Wie man die Köpfe der Mitarbeiter öffnet

Wie man die Köpfe der Mitarbeiter öffnet Die Motivation entscheidet über den Erfolg von Wissens- Management

08.01.1999
Von Ursula Coester Im Kampf um Profite und Marktanteile müssen Unternehmen immer schneller reagieren. Entscheidend sind nicht mehr allein Kapital, Qualität des Standorts und Produktionsanlagen. Das wichtigste Potential für den Erfolg sitzt in den Köpfen der Mitarbeiter: Wissen.

Wissens-Management (englisch Knowledge-Management) wird heftig diskutiert. Ist es eine Wunderwaffe oder nur eine Mode, die bald durch eine neue ersetzt wird? Theoretisch läßt sich diese Frage leicht beantworten. Wenn ein Unternehmen das richtige Wissen aufbaut und daraus ein Wert für Kunden entsteht, kann Knowledge- Management in hohem Maß zum Erfolg beitragen.

Das praktische Problem sind jedoch die Mitarbeiter. "Warum sollte ich mein Wissen weitergeben? Ich weiß doch noch nicht einmal, ob meine Abteilung nächsten Monat noch besteht und ob ich mir eine neue Stelle suchen muß. Dann brauche ich mein Wissen, um eine gute Position zu finden", so eine Führungskraft im mittleren Management eines englischen Großunternehmens. Eine Managerin, die schon 15 Jahre für einen internationalen Konzern arbeitet, fragt sich, wofür sie Knowledge-Management brauche, wenn es auch anders gehe: "Wenn ich Informationen haben will, weiß ich, wen ich anrufen muß."

Wenn Wissens-Management zum Unternehmenserfolg beitragen soll, müssen berechtigte Ängste der Mitarbeiter abgebaut werden. Jeder muß seine Informationen, Erfahrung und Reflexion einbringen. " Die Einführung von Knowledge-Management beginnt und endet mit dem Individuum", sagt Pierre Hessler von der Cap Gemini Group.

Von Anfang an sollte jedem Mitarbeiter klar werden, was Knowledge- Management heißt. Akademische Definitionen helfen nicht weiter. Man muß das für das Unternehmen wertvolle Wissen herausarbeiten. Dazu Hessler: "Wir können und müssen die Grenzen des Wissens definieren, um es einzufangen, zu managen und wertzuschätzen." Die bloße Ansammlung vieler Informationen und die Anhäufung von theoretischem Wissen nutze dem Mitarbeiter nicht, sondern mache das System ineffektiv. Damit die Mitarbeiter davon profitieren können, muß das Wissen in der Praxis gewonnen werden, sofort verwertbar und aktuell sein. Knowledge-Management ist Plattform zum Austausch von "best practices" und auch Grundlage für Innovationen. Im Idealfall werden auch die Folgen von Fehlentscheidungen offen kommuniziert und analysiert, so daß ähnliche Fehler verhindert werden.

Die Weitergabe von Wissen sollte als Teil der Arbeit definiert und auch während der Arbeitszeit erledigt werden. Diese ideale Situation ist jedoch in den meisten Firmen nicht vorhanden. Da sich die Unternehmenskultur nicht von heute auf morgen verändern läßt, müssen die Mitarbeiter für den Wissensaustausch motiviert werden. Die Führungsriege kann zum Beispiel von den Mitarbeitern Beiträge zum Knowledge-Management einfordern und diese mit einem Bonus belohnen.

Dabei sollte auch die Qualität des Wissens beurteilt werden. Die besten Eingaben der Mitarbeiter werden wöchentlich oder monatlich mit Geldprämien oder Sachgeschenken belohnt. Anfangs wird es schwierig sein, passende Qualitätskriterien festzulegen. Darum ist es notwendig, die Kriterien mit den Erfahrungswerten aus dem Wissens-Management ständig zu verbessern. Das muß für die Mitarbeiter nachvollziehbar sein, damit sie das Bonus-system als Richtlinie anerkennen.

Ein anderes Modell ist, daß die Nutzer die Qualität des Wissens bewerten. Sie dokumentieren und kommentieren ihre Zugriffe auf die Informationen. Durch diese Rückkoppelung wird erneut Wissen erzeugt.

Beim Bonus-Pool, einem dritten Modell, bekommt jeder Mitarbeiter ab einer bestimmten Hierarchieebene am Ende des Geschäftsjahres dieselbe Summe ausbezahlt, wenn das Gesamtunternehmen ein gutes Ergebnis erzielt hat. Dabei werden aber Mitarbeiter der unteren Hierarchieebenen nicht berücksichtigt.

Ein weiteres Modell gründet auf der aktiven Vermarktung von Wissen. Der Mitarbeiter gibt seine Kenntnisse ins System ein und sucht nach weiteren Nutzungsmöglichkeiten. Die Kommunikationsprozesse erhöhen das gegenseitige Verständnis und schaffen dadurch neues Know-how. Eine Gefahr ist, daß der Mitarbeiter zuviel Zeit mit der Vermarktung seines Wissens verbringt.

Keine Patentrezepte für Wissens-Management

All diese Motivationsmodelle können das Verhalten der Mitarbeiter und damit die Unternehmenskultur verändern. Für die Implementierung und Nutzung von Knowledge-Management gibt es allerdings kein Patentrezept, da die Voraussetzungen in jedem Unternehmen anders sind. Einige Grundregeln gelten jedoch für alle Firmen:

-Die Einführung von Wissens-Management muß durch die Unternehmensleitung aktiv unterstützt werden.

-Die Mitarbeiter müssen Ausrichtung und Struktur des Systems mitgestalten dürfen.

-Eine einfache Struktur ist einer umfassenden Lösung vorzuziehen.

-Die DV-Infrastruktur kann erst entwickelt werden, nachdem Knowledge-Management definiert ist.

-Investitionen sind nötig, da Wissens-Management nicht mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden kann.

-Es müssen umsetzbare Ziele zur Bewertung von Wissens-Management definiert werden.

Wissen

Wissens-Management ermöglicht es, die in einem Unternehmen vorhandenen Informationen zu identifizieren, sammeln, abzufragen, zu teilen und bewerten. Dazu gehören Dokumente, Unternehmensgrundsätze und -prozesse sowie Sachkenntnis und Erfahrung, die nur in den Köpfen der Mitarbeiter vorhanden sind.