Kleiner ist feiner

Wie gut sind ERP-Dienstleister?

22.10.2004
Von 
Karsten Sontow ist Vorstand der Trovarit AG in Aachen.

In der Implementierungsphase fällt es größeren Dienstleistern offenbar nicht leicht, die für die Projektabwicklung erforderlichen Mitarbeiter zu koordinieren. Möglicherweise ist dies auf eine stärkere Arbeitsteilung auf Anbieterseite zurückzuführen - bei Anbietern mit mehr als 250 Mitarbeitern sind die Kompetenzen in der Regel weiträumiger verteilt. Daraus ergeben sich naturgemäß sehr viel höhere Anforderungen an den Informationsfluss zwischen den Beteiligten, also an die Terminkoordination. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die Betreuung während des ERP-Betriebes: Mit zunehmender Größe des ERPDienstleisters nimmt die Zufriedenheit mit dem Account Manager und der Hotline deutlich ab. In beiden Fällen leiden offensichtlich sowohl die Erreichbarkeit als auch die Fähigkeit, dem Kunden bei einem Problem sofort eine Lösung zu bieten. Mit derartigen Problemen müssen sich die kleineren und mittleren Softwareanbieter weniger herumschlagen. Hier ist der Account Manager oft identisch mit dem Projektleiter, der die ERP-Einführung verantwortet hat. Und nicht selten ist er gleichzeitig auch der Geschäftsführer oder Inhaber des Unternehmens und als solcher mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten ausgestattet. Die Hotline besteht in diesen Fällen oft aus der Mobiltelefonnummer des Account Managers. Er kann aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse über die Aufgabenstellung beim Kunden und des engen Informationsaustauschs auf der Anbieterseite meist sehr schnell und kompetent Hilfestellung leisten. Da ERP-Anwendungen zumeist geschäftskritische Infrastrukturen darstellen, wissen gerade mittelständische Anwender derartige Qualitäten zu schätzen - Qualitäten, die bei größeren Dienstleistern vermisst werden. So klagt der EDV-Leiter eines mittleren Unternehmens: „Mit dem starken Wachstum unseres ERP-Lieferanten hat sich in den letzten Jahren die Betreuung deutlich verschlechtert.“ Nicht umsonst legen Mittelständler bei der Auswahl ihres ERP-Dienstleisters großen Wert darauf, dass sie sich mit dem ERPLieferanten „auf Augenhöhe“ bewegen. Auf diese Weise möchten sie sicherstellen, dass ihre Belange ernst genommen und sie nicht auf den Status einer „anonymen Kundenummer“ reduziert werden.

Dieses Phänomen machen sich auch die Branchenspezialisten unter den ERP-Anbietern zunutze. Da sie sich in der Regel in einer Marktnische bewegen, zählen sie meist zu den kleineren Anbietern. Gleichzeitig verfügen sie aufgrund relativ homogener Kundenanforderungen über ein Softwarepaket, das ohne allzu große Anpassungen auf die Belange des einzelnen Kunden zugeschnitten werden kann. Und schließlich kennen die Mitarbeiter des Anbieters aus einer Vielzahl von Projekten die Besonderheiten der jeweiligen Branche und sprechen deren Sprache. Im Rahmen der Zufriedenheitsstudie lobt denn auch der EDV-Leiter eines mittelständischen Maschinenbauers seine ERP-Lösung mit den Worten: „Vom Maschinenbauer für den Maschinenbau“. Diese Ergebnisse der Zufriedenheitsstudie legen den Schluss nahe, dass große ERP-Anbieter im Mittelstand grundsätzlich schlechte Karten haben. Sie verfügen zwar über die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen, um ihre Software auf dem neuesten Stand zu halten und ihre Kunden auch auf der internationalen Ebene zu unterstützen. Aber scheinbar schaffen sie es nicht in gleichem Maße, den Anforderungen des Mittelstandes sowie den Besonderheiten einzelner Branchen gerecht zu werden.

SAP: Partner besser

Da nun aber der Mittelstand als der Wachstumsbereich im ERP-Markt schlechthin gilt, versuchen große ERP-Anbieter, ihre Stärken mit mehr Kundennähe zu kombinieren. Das entsprechende Zauberwort heißt „Partnernetzwerk“. Ob SAP, Microsoft oder Semiramis, derzeit findet ein Wettrennen um leistungsstarke und etablierte Vertriebspartner statt, die nachweislich über einen guten Marktzugang verfügen. Und das Konzept scheint insgesamt aufzugehen: So schneiden SAP-Partner wie die All for One AG, die Itelligence AG oder die SAP-Tochter Steeb GmbH bei der Zufriedenheitsanalyse insgesamt deutlich besser ab als das Stammhaus des Softwarekonzerns - das ohnehin nur den gehobenen Mittelstand direkt bedient. Als klassischer Lösungsanbieter für den Mittelstand verfolgt Microsoft diese Strategie noch konsequenter und verzichtet ganz darauf, selbst Projekte zu betreuen.

Große Qualitätsunterschiede

Die Zufriedenheitsanalyse offenbart eine zusätzliche Herausforderung für die großen ERP-Hersteller: die Qualitätssicherung in der Partnerorganisation. Das zeigen die relativ großen Unterschiede in der Zufriedenheit mit unterschiedlichen Partnern desselben Anbieters. Offenbar haben die Hersteller Probleme, ein umfassendes Partnernetzwerk angesichts der schnellen technologischen Entwicklung immer up to date zu halten. Außerdem bestehen einige grundsätzliche Interessenskonflikte zwischen dem ERP-Hersteller und seinen Vertriebspartnern: Während der Vertriebspartner bestrebt sein muss, die Anforderungen seiner jeweiligen Klientel möglichst tief in der Softwareplattform zu verankern, ist dem ERP-Hersteller aus wirtschaftlichen Gründen an einer möglichst weitgehenden Standardisierung der Software gelegen. Ähnliches gilt für die Release-Politik: Während ein Vertriebspartner geneigt ist, sich bei Updates und Release-Wechseln vorrangig an den Interessen seiner Kunden zu orientieren, muss der ERPHersteller eine relativ stringente Vorgehensweise wählen.