: "Seit ich mich in der Schule für die Leistungskurse Physik und Mathematik entschieden habe, habe ich vor allem mit Männern zusammengearbeitet. Im Studium war es dann genauso." Beruflich begegnet Schumacher, die als Senior Consultant Systems Engineering bei Avanade über Softwarearchitekturen entscheidet, sie entwickelt und die Lösung dann auch im Unternehmen umsetzt, anderen Frauen nur beim Kunden - und dort oft auch nicht in leitenden Funktionen.

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Eine Patin steht zur Seite

Das Beispiel von Anke Schumacher mag extrem sein, dennoch wirft es ein Schlaglicht auf eine Branche, die derzeit wie keine andere Nachwuchs sucht und doch nach wie vor von Männern dominiert ist: die Beratung und die IT-Beratung im Besonderen. Selbst renommierte Management-Beratungen wie Roland Berger haben einen Frauenanteil von gerade einmal 15 Prozent - obwohl 50 Prozent der Praktikanten Frauen sind und auch die Studentinnen in den beratungsaffinen Studiengängen wie Betriebs- und Volkswirtschaft oder Jura nicht in der Minderheit sind wie in Informatik, den Natur- oder Ingenieurwissenschaften. So manche Beratungshäuser versuchen mit eigenen Recruiting-Veranstaltungen gezielt Absolventinnen anzusprechen, Roland Berger stellt den neuen Mitarbeiterinnen im ersten Jahr sogar eine Patin an die Seite, die bei allen Fragen hilft, von den internen Umgangsformen bis hin zur Vorbereitung auf das halbjährliche Evaluationsgespräch.

Wenn in Beratungshäusern so wenige Frauen arbeiten, liegt das zunächst an den Bewerberinnen selbst. "Frauen sind sich oft nicht sicher, ob sie auch genug logisches Verständnis für diesen Beruf mitbringen. Sie halten sich für technisch unbegabt, auch wenn das gar nicht stimmt", hat Schumacher beobachtet. Ferner schreckt die intensive Reisetätigkeit ab, die der Beruf mit sich bringt. Dagmar Schimansky-Geier, die als Geschäftsführerin der Kölner Personalberatung "1a Zukunft" schon vielen Beratern zu einer neuen Stelle verholfen hat, erlebte schon mehrfach, dass sich Kandidatinnen zwar für den Beruf interessierten, aber ihr soziales Umfeld nicht aufgeben beziehungsweise es nicht nur am Wochenende pflegen wollten. Und an diesem Punkt kommen die Unternehmen ins Spiel. "Die Beratungen, insbesondere die großen Häuser, zeigen in puncto Reisetätigkeit oder auch reduzierter Arbeitszeit wenig Toleranz", sagt Schimansky-Geier.

Auch Schumacher sieht in der Reisetätigkeit ein zentrales Merkmal des Beraterjobs. Einerseits bringt dieser "große Projekte, viel Abwechslung, viel Eigenverantwortung und Unabhängigkeit" mit sich, andererseits müsse man versuchen, das Reisen zu mögen. Nicht alle können sich mit dem Gedanken anfreunden, jede Woche in einem anderen Hotelzimmer zu verbringen, den Koffer voll mit Business-Anzügen und Laptop, ohne ausreichend Platz für die privaten Dinge, die eine vertraute Umgebung zu schaffen vermögen. Schumacher hat sich mit dieser Situation längst abgefunden, sie trennt klar zwischen den Welten: "Da ich meist von Montag bis Freitag für den Job unterwegs bin, sind mir die Wochenenden zu Hause besonders wichtig. Ich genieße sie wie einen Kurzurlaub."

Wer sich für die Beratung interessiert, braucht nach den Erfahrungen von Personalexpertin Schimansky-Geier neben soliden Fachkenntnissen vor allem eine große Portion Neugierde, Spaß an der Abwechslung, ein gesundes Selbstvertrauen und den starken Wunsch, Verantwortung zu übernehmen. Diesen hatte auch Birgit Bonhorst, als sie vor 13 Jahren in die Beratung einstieg. Heute ist die 41-Jährige in der Geschäftsführung von Itelligence für Beratung, Vertrieb und Hotline in Deutschland und Österreich und damit für den umsatzstärksten Bereich sowie mehr als 300 Mitarbeiter verantwortlich. "Das starke Wachstum von einst 25 auf mittlerweile 1000 Beschäftigte hat meine Karriere beschleunigt", erinnert sich Bonhorst, die das Unternehmen mit aufbaute und vor allem die SAP-Beratung vorantrieb. Mit typischen Vorurteilen gegenüber Frauen in technischen Berufen hat sie bisher kaum zu kämpfen gehabt, was sie auf ihren fachlichen Hintergrund zurückführt: "Die Promotion in Mathematik hat mir bei Kunden Respekt verschafft und in meinen Beruf als IT-Beraterin vieles leichter gemacht."

Gemischte Teams im Vorteil

Damit die Karriere in einer Männerdomäne gelingt, muss in den Augen der Itelligence-Managerin vor allem eines stimmen: die Leistung. "Wenn der Beruf Spaß macht, kann man mehr leisten als der Durchschnitt. Wichtig für die Karriere ist aber auch, ein Umfeld zu haben, das diese Leistung sieht und honoriert. Bei uns steht die Leistung im Vordergrund und nicht die Hierarchien. Führungskräfte wähle ich nur nach Qualifikationen aus." In Bonhorsts Führungsteam sind vier Männer und zwei Frauen, insgesamt beträgt bei Itelligence der Frauenanteil etwa 30 Prozent. Gemischte Beraterteams kommen ihrer Erfahrung nach beim Kunden gut an, die Arbeitsatmosphäre verändere sich, so Bonhorst: "Frauen decken in IT-Projekten Bereiche ab, die Männer in der Regel nicht besetzen: Soziale Kompetenz und Emotionalität sind hier die Stichworte. Weibliche Teammitglieder holen den Kunden dort ab, wo er steht."

Die Codes der Männer

Nicht immer können IT-Beraterinnen allein durch ihre Leistung überzeugen. Diese Erfahrung hat Dagmar Fehler, Managing Consultant für IT-Architektur bei Capgemini, gemacht. Der Skepsis mancher Kunden begegnete auch sie anfangs mit dem Versuch, mehr zu leisten als ihre Kollegen. Heute hat die Diplominformatikerin ein probateres Mittel gegen Zweifler gefunden: Sie spricht die Sprache der Männer, benutzt bestimmte Codewörter, die dem Gegenüber ein tiefes technisches Wissen signalisieren sollen, plaudert locker über Middleware oder kann sich notfalls auch stundenlang über unterschiedliche Rechnertypen unterhalten. Auch in Meetings achtet sie darauf, nicht in die typische Frauenrolle zu verfallen, und nimmt darum nie die Kaffeekanne in die Hand, selbst wenn sie gern eine Tasse trinken würde.

Während des Studiums und auch in den ersten Berufsjahren dachte Fehler nie darüber nach, warum so wenige Frauen hierzulande den Aufstieg schaffen. Erst im Zuge der Arbeit in internationalen Projekten fiel ihr der Unterschied zu Deutschland auf: "Im Ausland ist die gläserne Decke kein Thema. In den USA üben Frauen Führungspositionen wie Projektleiterin oder Vice President mit hoher Selbstverständlichkeit aus, ohne dass das Geschlecht groß thematisiert wird." In Deutschland absolvieren zwar mehr Mädchen als Jungen das Abitur und können die besseren Noten vorweisen. In den ersten Jahren nach dem Studium verlaufen Karrieren von Männern und Frauen ähnlich, der Verdienst ist etwa gleich hoch. Die Schere zwischen Männern und Frauen in Sachen Gehalt und Aufstieg öffnet sich dann aber in der Regel um den 30. Geburtstag.

Karriereknick Kind

Für viele Frauen tritt der entscheidende Karriereknick ein, wenn sie das erste Kind bekommen. Auch in der Beraterwelt finden sich nur wenige positive Gegenbeispiele. Eine davon ist Dagmar Fehler, die nach der Geburt ihres Sohnes vor acht Monaten ihre Arbeitszeit auf 60 Prozent reduziert hat. Vorher arbeitete sie mindestens 70 Stunden in der Woche, als Projektverantwortliche für eine internationale Softwareeinführung war sie stets bei ihrem Kunden vor Ort. Zürich, Genf und Cincinnati hießen ihre Koordinaten, die sie oft binnen einer Woche ansteuerte. Das Berliner Büro von Capgemini, zu dem sie seit sechs Jahren gehört, hat sie kaum betreten und tut es bis heute nicht.

Fehler hat die Projektleitung gegen die Roll-out-Koordination eingetauscht und arbeitet heute "remote", wie sie es ausdrückt. Telearbeit könnte man auch dazu sagen, wenn die Beraterin jeden Nachmittag zu Hause an ihrem Schreibtisch sitzt und sich mit den Kunden in Cincinnati per Telefon und Mail austauscht, während die Kinderfrau zwei Zimmer weiter mit dem Sohn spielt. Freitag ist Fehlers Reisetag, um 5.15 Uhr verlässt sie das Haus und taucht wieder in die alte Welt ein: Sie fliegt nach Zürich oder Genf, alle drei Monate geht es für ein paar Tage in die USA. "Auf die Tage beim Kunden vor Ort möchte ich nicht verzichten, sie bringen mein Leben in Balance, machen mich zufrieden", erzählt die 41-jährige, die schon immer Beraterin werden wollte, nach einem Ausflug in die Industrie merkte, wie sehr sie das Reisen und den schnellen Takt des Beraterlebens vermisste, und wieder zurückkehrte.

Eine Beraterin, die in gehobener Position und international, aber in Teilzeit arbeitet? Fehler ist sich ihres Exotenstatus durchaus bewusst: "Mein Modell funktioniert nur, weil es alle Beteiligten, angefangen von der Firma, dem Kunden bis zu meinem Mann und mir, wollen und eine hohe Flexibilität an den Tag legen." Sie hatte das Glück, dass ihr Mann, ebenfalls bei Capgemini, einen Home-Office-Tag aushandeln konnte, der sich mit Fehlers Reisetag deckt. Flexibilität ist für sie keine Floskel, sondern gelebter Alltag. Auch als Teilzeitkraft macht sie Überstunden, am besten zwischen 21 und 24 Uhr, wenn der Sohn schläft. Dass ihr Hauptansprechpartner in Cincinnati sitzt und um diese Zeit - der Zeitverschiebung sei Dank- noch immer erreichbar ist, erleichtert die Kommunikation. Als Fehler zu einer wichtigen Besprechung in die USA fliegen musste, nahm sie das damals dreimonatige Baby mit und brachte es während der Verhandlungen bei der Nanny einer Mitarbeiterin unter.

Im Gegensatz zu Fehler verlassen viele Frauen die Beraterbranche nach einigen Jahren wieder, um sich vor der Familienphase einen Arbeitgeber zu suchen, der eine bessere Balance zwischen Beruf und Familie erlaubt. Bei Roland Berger Strategy Consultants gibt es zum Beispiel nur sechs Beraterinnen, die Teilzeit arbeiten, allerdings hatten sie alle schon vorher einige Sprossen auf der Karriereleiter erklettert. Für Friederike Woermann-Seiger, die 2002 nach der Geburt ihres Sohnes als erste im Unternehmen ihre Arbeitszeit reduziert hatte, ist es eine wichtige Voraussetzung für den Umstieg von Voll- auf Teilzeit, dass man sich bereits eine eigene Position innerhalb des Unternehmens erarbeitet hat. Einen Berufswechsel oder -einstieg in Teilzeit erachtet sie dagegen als sehr schwierig. Diese Einschätzung bestätigt auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung und der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft zum Thema "Karrierek(n)ick Kinder". Die Mehrheit der befragten 500 Mütter in Führungspositionen arbeitet wieder Vollzeit, die klassische Halbtagsstelle ist kaum zu finden, bei den reduzierten Arbeitszeitmodellen handelt es sich oft um flexible, nicht selten vollzeitnahe Arrangements. Viele Frauen haben sich überdies erst für ein Kind entschieden, nachdem ihre berufliche Position schon gefestigt war.

Wiedereinstieg wie ein Projekt geplant

Woermann-Seiger half bei ihrem Wechsel in die Teilzeit, dass sie als Projekt-Managerin oft in mehreren Projekten tätig und daher nur ab und an beim einzelnen Kunden war: "Im Gegensatz zu den Beratern, die in der Regel zu 100 Prozent vor Ort beim Kunden arbeiten, ist es Projekt-Managern eher möglich, ihre Stundenzahl zu verringern - statt zwei Projekte parallel nebeneinander zu bearbeiten, widmen sie sich dann zum Beispiel jeweils nur einem Projekt." Ihren Wiedereinstieg nach einer sechsmonatigen Pause plante die Juristin fast so wie ein Beraterprojekt. Per Excel-Tabellen verglich sie die verschiedenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten miteinander und skizzierte die Einsatzmöglichkeiten als Teilzeitberaterin, ihren Arbeitgeber hatte sie dabei immer im Blick: "Ich habe mir vorher überlegt, was kann ich organisatorisch bewältigen und was kann ich meinem Arbeitgeber zumuten, der ja weniger Puffermöglichkeiten als ein großer Konzern hat."

Schließlich entschied sich die 36-Jährige, die mittlerweile zwei Kinder hat, eine Kinderfrau zu engagieren, was die teuerste Variante war, ihr aber die nötige Flexibilität verschaffte. So ist sie nicht an bestimmte Arbeitstage oder feste Abholzeiten gebunden. Dass ihr Modell von den Kollegen akzeptiert wurde und für einige Kolleginnen ein ermutigendes Zeichen war, hängt laut Woermann-Seiger auch mit dieser Flexibilität zusammen. So sollte man auch als Teilzeitkraft bereit sein, schnell umzuplanen und für jemand anderen einzuspringen, selbst wenn man eigentlich frei hätte.

Pragmatismus und Kompromissbereitschaft kennzeichnen auch die von der Bertelsmann Stiftung befragten Führungsfrauen. Ihnen ist mit Woermann-Seiger und Fehler gemeinsam, dass sie selbst Lösungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickelten und nicht darauf warteten, dass ihre Vorgesetzten diese präsentierten.