Wie lange reicht das Abap-Know-how?

19.09.2006
Von Lars Erdmann
Die SAP erneuert sich und ihre Produkte. Kenntnisse in der Programmiersprache Abap bleiben zwar auf dem Arbeitsmarkt wichtig. Aber anderes Wissen muss hinzukommen.

Die starke Marktposition von SAP als führendem Hersteller von Unternehmenssoftware hat eine Vielzahl unterschiedlichster Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der IT hervorgebracht. Neben Beratungs- und Betriebsleistungen waren von Beginn an auch Programmiererfahrungen mit der SAP-Sprache Abap stark gefragt. Die breite Verfügbarkeit dieses Know-hows auf dem Arbeitsmarkt war ein Erfolgskriterium für die Verbreitung von SAP. Nur mit Hilfe gut ausgebildeter Abap-Spezialisten konnten viele Unternehmen SAP-Projekte umsetzen und waren danach nicht auf schlecht verfügbare - und zudem meist überteuerte - Experten angewiesen, wie es bei vielen exotischen Produkten zur Jahrtausendwende der Fall war.

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Gute Installationsbasis

Mit der Entwicklung von Netweaver erweitert SAP nun konsequent das Portfolio an Technologien und setzt nicht mehr ausschließlich auf den hausinternen Abap-Standard. Dies wird Auswirkungen auf den SAP-Arbeitsmarkt haben. Die Befürchtung jedoch, dass die SAP-Programmiersprache zur Sackgasse in der Berufsplanung und durch andere Skills mittelfristig ersetzt wird, ist übertrieben.

Abap-Know-how wird mittel- bis langfristig (fünf bis zehn Jahre) weiterhin stark gefragt sein und bildet damit immer noch eine gute Basis für eine Karriereplanung in der Softwareentwicklung. SAP-Spezialisten sollten aber darauf achten, ihr Wissen in der "klassischen" Abap-Programmierung gezielt zu erweitern, um den neuen Anforderungen und dem dafür erzielbaren Tagessatz gerecht zu werden.

Dafür, dass Abap-Erfahrung auch langfristig nachgefragt wird, sprechen folgende Fakten: Die installierte Basis an R/3-Systemen, die auf Abap basieren, ist sehr groß. Dabei handelt es sich um Legacy-Systeme, die nicht kurzfristig ausgetauscht werden können und oft eine Vielzahl von Erweiterungen des SAP-Standards aufweisen. Diese Erweiterungen sind zum Großteil in Abap implementiert und spezifisch an das Unternehmen angepasst. Es besteht daher nur eine geringe Chance, dass sie durch Standardfunktionen in einem Nachfolge-Release ersetzt werden können.

Neue Funktionen in Abap

Für die Wartung und den Ausbau dieser Systeme wird Abap-Know-how noch lange erforderlich sein, zumal SAP viele neue Funktionen weiterhin in Abap implementiert. Die Situation ist vergleichbar mit den Cobol-basierenden Host-Anwendungen, die auch heute noch in vielen Unternehmen eine strategische Bedeutung haben, obwohl die Technologie schon lange totgesagt wurde.

Die neuen Herausforderungen an die Abap-Entwicklung ergeben sich aus der veränderten Positionierung von SAP. Eine klare Schwäche lag lange Zeit in den eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten der Benutzeroberflächen sowie der mangelnden Internet-Funktionalität. Diese Schwäche führte auch dazu, dass SAP neue Bereiche wie CRM und Portale für eine ganze Weile nicht besetzen konnte. Applikationen auf Basis offener Standards (Java) hatten klare Marktvorteile. Das Platzen der Internet-Blase brachte aber auch Schwächen der neuen Technologien, wie zum Beispiel geringe Transaktionssicherheit oder schlechtes Lifecycle-Management beziehungsweise Transportwesen, zutage, die erst in den letzten Jahren gemildert werden konnten.

Integration offener Standards

SAP hat es mit der Entwicklung von Netweaver geschafft, die Abap-Schwächen durch Weiterentwicklungen wie Abap Objects und durch die Integration offener Standards (Java .NET) größtenteils zu beseitigen. Dadurch wurde nicht nur die Entwicklung auf eine breitere Basis gestellt, sondern mit der Zentralisierung übergreifender Funktionen (Portal, Datawarehouse) eine Plattform zur Erstellung von Unternehmenssoftware geschaffen.

Abschied vom Moduldenken

Dies stellt einen fundamentalen Unterschied zum klassischen R/3 dar und beeinflusst somit die Anforderungen an die Softwareentwickler. SAP-Software zielt heute nicht mehr auf die Abbildung spezifischer Prozesse in einem geschlossenen System ab, sondern bezieht sowohl die Prozessintegration innerhalb eines Unternehmens (Integration unterschiedlicher Systeme: SAP und Non-SAP) als auch zwischen Unternehmen (Supply Chain) ein. Dabei stehen nicht mehr nur standardisierbare Prozesse wie Buchhaltung und Lagerhaltung im Fokus, sondern auch die Abbildung innovativer Abläufe mit der Anforderung an eine hohe Flexibilität, da die Business-Anforderungen oft noch nicht in vollem Umfang bekannt sind.

Diese Positionierung von SAP beeinflusst natürlich auch die Anforderungen an die Softwareentwicklung. Die Lösungskonzeption innerhalb der R/3-Module reicht nicht mehr aus. Es sind modulübergreifendes Wissen sowie ein breiteres technisches Know-how (Objektorientierung, Java, .NET) gepaart mit einem Grundverständnis von IT-Architektur (Service-oriented Architecture = SOA) notwendig, um die Potenziale von SAP-Software heute und besonders morgen auszunutzen. Dabei bildet Abap-Know-how weiterhin eine wichtige Grundlage, um Business-Services in SAP erstellen und nutzen zu können. Ohne Abap-Kenntnisse bleibt der Kern von SAP eher eine Blackbox, die sich zur Lösungserstellung nur erschwert nutzen lässt.

Die Ausbildung des Abap-Entwicklers muss heute breiter angelegt sein und den Umgang mit Java, .NET oder Flash beinhalten. Ein SAP-übergreifendes Prozessverständnis und konzeptionelles Denken, das die Definition von wiederverwendbaren Services im Rahmen einer SOA einschließt, sind weitere Voraussetzungen, um die geforderten kurzen Implementierungszeiten und geringen Entwicklungskosten zu erreichen.

Neuer Stress für Java-Profis

Diese Anforderungen machen die Softwareentwicklung im Umfeld von SAP spannend, was wahrscheinlich auch zu einem größeren Zulauf von Neueinsteigern führen wird. Durch den wachsenden Konkurrenzdruck werden die etablierten Abap-Entwickler gezwungen sein, ihr Blickfeld zu erweitern, was je nach Berufserfahrung mehr oder weniger schwer fallen dürfte. Auf der anderen Seite muss beispielsweise ein Quereinsteiger aus der Java-Welt eine große Portion Ausdauer und Fleiß aufwenden, um die Architektur eines SAP-Systems zu verstehen und effektiv einsetzen zu können.

Die Situation der Abap-Entwickler könnte man mit einem Beispiel aus der Automobilindustrie beschreiben, ohne hierbei den genannten Berufsgruppen zu nahe treten zu wollen. Ein SAP-Experte mit einer Fokussierung auf die klassische Abap-Entwicklung beziehungsweise auf die klassischen SAP-Module würde einem Mechaniker entsprechen, der die Einzelteile eines Serienfahrzeugs gut kennt. Basierend auf diesen Einzelteilen bauen die Ingenieure aber bereits heute kundenindividuelle Fahrzeuge, die sie durch Spezialkomponenten ergänzen.

Vom Mechaniker zum Ingenieur

Solange das Grundkonzept eines Autos besteht, es also einen Verbrennungsmotor und Räder hat, sind die Mechaniker gefragt. Grundlegende Änderungen am Fahrzeug lassen sich aber nur von Ingenieuren konzipieren und umsetzen. Die Entwicklung vom Abap-Mechaniker zum Ingenieur ist daher allen anzuraten, die im Wettrennen auf dem Arbeitsmarkt an der Spitze bleiben wollen. (hk)