TechEd 2020

Wie SAP Entwickler lockt

11.12.2020
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Nach innen integrieren, nach außen erweitern – dieser Maxime folgt SAP. Für den zweiten Teil will das größte deutsche Softwarehaus nun die weltweite Entwicklergemeinde begeistern.
Mit einem moderneren Touch und neuen Tools will SAP Entwickler für ihre Plattform begeistern.
Mit einem moderneren Touch und neuen Tools will SAP Entwickler für ihre Plattform begeistern.
Foto: Den Rise - shutterstock.com

"Aus Entwicklerperspektive ist unsere Plattform noch zu komplex", räumte SAPs Chief Technology Officer (CTO) Jürgen Müller zum Auftakt der virtuellen TechEd-Konferenz ein und gab zu: "Wir sind nicht besonders entwicklerfreundlich." Doch das soll sich ändern. Mit einer Reihe neuer Werkzeuge und Services will es der deutsche Softwarekonzern Entwicklern leichter machen, Erweiterungen und Integrationen rund um SAP-Software zu bauen.

Die Tools aus der zur TechEd vorgestellten "SAP Cloud Platform Extension Suite" zielen in erster Linie darauf ab, Prozesse zu automatisieren. Ein Workflow Management für die SAP Cloud Platform (SCP) soll Anwendern beispielsweise einen besseren Überblick über ihre Prozesse erlauben. Zudem sollen sich Workflows mit geringem Programmieraufwand konfigurieren und automatisieren lassen, versprach der Hersteller. Die Suite umfasst auch vorkonfigurierte Pakete und ist in die Experience-Management-Lösungen von Qualtrics integriert, um operative Daten und Experience-Daten kombinieren zu können.

Mit "Ruum" hat SAP darüber hinaus ein Tool präsentiert, mit dessen Hilfe Anwender ohne Programmierkenntnisse neue Abteilungsprozesse aufsetzen können. Das soll laut SAP innerhalb von Stunden anstatt wie bisher von Tagen oder Wochen möglich sein. Das Werkzeug wird derzeit im Betastadium von rund 50 Kunden getestet. Wann Ruum produktiv verfügbar sein wird, ist noch nicht bekannt.

Mit "Intelligent Robotic Process Automation (RPA) 2.0" adressiert SAP zudem Entwickler, die mithilfe von Software-Bots manuelle Routineaufgaben automatisieren möchten. Das Tool verfügt über vorkonfigurierte Bot-Vorlagen, mit denen sich die Effizienz von SAP S/4HANA steigern lassen soll. Ab Januar 2021 werde jede Subskription von SAP S/4HANA Cloud eine eingeschränkte Version von Intelligent RPA enthalten, hieß es.

SAP Business Technology Plattform: DIY-Neuausrichtung

Laut den Plänen der Walldorfer sollen sich die Entwicklungsaktivitäten im eigenen Softwarekosmos vor allem auf die SAP Cloud Platform (SCP) verlagern. Die Verantwortlichen bezeichnen die SCP als Integrations- und Erweiterungslösung für die SAP Business Technology Platform (BTP). Die BTP hatte SAP vor einem Jahr auf der TechEd vorgestellt. Sie soll das Fundament des gesamten Softwareportfolios SAPs bilden. Um Entwicklern die SCP als Development-Plattform schmackhaft zu machen, hat SAP den Zeitrahmen für einen kostenlosen Testzugang zur SCP von drei auf zwölf Monate erweitert.

Für Jürgen Müller, Chief Technology Officer von SAP, ist die Business Technology Platform auch der Dreh- und Angelpunkt für die Neuausrichtung des Softwarekonzerns.
Für Jürgen Müller, Chief Technology Officer von SAP, ist die Business Technology Platform auch der Dreh- und Angelpunkt für die Neuausrichtung des Softwarekonzerns.
Foto: SAP SE / Kay Herschelmann

Technikchef Müller bezeichnete die BTP als "Grundpfeiler für die eigene Neuausrichtung von SAP und ihrem beschleunigten Umstieg in die Cloud". Für Anwender bilde die Plattform die zentrale Drehscheibe, um SAP-Anwendungen zu integrieren und zu erweitern. "Mit den kontinuierlichen Innovationen in die SAP Business Technology Platform unterstreichen wir, wie wichtig uns die Entwicklergemeinde und das gesamte Ökosystem von Kunden und Partnern ist."

Die tiefere Integration des SAP-Portfolios, vor allem der Cloud-Zukäufe aus den vergangenen Jahren, ist ein zentrales Anliegen der Anwender. Wiederholt hatte die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) die durchgängige Unterstützung von End-to-End-Prozessen sowie ein einheitliches Datenmodell angemahnt.

Die SAP-Führung mit dem neuen CEO Christian Klein an der Spitze hat Lösungen versprochen. Müller bekräftigte zur TechEd erneut, dass SAP liefern werde. Habe man vor einem Jahr noch bei einer diesbezüglichen Zielerreichung von 15 Prozent gelegen, seien es mittlerweile schon zwischen 80 und 90 Prozent. SAP werde in seinen Bemühungen nicht nachlassen, versicherte Müller und sprach von den nächsten "Waves", in denen das eigene Portfolio in Ordnung gebracht werde.

Vor allem der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Softwaresystemen soll sich mit der BTP vereinfachen, verspricht SAP. Dabei helfen soll das "SAP One Domain Model", ein gemeinsames Datenmodell für alle Business-Objekte. Aktuell werden laut Anbieter bereits erste Business-Objekte für den Kernprozess "Recruite-to-Retire" unterstützt, der den gesamten Mitarbeiterlebenszyklus abdeckt. Weitere Geschäftsprozesse mit ihren jeweiligen Business-Objekten sollen folgen. SAP hat insgesamt vier End-to-End-Prozesse definiert, die im Fokus der Integrationsbemühungen stehen. Neben Recruite-to-Retire sind das Source-to-Pay, Lead-to-Cash und Design-to-Operate.

Um mehr Datenquellen an SAP anbinden und Datenflüsse in hybriden Umgebungen orchestrieren zu können, bietet SAP seinen Kunden mit "SAP HANA Cloud" eine Erweiterung für HANA-on-Premises-Installationen. Damit sollen Nutzer zentral auf Daten in SAP- und Drittquellen zugreifen können. Gleichzeitig vereinfache sich damit die Datenumgebung, verspricht der Hersteller. Um Daten aus SAP- und Drittquellen zu integrieren und zu kombinieren, könnten Anwender zudem auf den "Data Flow Builder" zurückgreifen. Dieser ist Bestandteil der SAP Data Warehouse Cloud. Hier integriert SAP eigenen Angaben zufolge Datenmanagement-Funktionen von SAP HANA mit Analysefunktionen von "SAP Analytics Cloud".

On-premises und Cloud: IT-Landschaften bleiben heterogen

Die Ankündigungen auf der TechEd machen deutlich, vor welcher Herkules-Aufgabe der Softwarekonzern steht. Integration und Harmonisierung greifen tief in die Architektur ein, zumal mit klassischen on-Premises-Landschaften und Cloud-Umgebungen auch unterschiedliche IT-Welten einbezogen werden müssen. Diese Zweigleisigkeit wird auch in Zukunft so bleiben. Die Wünsche der Anwender sind an dieser Stelle unmissverständlich: "Aus Entwicklungssicht kann ich als Anwender mit Cloud-first leben, solange es nicht Cloud-only wird", sagte der neue DSAG-Vorstandsvorsitzende Jens Hungershausen vor wenigen Wochen. Viele Kunden hätten weitreichende On-Premise-Landschaften aufgebaut und wollten diese nicht kurzfristig aufgeben. Für viele Neuinvestitionen könne die Cloud geeignet sein. "Ich bin mir aber sicher, dass nicht alle Anwendungen und alle Daten in die Cloud wandern werden", so der Anwendersprecher.

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Für SAP wird es darauf ankommen, die Arbeiten im Maschinenraum zügig abzuschließen. "Aus Sicht der DSAG-Mitglieder fordere ich, dass SAP ihre Versprechen hinsichtlich der Integration der einzelnen Lösungen, der Harmonisierung der Stammdaten sowie einer einheitlichen User-Experience im Sinne der Anwender schnell und nachhaltig umsetzt", stellte DSAG-Mann Hungershausen klar. Letztlich sollte dies aber auch im Interesse der SAP liegen. Der Konzern muss aufpassen, am Frontend, der Schnittstelle zwischen Anwender und deren Kunden, nicht ins Hintertreffen zu geraten. Hier geben derzeit andere Player den Ton an, allen voran Salesforce und ServiceNow.

Die Strategie, auf die Entwicklergemeinde zuzugehen, könnte aufgehen. Nur müsste dazu auch die "Developer Experience" passen. Neben dem klassischen Abap-Entwickler wollen heute auch die weniger Coding-erfahrenen SAP-User in den Fachabteilungen ihre Work- und Daten-Flows rund um SAP anpassen können. SAP-CTO Müller hat dies erkannt und sprach auf der TechEd von vielen unterschiedlichen Entwicklertypen, die SAP künftig ansprechen möchte. Dafür soll es auch die passenden Tools geben - gerade in den Bereichen Low-Code beziehungsweise No-Code.