UnternehmenSkeptische Fragen nach dem Nutzen flüchtigen Know-hows

Wie hoch ist der wahre Stellenwert der Berater?

30.05.1997

Leider nehmen sich nur die wenigsten Firmen die Zeit, über den Nutzen von Unternehmensberatungen und den Umgang mit ihnen nachzudenken. Dabei geht es um eine strategische Schlüsselfrage. Denn je mehr Beratung ein Unternehmen benötigt, desto schlechter muß es um das Know-how im eigenen Mitarbeiterstamm bestellt sein.

Welchen Nutzen können sich Unternehmen überhaupt von der Beratung versprechen, die sie in Anspruch nehmen? Er ist durch unterschiedliche Zielvorstellungen des Auftraggebers und der Consulting-Häuser begrenzt. Denn jede Firma, also auch eine Unternehmensberatung, strebt als wichtigstes Ziel die eigene langfristige Gewinnmaximierung an.

Sicherlich leben sie davon, daß sie Unternehmen möglichst gut beraten, doch würden sie dabei zu sorgfältig vorgehen, wäre ihren Kunden womöglich dauerhaft geholfen, womit diese in der Zukunft keine Beratung mehr bräuchten.

An dieser Stelle dürfte jeder halbwegs geschickte Berater einwenden, daß das Umfeld der Firmen einem immer schnelleren Wandel unterliegt und ein geheilter Patient jederzeit eine neue Krankheit bekommen kann. Damit wäre das Grundübel genannt: Unternehmensberatung hilft zwar konkrete Probleme lösen, wird aber kein Allheilmittel zur generellen Beseitigung oder gar Vermeidung von Mißständen anbieten. Anderfalls gäbe es zahllose Unternehmen, die soviel Know-how aus einstiger Beratung gewonnen haben, daß sie ihre Strukturen und Geschäftsprozesse nun aus eigener Kraft an Marktveränderungen anpassen könnten.

Zudem: Zwischen internen Personal- und externen Beratungskosten läßt sich der Faktor drei als durchschnittliche Rechengröße heranziehen. Das heißt, daß die Berater dreimal soviel leisten müßten, um mit dem internen Know-how konkurrieren zu können.

Hinzu kommt, daß der Aufbau von Wissen über die Unternehmensabläufe einen erheblichen Teil der Beratungskapazität verschlingt. Das eigene Personal besitzt bereits einen erheblichen Teil dieses Wissens. Der teuer bezahlte Aufbau externen Know-hows geht aber nach Abschluß der Beratungsleistung wieder verloren.

Externe Beratung wird die gegenwärtige Situation des Kunden in der Regel nur in einer Art Momentaufnahme wahrnehmen. Erschwerend kommt dabei hinzu, daß jede Unternehmensberatung ein eigenes Vorgehensmodell entwickelt hat, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Transparenz wird in der Praxis kleingeschrieben, um die Mitarbeiter des Kunden auf Distanz und damit in Abhängigkeit zu halten.

Welche Argumente für den Einsatz einer Unternehmensberatung lassen sich in der Praxis überhaupt noch aufrechterhalten?

Beispielsweise gibt es die These: "Eine Unternehmensberatung ist nicht betriebsblind, da sie völlig losgelöst vom Zielunternehmen an die Problemstellung herangehen kann."

Wer sich in der heutigen Zeit noch Betriebsblindheit erlauben kann, dürfte in einem innovativen Unternehmen ohnehin deplaziert sein. Dem von den Beratern oft angepriesene eigene Vorteil steht der erwähnte Einarbeitungsaufwand gegenüber. Dieser Abstand gerät in einigen Fällen zum gravierenden Nachteil, etwa wenn die externen Mitarbeiter so losgelöst vorgehen, daß keine verwertbaren Ergebnisse, sondern "Schrankware" herauskommt.

Oder: "Eine Unternehmensberatung ist eine vorübergehende, fast anonyme Erscheinung und kann damit auch harte Zwangsmaßnahmen empfehlen, ohne in Interessenkonflikte zu geraten."

Diese Argumentation ist eher als Schutzbehauptung einer schwachen Unternehmensführung zu werten. Auch interne Mitarbeiter müssen primär die Unternehmensziele vertreten, und es ist die Aufgabe der Geschäftsleitung, dieses gemeinsame Interesse zu verdeutlichen.

"Harte Zwangsmaßnahmen" sind nicht selten mit Personalabbau gleichzusetzen. Solche Maßnahmen sind normalerweise nicht das Ergebnis einer plötzlichen Marktveränderung, sondern zeigen das kontinuierliche Abdriften eines Betriebs von seiner Sollposition im Markt. Das Unternehmen reagiert also, weil es in der Vergangenheit versäumt hat, zu agieren. Ein agierendes Unternehmen benötigt aber genügend strategisches Potential und folglich auch das Personal dazu, um nicht in die reagierende Rolle gedrängt zu werden.

Ein anderes Argument lautet: "Unternehmensberater haben zwangsläufig mehr Know-how."

Auch diese Behauptung ist angreifbar. Ein Unternehmen hat dafür zu sorgen, daß ein internes Wissensdefizit ausgeglichen wird, etwa über Schulungen. Auch der Einkauf von Know-how-Trägern kann wesentlich günstiger sein als die Substitution durch externes Wissen.

Letzteres läßt sich nicht umgehen, wenn es um Spezialwissen geht, das sich nicht kurzfristig aufbauen läßt. Benötigt man dieses allerdings langfristig, muß die Beratungsleistung zentral koordiniert werden, was in der Praxis oft vernachlässigt wird. Die Folge ist eine schleichende Abhängigkeit.

Damit wäre der Punkt angesprochen, daß eine Strategie zur Abschöpfung externen Know-hows nötig ist. Hier haben die meisten Firmen ein großes Defizit, da die Auffassung gang und gäbe ist, daß Wissenstransfer automatisch funktioniert.

Die Einsicht, daß ein Unternehmen nichts anderes als ein System ist und somit systemtheoretischen Prinzipien unterliegt, ist wegen unzureichender Informatikkenntnisse in der Wirtschaft nicht allzu weit verbreitet. Und damit lassen sich viele Mängel in den Unternehmen erklären.

Um zu einem brauchbaren Vorgehensmodell im Umgang mit den Unternehmensberatungen zu gelangen, sind mehrere Punkte zu beachten:

-Welches Ereignis kann und darf den Bedarf an Unternehmensberatung auslösen?

-Wo liegen die Defizite, die den Beratungsbedarf verursachen?

-Ist es sinnvoll, die Defizite zu beseitigen? Wenn ja, welches ist der richtige Weg?

-Hätten sich die Defizite früher erkennen oder gar vermeiden lassen? Wie wäre das möglich gewesen, und was folgt daraus für ein Modell und Vorsorgemaßnahmen für die Zukunft?

Große Namen und viel Rhetorik

Der Entscheidungsprozeß, der zur Auswahl einer bestimmten Unternehmensberatung führt, ist meist von wenig Systematik geprägt. Große Namen, schwer nachprüfbare Referenzprojekte und rhetorische Meisterleistungen stellen die Entscheidungstheorie ins Abseits. Dabei müßte der diesbezügliche Aufwand dem der zu erwartenden Beratung angemessen sein.

Firmen, die sich darüber beklagen, daß sie bei den ersten Gesprächen zwar mit erstklassige Leuten Kontakt hatten, diese aber im laufenden Projekt von der Gruppe "Jugend forscht" ersetzt wurden, müssen sich Versäumnisse eingestehen. Es ist höchst zweckmäßig, die Unternehmensberater, die das Projekt letztlich durchführen, auf ihr Fachwissen zu prüfen.

Wird ein Funktionsbereich im Unternehmen isoliert betrachtet und damit ein bestimmtes Bereichsziel verfolgt, kann dieses in Konkurrenz zu anderen Teil- oder Unternehmenszielen stehen. Wenn beispielsweise die durch Lagerkosten verursachte Kapitalbindung gesenkt werden soll, hat das Konsequenzen für den Service im Vertrieb.

Ohne eine nähere Untersuchung solcher Zusammenhänge kann sich aber ein insgesamt negativer Effekt für das Unternehmen ergeben; ein Betrieb kann auf diese Weise in Schieflage geraten. Leider lassen sich nicht alle Zusammenhänge so leicht erkennen, erst recht nicht bei einer auf Teilaspekte oder zeitlich eingeschränkten Betrachtungsweise.

Beratungsbedarf machen Unternehmen schnell aus. Mit der Definition der Aufgabenstellung tun sich einige schon schwerer. Es gibt sogar Firmen, die die Festschreibung ihres eigenen Ziels den Consultern überlassen. Sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Ziele präsentiert bekommen, die sich immer erreichen lassen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, Abnahmekriterien mit der beratenden Firma zu vereinbaren, die auch mit der Vergütung verknüpft sein sollten. Zu festgestellten Problemen muß sie Lösungswege aufzeigen, sie dürfen nicht in die Zukunft verlagert werden, Empfehlungen müssen konkret umsetzbar und interpretationsfrei sein etc.

Organisatorische Veränderungen bergen das größte Ratiopotential und auch das höchste Risiko für die Geschäftsprozesse. Vorschläge in dieser Richtung sind sehr kritisch zu prüfen, da sich solche Modifikationen nicht nach der Trial-and-error-Methode beliebig wieder ändern lassen. Wenn es sich anbietet, sollten die Auftraggeber einen Simulationsbeweis verlangen, der den Vorteil der vorgeschlagenen Maßnahmen belegt.

Ergebnisse müssen anhand einer im Vorfeld abgestimmten Methode erzielt werden, da sie sonst das zufällige Produkt irgendwelcher Arbeitskreise darstellen könnten und in erster Linie von deren Zusammensetzung abhängen. Das Dokumentationsverfahren und die dazugehörigen Werkzeuge sollte in erster Linie der Auftraggeber bestimmen, da sich nur so die erzielten Resultate dauerhaft fortführen lassen.

Eine häufige Beratungsstrategie ist es, das Ideenpotential der Mitarbeiter des Zielunternehmens abzuschöpfen. Daß Consulter dessen Mitarbeiter nach Verbesserungsvorschlägen, Mängeln, Ideen und Visionen befragen, ist legitim und auch notwendig.

Dabei läßt es sich nicht verhindern, daß die Consulting-Firma die so gewonnenen Ideen in weiteren Projekten nutzt. Dies kann im ungünstigsten Fall dazu führen, daß die Ideen aus einem Betrieb einem Konkurrenzunternehmen zugute kommen und das Ergebnis der eigenen Anstrengungen unterminieren. Grundsätzlich besteht die Gefahr, daß Unternehmen einer Branche durch intensives Consulting einander ähnlicher werden.

Empfehlungen, die in den Fachabteilungen bereits - womöglich inklusive Lösungswege - vorgebracht worden sind und lediglich erneut aufgegriffen werden, bringen den Kunden keine neuen Effekte. Mängel, deren Beseitigung bislang an Zeit- und Finanzierungsengpässen scheiterte, verändern sich auch nicht durch eine Neuformulierung. Schwierigkeiten, die den Fachabteilungen bekannt sind, aber nicht über alle wichtigen Hierarchiestufen kommuniziert wurden, werden dadurch, daß sie das Consulting-Unternehmen nochmals aufdeckt, auch nicht neuer, zeigen aber strukturelle Informationsdefizite auf.

Diese Erkenntnis mindert den Wert der Beratungsleistung nicht unerheblich. Deshalb müssen die Unternehmen, die Beratungsbedarf sehen, diesen analysieren und strukturieren. Benötigt ein Betrieb überwiegend Projekt-Management-Know-how, sollte man auch nur diese Leistung anfordern und teure Expertenbera- tung auf die Kernprobleme reduzieren.

Jedes "kranke" Unternehmen sollte seinen bisherigen Beratungsbedarf selbst untersuchen, um Aufschluß über die eigene Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Sollte dann die Erkenntnis gereift sein, daß die vergangenen Beratungsdienste die Firma nicht auf die Stufe der agierenden Unternehmen befördert haben, sollte dieses Ziel für die Zukunft festgelegt werden. Wer langfristig im Markt überleben will, muß sich die Methode erarbeiten, wie man erfolgreich agiert. Wer sich Beratung als Reaktion auf nicht vorhergesehene Ereignisse erkauft, wird sich darüber nur kurze Zeit freuen.

Angeklickt

Irgend etwas liegt im argen, und um herauszufinden, was es ist, engagieren Unternehmen externe Berater. Damit hat eine solche Firma ihr größtes Defizit schon offenbart, nämlich die Unfähigkeit, sich das Wissen der eigenen Mitarbeiter zunutze zu machen. Gängige Begründungen für die Notwendigkeit von Consultants sind manchmal peinlich, zumindest aber fragwürdig. Wer schon fremde Hilfe nicht entbehren kann, läuft Gefahr, auch gegenüber den Helfern blauäugig zu sein.

*Peter Klukas ist bei der AEG Lichttechnik (Philips), Springe, in der Organisation und Datenverarbeitung beschäftigt.