Wie IT-kompetent sind unsere Bosse?

20.05.1994

Es gibt Aussagen von Wirtschaftsbossen, was sie von der Computerei im allgemeinen und der Bedeutung des Faktors Information fuer ihre Organisationen im besonderen halten, jedoch keine Untersuchungen darueber, wie kompetent Unternehmer und Topmanager in Sachen Informationstechnik sind. Das kann nur Laien ueberraschen. Mit der fruehen Aufloesung (IT-Verstaendnis: Fehlanzeige) verschenken wir nicht nur eine Pointe, weil niemand lachen kann, sondern erweisen auch unserem Anliegen scheinbar keinen Gefallen: denjenigen DV- Profis, die noch unbelastet sind, Mut fuer ihre Ueberzeugungsarbeit zu machen, dass benutzernahe Informationsverarbeitung nichts mehr mit Glashaus-DV zu tun hat.

Sei's drum, die jungen Windows-Wilden werden auch ohne CW-Zuspruch auskommen. Ihre Ungeduld ist verstaendlich. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass Marktforscher und High-Tech-Berater bewusstes, zielgerichtetes Verhalten der Manager bei IT-Entscheidungen ausgemacht haben wollen, frei von Ressentiments und Vorurteilen. Aus den betreffenden Trendprognosen erfahren wir, dass Vorstaende und Geschaeftsfuehrer fuer offene Systeme sind, fuer IT-Integration und Client-Server-Strukturen.

Das muessten die einschlaegigen Anbieter in Form eines Auftragsueberhangs spueren. Dass daran nichts ist, bedarf keines besonderen Nachweises und laesst am Ich-weiss-wovon-ich-rede-Gehalt dieser Aussagen zweifeln. Was wissen Industriekapitaene, Handelsbosse, Verbandschefs und Politiker wirklich von IT? Die Antwort hat zunaechst nichts Verfaengliches an sich: Das, was ihnen jahrzehntelang von den Vertretern der Computerindustrie vermittelt wurde. Das fuehrt sehr schnell zu der landlaeufigen Vorstellung, die EDV und IBM gleichsetzt, und in der das mit Mainframes bestueckte blaue Rechenzentrum zum Habitus eines sich fortschrittlich gebenden Unternehmens gehoert - wie auch die enge Bindung an einen Lieferanten, der die Geschicke einer ganzen Branche bestimmt.

Ein grosser Selbstbetrug steckt nun in der Behauptung, dass dieser Zustand ueberwunden sei. Wie waere das Outsourcing-Phaenomen sonst zu erklaeren? So manchem Unternehmen wird es zu kostspielig, eine IT- Kantine mit eigenem Kuechenpersonal zu unterhalten, zumal der Service der mittlerweile Grossgastronomie-Betrieben gleichenden RZ- Shops zu wuenschen uebriglaesst. Aber darueber bleibt die Kernfrage unbeantwortet, ob der Informatikbereich wie eine Cafeteria betrieben werden kann. Das Kostenargument, jetzt zur Rechtfertigung etwa von Outsourcing-Entscheidungen vorgebracht, ist fadenscheinig, wenn es von Leuten benutzt wird, die Fehlentwicklungen wie die Glashaus-DV zugelassen haben. Es geht um die Verfuegbarkeit von Information und um die Phantasie, etwas damit anzufangen - wem sagen wir das. Ja, wem sagen wir das?

Die Kolumne handelte uebrigens auch von der Krupp Hoesch AG (Seite 1) sowie der CW selbst als Blatt fuer aufstrebende DV-Profis, die bei erfolgreichen Anwenderunternehmen mit einem neuen IT-Konzept beschaeftigt sind. Ob's jemand gemerkt hat?