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Thema des Tages

Wie Microsoft Meinungen manipuliert

20.09.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Einen handfesten Skandal hat die renommierte "New York Times" aufgedeckt: Microsoft hat heimlich eine aufwendige Anzeigenkampagne in US-Tageszeitungen bezahlt. Darin hatte ein angeblich unabhängiges Institut aus Kalifornien in Form eines offenen Briefes Stimmen von 240 Wissenschaftlern zum Kartellprozeß gegen die Gates-Company präsentiert. Einhelliger Tenor des Dokuments: Das Antitrust-Verfahren schadet dem Verbraucher.

Die ganzseitigen Anzeigen hatte das Independent Institute am 2. Juni 1999 in der "Washington Post" sowie der "New York Times" geschaltet. Die Kosten von knapp 160 000 Dollar übernahm dezent der Softwareriese aus Redmond. Die zitierten Wissenschaftler, in der Hauptsache Volkswirtschaftler, wurden über die Hintergründe der Finanzierung nicht in Kenntnis gesetzt.

Sowohl David Theroux, President und Gründer des Independent Institute, als auch Microsoft-Sprecher Greg Shaw haben die Meldungen bereits bestätigt. "Wir kannten das Schreiben und haben es mit Vergnügen publik gemacht", erklärte Shaw. "Die darin vertretene Position ist aber gänzlich unabhängig davon, wer letztlich die Anzeige bezahlt und plaziert hat." Hier irrt Shaw gewaltig. "Ich hätte auf keinen Fall mitgemacht, wenn ich das gewußt hätte", ärgert sich etwa Simon Hakim von der Temple University, einer der Unterzeichner. "Es nicht korrekt, andere Leute heimlich als Vehikel für die eigenen Interessen zu mißbrauchen."

Wie die "New York Times" weiter berichtet, beweisen interne Unterlagen des Independent Institute, die dem Blatt vorliegen, daß Microsoft in den vergangenen Jahren einer der größten Förderer des Instituts mit Sitz in Oakland, Kalifornien, gewesen ist. Seit mehr als 14 Jahren publiziert Independent Reports und Meinungen zu innen- und außenpolitischen, sozialen, und wirtschaftlichen Themen.

Im vergangenen Monat brachte das Institut, daß sich im Kartellprozeß meist auf die Seite von Microsoft geschlagen hat, ein Buch mit dem Titel "Winners, Losers and Microsoft: Competition and Antitrust in High Technology" auf den Markt. Darin wird die These vertreten, die Vorherrschaft von Microsoft auf dem Software-Markt resultiere aus überlegenen Produkten. MIT-Ökonom Richard Schmalensee, einer der wichtigsten Zeugen der Gates-Company im Kartellprozeß, hatte sich in seiner Aussage explizit auf diese Publikation berufen.

Obwohl viele der Organisationen, die öffentlich Stellung zum Kartellprozeß bezogen haben, externe Finanzierung (Lobbyismus) seitens Microsoft oder auch seiner Widersacher eingestanden haben, ist Independent-Mann Theroux weiterhin verzweifelt bemüht, die Unabhängigkeit seines Instituts herauszustellen: "Wir machen keine Auftragsarbeit. Unser erklärtes Ziel ist es, daß unsere Arbeit jeglicher Untersuchung standhält." Es sei lächerlich zu unterstellen, so der Meinungsforscher, "daß Microsoft irgendeinen Einfluß gehabt" habe. Diese Schutzbehauptung wird nicht unbedingt glaubwürdiger dadurch, daß die Gates-Company Theroux und einem seiner Kollegen just an dem Tag, an dem die Anzeigen veröffentlicht wurden, einen 6000-Dollar-Flug zu einer Pressekonferenz nach Washington D.C. und retour spendiert hat.

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Möglicherweise droht Microsoft in Frankreich ein weiteres Kartellverfahren. Das französische Finanzministerium überprüft derzeit auf Anordnung des zuständigen Ministers Dominique Strauss-Kahn die Vertriebspraktiken des Softwaregiganten. Grund sind zunehmende Beschwerden von PC-Käufern, die mit neuen Systemen zwangsweise auch eine Reihe von Microsoft-Produkten - zumindest das Betriebssystem - erwerben müssen. "Es liegen eine Reihe von Beschwerden von Verbrauchern vor, die nicht mit jedem Computer auch automatisch Windows kaufen wollen", erklärte Nina Mitz, Sprecherin des Finanzministeriums. Es sei allerdings noch nicht geklärt, ob die Angelegenheit an die Kartellbehörden weitergeleitet werde.