Digitales Vertrags-Management

Wie funktioniert die digitale Vertragsakte?

22.11.2012
Von Martina Fitsch
Die Geschäftsbeziehungen werden immer komplexer, und die Compliance-Anforderungen steigen. Digitales Vertrags-Management macht hier manches einfacher.
Foto: Falko Matte, Fotolia.com

Ohne eine detaillierte und ganzheitliche Übersicht über alle Unternehmensverträge ist Compliance unmöglich. Doch genau diese Gesamtschau wird immer schwieriger - zumindest ohne ein Hilfsmittel wie das digitale Vertrags-Management. Aber wie funktioniert das? Hier sind ein paar Fakten, die Sie kennen sollten.

Warum Vertrags-Management?

Zu Zeiten der Buddenbrooks wurden abgeschlossene Verträge von dienstbaren Geistern sorgfältig geordnet, abgelegt und selbstverständlich auch wiedergefunden. Im Gegensatz dazu müssen heute selbst Topmanager häufig ihre eigenen E-Mails tippen und ihre Dokumentenablage eigenhändig organisieren.

So befinden sich Verträge und andere rechtsverbindliche Dokumente vielleicht in einem E-Mail-Postfach oder auf dem Stapel in der Ablage oder auch ordentlich abgelegt im persönlichen Aktenschrank. Andere kommen an diese Unterlagen nur schwer heran, was ja im Augenblick auch sinnvoll ist. Wenn aber eines Tages der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt oder auch nur die Abteilung wechselt, dann geht das in der Ablage enthaltene Wissen oft verloren.

Die Verträge werden immer komplexer

Zudem sind heute viel mehr Verträge zu verwalten als früher. Anstatt einen gründlich verhandelten, langfristigen Vertrag mit einem festen Lieferanten abzuschließen, vergeben Unternehmen heute oft viele kleine Aufträge an den günstigsten Anbieter. Insbesondere bei Lieferantenbeziehungen gilt es, die Verträge permanent nachzujustieren und an aktuelle Gegebenheiten anzupassen.

Aus rechtlicher Sicht ist die gestiegene Flexibilität kritisch zu sehen. Manche Vereinbarung wurde mit der heißen Nadel gestrickt und könnte juristische Fallstricke enthalten. Um trotzdem auf allen Ebenen den Überblick zu bewahren, hilft am ehesten eine lückenlose Dokumentation in Form einer digitalen Vertragsakte.

Die Zügel gehören in eine Hand

Neben Versionierung und Stellvertreterregelungen bietet die digitale Akte auch Reporting und Compliance-Prüfung.
Neben Versionierung und Stellvertreterregelungen bietet die digitale Akte auch Reporting und Compliance-Prüfung.
Foto: Iqdoq

Dafür, wie Verträge zu handhaben sind, wird in der Regel die Rechtsabteilung zuständig sein. Sie eignet sich als zentrale Anlaufstelle auch, weil sie den Gesamt-überblick über das Unternehmen hat.

In manchen Firmen übernimmt diese Aufgabe aber eine Organisationsabteilung. Gelegentlich wird das Vertrags-Management auch im Einkauf oder einer anderen Fachabteilung angesiedelt sein. Wichtig ist dabei, dass die Einheit, die letztendlich für das unternehmensweite Vertrags-Management verantwortlich ist, nicht nur die eigenen Verträge im Blick hat.

Jeder hat eigene Anforderungen

Schließlich hat jede Unternehmenseinheit und jeder Bereich eigene, besondere Verträge. Die Buchhaltung beispielsweise schließt Steuerberatungs-, die IT-Abteilung Wartungsverträge.

Wer eine verbindliche digitale Vertragsakte einführen will, muss also von Anfang an gründlich darüber nachdenken, welche Verträge wie verwaltet werden sollen. Um zu Beginn eines Einführungsprojekts den Bedarf festzustellen, hat sich die "Checkliste zur Bedarfserhebung" bewährt.

Checkliste zur Bedarfserhebung

Vor der Einführung einer digitalen Vertragsakte empfiehlt es sich, jeden Unternehmensbereich einzeln zu durchforsten, um einen Überblick über die Anforderungen an das Vertrags-Management und die zu beschaffende Software zu erhalten. Dabei sind die folgenden Fragen zu stellen:

  • Welche Verträge werden von dem jeweiligen Bereich geschlossen beziehungsweise verwaltet?

  • Wie viele Verträge sind derzeit (ungefähr) gültig, müssen also gegebenenfalls berücksichtigt werden?

  • Wie viele Mitarbeiter werden in dem Bereich voraussichtlich mit der Lösung arbeiten?

  • In welcher Form beziehungsweise Art werden die Verträge geschlossen?

  • Benötigt der Bereich Reports aus der Vertragsaktenlösung? Wenn ja, welche?

  • Sind Schnittstellen zu anderen, bereits vorhandenen Systemen erforderlich?

  • Ist es nötig oder sinnvoll, bestehende Daten aus anderen Systemen zu übernehmen? Wenn ja, welche und aus welchen Systemen?

  • Welche Informationen aus den Verträgen sollen erfasst werden?

  • Wie muss die elektronische Vertragsakte gestaltet sein?

  • Wer wird berechtigt sein, die Verträge zu lesen beziehungsweise zu bearbeiten? Gibt es in dem Bereich besonders vertrauliche Verträge?

  • Welche Vertragserstellungsprozesse gibt es, und welche sollen im Rahmen der elektronischen Vertragsakte umgesetzt werden? Welche anderen Bereiche sind hier involviert?

  • Ist eine Verknüpfung von Verträgen erforderlich? Gibt es Verträge, die zu anderen Verträgen in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen - bereichsintern oder -übergreifend?

  • Werden im Arbeitsalltag Musterverträge und Textbausteine für die Vertragserstellung verwendet?

  • Inwieweit ist die Integration von automatisierten Bestell- und Rechnungslegungsprozessen in diesem Bereich erforderlich?

Nicht ohne ein Doku-Management

Als Rückgrat einer digitalen Vertragsakte dient idealerweise ein erweitertes Dokumenten-Management-System, das alle Vertragsunterlagen, ergänzenden Dokumente, Vertragspartner und Vertragsobjekte revisionssicher verwaltet. Damit stehen allen Beteiligten die von ihnen benötigten Informationen auf Knopfdruck und standortunabhängig - also notfalls auch mobil - zur Verfügung.

Maxime Sierig ist Director Law bei Eckes-Granini
Maxime Sierig ist Director Law bei Eckes-Granini
Foto: Sierig/Eckes-Granini

"Alle Verträge jederzeit im Überblick zu haben ist für uns ein unschätzbarer Vorteil", bekräftigt Maxime Sierig, Director Law bei der Eckes-Granini Group. Aus diesem Grund setzt das Unternehmen schon länger auf eine elektronische Vertragsakte. Es hatte sich für "Iqdoq" entschieden, bereits die dritte Softwaregeneration ist im Einsatz.

"Wir verwalten die Verträge nicht nur, sondern wir halten sie vollständig aus der Vertragsakte abrufbar", erläutert Sierig, "das bedeutet eine erhebliche Arbeitserleichterung." Der zuständige Mitarbeiter werde rechtzeitig vor Fristablauf benachrichtigt. Dass er direkt auf die relevanten Dokumente zugreifen könne, spare nicht nur Zeit, sondern schaffe auch "die Sicherheit, nichts zu übersehen".

Kooperation braucht Workflows

Rechtsanwältin Martina Flitsch: "Die Vollständigkeit der Information entscheidet."
Rechtsanwältin Martina Flitsch: "Die Vollständigkeit der Information entscheidet."
Foto: Jarolim Flitsch Rechtsanwälte

Darüber hinaus kann digitales Vertrags-Management auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen stützen. Übergreifende Workflows reichen von der Vertragserstellung mit der Verwaltung von Vorlagen über Prüf- und Freigabeprozesse bis zur Vertragsverlängerung oder Kündigung.

Mit Hilfe der vorher definierten Abläufe erfolgen etwa Abstimmung und Freigabe der Verträge zwischen Fachabteilung, Rechts- und Vertragsabteilung sowie Management elektronisch. Vertragsakten können auf diese Weise bei Bedarf auch für externe Beteiligte verfügbar gemacht werden, beispielsweise in einem Streitfall für externe Prozessanwälte.

Ganz oder gar nicht

Entscheidend für das Funktionieren eines Vertrags-Managements ist in jedem Fall die Vollständigkeit der Information. Das demonstriert ein Fall aus der Praxis: Im Vorfeld eines Grundstücksverkaufs hatte das Unternehmen jahrelang verhandelt, alle Mietverträge waren gekündigt, und das auf dem Grundstück befindliche Gebäude sollte vor der Übergabe abgerissen werden. Nur durch einen Zufall fiel dann in allerletzter Minute auf, dass der auf dem Dach befindliche Funkmast noch in Betrieb war. Der Vertrag mit dem Mobilfunkbetreiber sah bei einem Ausfall des Funkmasts eine hohe Vertragsstrafe vor. Das wäre beinahe schlicht übersehen worden. (qua)