Modular ins Metaverse

Wie Lego zur Software-Company werden will

07.07.2022
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Scott Carey ist Redakteur bei unser IDG-Schwesterpublikation Computerworld in Großbritannien. Der IT-Journalist mit dem Schwerpunkt auf Unternehmensanwendungen moderiert auch Branchenveranstaltungen. Besonders interessieren ihn die großen IT-Player und Cloud-Service-Anbieter. Er hat ein Diplom in Journalistik an der Universität Cardiff in Wales erworben. In seiner Freizeit treibt er Sport, reist viel und beschäftigt sich intensiv mit der Medienlandschaft in Großbritannien.
Lego will von Plastiksteinen auf Bits und Bytes umsteigen, um der wachsenden Nachfrage nach virtuellen Experiences gerecht zu werden.
Lego will zum Softwareunternehmen werden und investiert dazu massiv in Technologie.
Lego will zum Softwareunternehmen werden und investiert dazu massiv in Technologie.
Foto: Lego Group

Lego will seine Bemühungen in Sachen Softwareentwicklung auf ein neues Level heben und zur Software Company transformieren. Dabei stellt sich unter anderem die Frage, ob der Spielzeuggigant im Rennen um IT-Spezialisten mit den Top-Unternehmen konkurrieren kann. Das dänische Unternehmen investiert jedenfalls massiv, um sich zu einem technologieorientierten Unternehmen zu entwickeln. Das liegt vor allem am explosionsartigen Wachstum von Online-Games wie Roblox und Minecraft.

Dem hatte Lego lange Zeit nichts entgegenzusetzen. Nun hat das Unternehmen die verpasste Gelegenheit erkannt und ist im April 2022 eine Partnerschaft mit dem populären Spieleproduzenten Epic Games ("Fortnite", "Gears of War") eingegangen. Gemeinsam wollen die beiden Unternehmen neue Nutzererlebnisse im Metaverse erschaffen - wobei die Grenzen zwischen digitaler und physischer "Bauerfahrung" verschwimmen sollen.

"Die Partnerschaft mit Epic markiert den Beginn unserer Reise in das Metaversum. Dafür müssen wir sowohl neue Produkte als auch Technologien entwickeln", konstatiert Atul Bhardwaj, Group Chief Digital and Technology Officer bei der Lego Group. Um das zu realisieren, will Lego sein internes Softwareentwicklungs-Team massiv aufstocken: Bis Ende 2023 plant das Unternehmen, die Zahl der Mitarbeiter auf 1.800 zu verdreifachen. Die neuen Mitarbeiter sollen in den Niederlassungen in Kopenhagen, Billund, London und Shanghai zum Einsatz kommen.

Wie Lego die Transformation angeht

Um den digitalen Wandel bei Lego voranzutreiben, soll das Unternehmen sich laut Bhardwaj künftig stärker auf Produkte, Engineering-Aufgaben und Architektur fokussieren. "Dabei meine ich produktorientiert im Sinne des Gegensatzes von projektorientiert. Das bedeutet, dass die zu lösenden Probleme als eine Reihe digitaler Produkte definiert und entwickelt werden." Um die Lego Group in Sachen Engineering zu fokussieren, schwebt Manager Bhardwaj vor, sich stärker auf Architektur und die dafür notwendigen Skills zu konzentrieren: "Die entscheidende Frage dabei ist: Welche technischen Fähigkeiten müssen vorhanden sein, um skalierbare Systeme von Weltklasse zu entwickeln?"

Bei diesem Umschwung werden Softwareentwickler eine entscheidende Rolle spielen. Sie sollen im Zuge des Ausbaus der digitalen Mannstärke allerdings auch Unterstützung von digitalen Designern, Produktmanagern und technischen Programmmanagern bekommen. Diese Ambitionen sollen durch eine starke, digitale Architektur untermauert werden. "Lego muss Systeme aufbauen, die skalierbar sind, rund um die Uhr funktionieren und dabei flexibel, offen und einfach zu integrieren sind", bringt es Bhardwaj auf den Punkt.

Dazu baut Lego eine neue, einheitliche Datenplattform auf und erneuert seine IT-Infrastruktur, um flexibler agieren zu können und Cloud-nativ zu werden. Vor 18 Monaten war die Nutzung der Cloud für Lego eher ein Ausnahmefall - heute hostet der dänische Spielzeugriese bereits 54 Prozent seiner Workloads in der Cloud. Die Zielsetzung für die Zukunft: Einhundert Prozent in der Public Cloud zu arbeiten.

Dabei bringt die Lego Group eine breite Palette von Programmiersprachen und Frameworks zum Einsatz: Von Unity (für einige der neuen Produkte für Konsumenten) über React (für Lego.com) bis hin zu SAP ABAP (für Back-Office-Systeme). "Wir haben so ziemlich alles im Einsatz, was heute cool ist", meint Bhardwaj. "Für die Datenplattform verwenden wir Scala und Python. Wenn Sie Softwareingenieur sind und sich für einen modernen Tech-Stack interessieren - bei uns werden Sie ihn finden."

Legos Game-native Unternehmenskultur

Software und Lego gehören allerdings schon länger zusammen - schließlich bauen viele Softwareingenieure abseits ihrer Workstations gerne physikalische Lego-Modelle zusammen. Und modulare Softwarekomponenten werden seit langem wegen ihrer Lego-ähnlichen Nützlichkeit vermarktet, die es ermöglicht, sie auf vorhandene Komponenten aufzusetzen. Diese Idee erstreckt sich nun auch auf die Art und Weise, wie Lego selbst Software baut - nämlich auf Grundlage lose gekoppelter Systeme und der umfassenden Nutzung von APIs.

"Wenn ich eine großartige Architektur beschreibe, dann ist sie wie Legosteine, mit denen man etwas bauen, es auseinandernehmen und relativ einfach wieder zusammensetzen kann. Das ist es, was wir versuchen hier zu realisieren", so Bhardwaj. Dabei erwartet der Lego-Konzern von seinen Entwicklern auch, in lose gekoppelten Teams zu arbeiten: "Wir wollen eine Kultur mit autonomen Teams aufbauen, die die Freiheit haben, Probleme so zu lösen, wie sie es für richtig halten. Wir sind ein Unternehmen, in dem das Spielerische tief verankert ist. Das ist ein großer Teil unserer Kultur." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.