Wie man Führungsfehler vermeidet

23.08.2007
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
An guten Ratschlägen für Chefs herrscht kein Mangel. Aber was bringen sie? Manche Coachs empfehlen, möglichst authentisch zu sein.

Das kann ich relativ leicht sagen", antwortet Konrad Keller (Name geändert), Softwareentwickler und Trainer bei einem Mittelständler, auf die Frage nach den schlimmsten Fehlern seiner Vorgesetzten: "Wenn Chefs ihren Mitarbeitern nicht zutrauen, eine gestellte Aufgabe selbständig zu erledigen." Er findet es "frustrierend, wenn einen der Chef vollkommen bevormundet und die Arbeitspakete in kleine Häppchen zerteilt". Ein Vorgesetzter, der aus Kontrollwut keine Vollmachten delegiert, erschwert auch den Außenkontakt, schildert der erfahrene IT-Projektleiter Hans Hermann (Name geändert), der jetzt in einem großen Systemhaus tätig ist: "Dann steht man alleine vorm Kunden, kann keine Entscheidungen treffen und kriegt seine Arbeit nicht getan."

Hier lesen Sie ...

wie Chefs sich selbst sehen;

was Mitarbeiter dazu sagen;

warum Coaches empfehlen, sich nicht zu verstellen.

"Charakter kann man nicht nachholen"

CW: Wer eignet sich zur Führungskraft?

BORDT: Das Fachwissen gibt nicht den Ausschlag. Viel mehr kommt es auf die menschliche, man könnte auch sagen spirituelle Qualität des Führenden an.

CW: Liegt das in der Wiege?

BORDT:

Nein, aber es entsteht früh. Charakter hängt von Erziehung und Bildung als Kind und Jugendlicher, von einer tiefen persönlichen Bindung zu anderen Menschen ab.

CW: Kann man das nachholen?

BORDT:

Eine instabile Persönlichkeit kann zwar Techniken lernen, aber das wird in den entscheidenden Situationen überhaupt nicht weiterhelfen. Gute Führung beruht nicht auf Tools und Kniffen.

CW: Manche Führungskräfte sind aber ihren Coachs und Trainern sehr dankbar.

BORDT:

Persönlichkeit ändert sich ja auch tatsächlich. Nur geht das sehr langsam, und mit manchem muss man einfach leben. Charakter wandelt sich über viele Jahre hinweg, nicht an ein, zwei, drei Trainings-Wochenenden. Wenn es in solchen Treffen zu intensiven Gruppenprozessen gekommen ist, meinen manche Teilnehmer, es habe sich etwas an ihrer Persönlichkeit getan. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Im Jesuitenorden ist die Ausbildung für die wichtigen Führungspositionen eine jahrzehntelange Angelegenheit, zu der auch ausführliche Besinnungsphasen gehören.

CW: Was muss ein Chef können?

BORDT: Erstens muss er anderen Menschen Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen. Die Mitarbeiter merken, wenn das nur gespielt ist. Um sich selbst zurückzunehmen und andere in den Mittelpunkt zu stellen, braucht der Chef ein sehr starkes und gesundes Selbstbewusstsein. Nur dann wird er, zweitens, auch Kritik annehmen und Fehler eingestehen können. Egomanische Chefs wirken sich für das Unternehmen verheerend aus.

CW: Chefs müssen doch aber sagen, was richtig und falsch ist. Sie müssen eine Instanz sein.

BORDT:

Dabei müssen sie den Mitarbeitern aber, das wäre ein dritter interpersoneller Wert, mit Vertrauen und Zutrauen begegnen.

CW: Ist das nicht unrealistisch? Führungskräfte werden schließlich auch an den Fehlern ihrer Mitarbeiter gemessen.

BORDT: Zum Vertrauen, das auf einer treffenden Einschätzung der Mitarbeiter beruht, gibt es keine realistische Alternative. Wer die eigene Position halten will, darf Mitarbeiter nicht in die innere Kündigung treiben.

Angepasst authentisch

Zehn häufige Führungsfehler analysiert Maren Lehky in ihrem Buch:

keine Menschen mögen,

illoyal sein,

die Hierarchie überbetonen,

die Hierarchie leugnen,

kein Vertrauen gewinnen,

schlecht kommunizieren,

gute Mitarbeiter nicht bemerken oder nicht fördern,

Teamarbeit nicht verstehen,

schlecht informieren,

keine Netze pflegen.

Chefs, die diese Fehler vermeiden wollen, rät Lehky, dabei "so weit als möglich authentisch" zu sein. Damit ist aber offenbar auch kalkulierte Anpassung gemeint. Wenn jemand demonstrativ Golf spielt und Wein trinkt, obwohl er Volleyball und Bier bevorzugt, dann befindet er sich allenfalls in einer Authentizität zweiter Ordnung.

Vertrauen ist ein "Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität", zitiert Lehky den Soziologen Niklas Luhmann. Wer Gutes tut, bekommt oft Gutes zurück. Wer zu seinen Leuten loyal ist, dem geben sie Qualität. Chefs können sich darauf stützen, dass das, was ihnen Vorteile bringt, auch ihren Mitarbeitern nützt.

Maren Lehky, früher Personalleiterin in der Industrie, jetzt Beraterin, Trainerin und Coach, weiß aber auch, dass diese selbstzeugende Kraft der Menschlichkeit zerstört werden kann. Hin und wieder wandeln sich ihre Führungs- in Überlebenstipps. Vor allem, wenn jemand "drei Kinder satt bekommen" muss, läuft das auf große Vorsicht hinaus: Fehlentscheidungen mittragen. Zur falschen Zeit lieber gar nichts sagen. Bloß nicht negativ auffallen.

Maren Lehky: Die 10 größten Führungsfehler und wie Sie sie vermeiden. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2007, 246 Seiten, 22,90 Euro

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590950: Typische Cheffehler.

Mitarbeiter arbeiten besser, wenn sie ihrem Chef trauen. Das tun sie nur, wenn er ihnen traut. Fehlendes Vertrauen schädigt also das Geschäft, nur ein guter Chef kann ein erfolgreicher Chef sein. In der Theorie ist das allen klar, zumindest findet man nicht leicht einen IT-Experten, Coach oder Trainer, der etwas anderes sagt. Warum fällt dann die Umsetzung so schwer, warum beurteilen in Deutschland 60 Prozent der Mitarbeiter ihre Vorgesetzten und 80 Prozent der Vorgesetzten ihre Mitarbeiter als schlecht (Studien von Stepstone und der GFK), warum glaubt fast jeder zweite, dass der Arbeitgeber heimlich seine Mails überwacht (Stepstone)? Warum hat Konrad Keller Anlass, über "Unehrlichkeit und Geheimniskrämerei" zu klagen?

Die Fähigkeiten, durch die Chefs sich auszeichnen wollen und die sich Mitarbeiter von ihnen wünschen, haben in der Tat mit Vertrauen zu tun. Dieses entsteht oder zerfällt in der Kommunikation. Thomas Siekmann, früher IT-Chef der Herforder Brauerei und nach deren Verkauf an Warsteiner zu Bayer Business Services gewechselt, hält es für eine "Schlüsselqualität für Führungskräfte", dass sie "extrem kommunikationsstark" sind. In einer Gruppe sollten "keine Tabus" bestehen, moderiert und geschützt vom Chef sollte man "offen über alles reden" können, obwohl diesem "hohen Anspruch" zum Beispiel "Angst" entgegenstehen könne. Für Siekmann, der Soziologie bei Niklas Luhmann studiert hat, ist IT-Arbeit ein "sozialer Prozess". Es gibt kein gutes Team ohne gute Kommunikation.

Projektleiter Hermann schildert Teamfähigkeit als Mittel des Krisen-Managements. Er wurde oft in Projekte gerufen, "wo der Kunde schon mit Rechtsanwalt oder Vertragsauflösung drohte und Mitarbeiter schon gekündigt hatten". Hier kam es darauf an, Vertrauen wiederaufzubauen nicht nur des Kunden zum Auftragnehmer, sondern auch der Berater und Entwickler zueinander und zu sich selbst: "Man muss Wege finden, sie zu motivieren und zu Lösungen zu animieren, anstatt immer wieder auf versäumte Chancen in der Vergangenheit zu reflektieren."

Kommunikations- und Teamfähigkeit sind sozialer Natur. Bei einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) beklagten sich 55 Prozent der antwortenden 2154 Mitgliedsunternehmen über die mangelnde Sozialkompetenz von Hochschulabsolventen. Das dürfte teilweise an normalen Eingewöhnungsschwierigkeiten auf der ersten Stelle liegen; es zeigt aber auch, dass Karrierewillige sogar in Positionen, auf die sie gute Chancen haben, erst mühsam hineinreifen müssen. Welches Gewicht dabei das Fachwissen hat, ist umstritten.

Wie wichtig ist Fachwissen?

Viele Unternehmen bieten kaum Fachkarrieren an. Wer durch fachliches Können auffällt, kann oft nur auf eine Position befördert werden, auf der er eine Personalverantwortung tragen muss, für die er sich vielleicht nicht eignet. "Nicht jeder, der über eine gute fachliche Qualifikation verfügt, ist auch eine gute Führungskraft", sagt Sissi Closs, Gründerin und Geschäftsführerin der auf Softwaredokumentation spezialisierten Münchner Firmen Comet Communication und Comet Computer. Beide beschäftigen aber neben organisatorischen jetzt auch fachliche Führungskräfte. Wer sich fachlich als begabt erweist, muss also sein Metier nicht verlassen.

Ohnehin gibt es Positionen, auf denen sich die fachliche von der sozialen Kompetenz nicht trennen lässt. Bei der Herforder Brauerei leitete Thomas Siekmann ein IT-Team aus fünf Mitarbeitern. In solchen Fällen hat die Spezialisierung enge Grenzen: "Alle müssen viele Themen bearbeiten, vier oder fünf pro Person." Der Chef muss die Aufgaben trotzdem so verteilen, dass jeder das bekommt, was er gut kann und gerne macht. Ohne technischen Überblick wäre das nicht möglich. Aber auch unabhängig von der Kopfzahl sollten IT-Führungskräfte "technologieaffin" sein: "Man kann die Optionen für das Geschäft sonst nicht erkennen. Damit meine ich nicht jede einzelne PC-Karte, sondern zum Beispiel, ob ich, wenn ich noch eine Großrechnerarchitektur betreibe, eine SOA einführen kann."

Ein Chef muss mitreißen können. Sissi Closs, deren Unternehmen für Produkte wie auch für Frauenförderung und Chancengleichheit schon oft ausgezeichnet wurden: "Leute motivieren kann ich gut. Das ist ein Urtalent von mir, das habe ich schon ganz lange. Vielleicht schon seit der Kindheit." "Begeisterung auszustrahlen" könne man "nur begrenzt lernen", sagt auch Hans Hermann: "Das ist eine Lebenseinstellung."

Ein guter Chef mag Menschen

Wer andere dazu bringen will, dass sie mehr tun, als sie auch ohne ihn täten, der muss sie mögen. Nicht täglich, aber grundsätzlich. Ihnen das vorzuspielen ist sinnlos. "Wenn man mit Menschen umgehen will, und zwar um der Menschen und nicht um der Karriere willen", dann und nur dann kann man Führung lernen, bilanziert Konrad Keller.

"Völlig unterschätzt" sieht Thomas Siekmann die Aufgabe, über seine Mitarbeiter etwas zu wissen und darauf zu reagieren. Leistungsfähigkeit kann sich etwa durch Krankheit des Partners oder Pflegebedürftigkeit eines Elternteils wandeln. Ein Vorgesetzter solle sich hier nicht einmischen, aber Ansprechbarkeit signalisieren, falls der Mitarbeiter von sich aus etwas sagen wolle. Dann gelte es, "Verständnis zu entwickeln und Belastungen zu steuern".

Coaching: Was ist authentisch?

"Coach" und "Trainer" sind keine geschützten Berufsbezeichnungen. Kennzeichnend für die Angebote ist ihre "extrem durchwachsene Qualität. Viel banaler Quatsch wird teuer verkauft", kritisiert Siekmann. Hans Hermann hat sich in Führungsseminaren an "plakativen und nicht richtig fundierten Ideen" gestört. Mehr gebracht haben ihm Kurse in Transaktionsanalyse in seiner Freizeit.

Ein gelungenes Coaching oder Training verschafft dem Teilnehmer einen neuen Blick auf seine Situation und sein Handeln. Er kann sich aus den täglichen Verstrickungen lösen und wie ein unbefangener Außenstehender auf frische Ideen kommen. Siekmann spricht vom "Supervisionsblick" auf sich selbst. Sissi Closs hat sich "in schwierigen Situationen und bei Wachstumsschüben" coachen lassen. Sie legt Wert darauf, dass die Coachende "kein Standardprogramm durchzieht", sondern eine "vertraute Person" ist, die sie "sehr gut kennt".

Auch die seriösen Angebote unterscheiden sich stark. Im Moment werben viele Coaches und Trainer mit "Authentizität". Um den Helfer zu finden, der am besten zu ihnen passt, sollten Interessenten sich erkundigen, was damit gemeint ist.

Andrea Dufner, die unter anderem Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften studiert hat, betreibt in Frankfurt am Main ihr Institut "natürlich führen". Sie glaubt, dass es in Führungsfragen "kein Rezept für alles" gibt: "Vielmehr geht es darum, dass die Teilnehmer jeweils ihren eigenen Führungsstil finden, mit dem sie sich nicht verbiegen müssen." So sei es möglich, nur die eigene Rolle zu spielen und zwischen dem "privaten" und dem "Berufsmenschen" nicht zu trennen.

Individuelle Körperübungen

Wichtig in Dufners Konzept ist die Körpersprache. Viele Führungskräfte kommen demnach schlecht an, weil ihr Körper nicht das ausdrückt, was sie sagen und meinen. Die Authentizität der Kleinkinderjahre ist Erwachsenen verloren gegangen. Mit individuellen Körperübungen sollen Dufners Klienten dazu kommen, dass ihr Körper wieder dasselbe sagt wie ihre aufrichtigen Worte.

Die Münchner Diplompsychologin und Karriereberaterin Madeleine Leitner gibt manchen Klienten zwar Tipps für ihre Selbstdarstellung, betreibt aber kein systematisches körpersprachliches Training. Sie setzt auf "Problembewusstsein": Wer zum Beispiel weiß, dass er anderen zunächst kein Vertrauen einflößt, wird daran nonverbal nicht viel ändern können. Er kann den Eindruck aber verbessern, indem er ihn anspricht: "Ich weiß, dass ich bedrohlich wirke, aber ich will Ihnen nichts tun."

Persönlichkeit ändert sich kaum

Leitner glaubt, dass sich an einer Persönlichkeit "in der Regel mit sehr viel Aufwand nur sehr wenig ändern" lässt. In gewissem Ausmaß kann man sich auf einen Job einstellen, der einem nicht liegt; wünschenswerter ist es, einen passenderen zu finden auch wenn er nicht inseriert wird. Die Persönlichkeit selbst brauche nicht trainiert zu werden: "Authentizität muss man nicht lernen. Man muss sich nur trauen."