Kein Nachfolger in Sicht

Wie Familien ihre Unternehmen retten

15.04.2020
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Der Chef will sich zur Ruhe setzen, doch im Familienbetrieb findet sich kein Nachfolger. Wie die Übergabe trotzdem gelingt, erklärt Christian Futterlieb im Interview.
Von jährlich rund 60.000 Familienunternehmen in Nachfolgesituation bleibt nur knapp die Hälfte in familiärer Führungshand.
Von jährlich rund 60.000 Familienunternehmen in Nachfolgesituation bleibt nur knapp die Hälfte in familiärer Führungshand.
Foto: ShutterOK - shutterstock.com

Herr Futterlieb, jeder fünfte der rund 236.000 Unternehmer, die heuer oder im kommenden Jahr eine Nachfolge benötigen, geht laut KfW-Mittelstandspanel davon aus, den Betrieb schließen zu müssen, weil es keinen geeigneten Nachfolger gibt. Das gilt für Industrieunternehmen ebenso wie für die IT-Branche. Warum ist die Nachfolgeplanung aus Sicht der VR Equitypartner ein Kapitel, das viele Unternehmer lieber nicht aufschlagen?

Futterlieb: Die Frage nach der eigenen Nachfolge ist meist emotional aufgeladen und häufig ihre Beantwortung nicht einfach. Es kann schlicht die eigene Lust am Unternehmertum sein, die Geschäftsführer bis ins hohe Alter hinein das Thema immer weiter in die Zukunft schieben lässt, oder die mangelnde Perspektive, weil der Nachwuchs zu jung oder unqualifiziert erscheint. Manchmal haben die eigenen Sprösslinge kein Interesse an Software oder IT und eigene Pläne. Dann wird das unangenehme Thema in die Zukunft verdrängt, und die Uhr beginnt zu ticken. Dabei zeigen prominente Fälle immer wieder: Eine Revision der Nachfolgeentscheidung schadet Unternehmen und allen Betroffenen und reißt im schlimmsten Fall ganze Familien sowie Betriebe auseinander.

Die Senior-Chefs tun sich also schwer damit, ihr Lebenswerk loszulassen und das Ruder zu übergeben.

Futterlieb: Ja, das ist natürlich völlig verständlich. Ein interessantes - und in der Praxis problematisches - Phänomen ist, dass sich viele Unternehmer ein Abbild ihrer selbst als Nachfolger wünschen. Das kommt vor allem in Familienbetrieben vor. Man darf jedoch die Realität nicht aus den Augen verlieren. Von alljährlich rund 60.000 Familienunternehmen in Nachfolgesituation bleibt nur knapp die Hälfte in familiärer Führungshand. In den meisten Fällen müssen Firmen und Unternehmer völlig unvorbereitet auf Suche gehen. Und je länger sich der Chef Zeit lässt, umso kniffliger wird es.

Futterlieb: Die Nachfolgeplanung sollte im Idealfall natürlich frühzeitig und mit all ihren Facetten und unterschiedlichen Dimensionen ins Visier genommen werden.
Futterlieb: Die Nachfolgeplanung sollte im Idealfall natürlich frühzeitig und mit all ihren Facetten und unterschiedlichen Dimensionen ins Visier genommen werden.
Foto: Futterlieb - VR Equitypartner

Software- und IT-Markt boomen. Müssten die Wettbewerber und Investoren nicht Schlange stehen?

Futterlieb: Hier gab es in den letzten Jahren einen Wandel. Früher wurde die IT-Branche von Banken als "risikobehaftet" eingestuft. Heute hat sich ein breites Spektrum an Investoren auf IT-Unternehmen spezialisiert und kauft sich vermehrt mit starkem Branchenfokus in die Software- und IT-Dienstleisterbranche ein. Das ist natürlich der Digitalisierung sowie der Schwerpunktverschiebung weg vom traditionellen, industriellen Sektor geschuldet. Gegen den Verkauf an einen Wettbewerber spricht häufig, dass der Gründer sein Lebenswerk unabhängig fortgesetzt sehen möchte.

Trotzdem bleibt die Nachfolge schwierig?

Futterlieb: Ja, aber aus anderen Gründen: Potenzielle Käufer und Interessenten werden oft von den häufig auf den Senior zugeschnittenen Strukturen im Unternehmen abgeschreckt oder nehmen deshalb hohe Bewertungsabschläge vor. Manchmal fehlt auch eine starke zweite Führungsebene oder blieben grundlegende Modernisierungen im Geschäftsmodell viel zu lange aus. Oft wurden auch dringend notwendige Investitionen über die Jahre verschleppt. Hinzu kommen dann die Kunden und Lieferanten, die oft am bisherigen Geschäftsführer hängen - und das Zahlenwerk des Unternehmens versteht außer ihm niemand so genau. Ein weiteres Problem ist, dass gerade dem IT-Unternehmer selbst häufig an Einsicht und objektiver Distanz fehlt, um Schwächen seines jahrzehntelang erfolgreichen Unternehmens zu erkennen. Bei derart strukturierten Unternehmen sind potentiellen Käufern die Risiken häufig zu groß.

Wie lassen sich solche kritischen Situationen meistern?

Futterlieb: Die Nachfolgeplanung sollte im Idealfall natürlich frühzeitig und mit all ihren Facetten und unterschiedlichen Dimensionen ins Visier genommen werden. Für das Unternehmen bedeutet das, alle unternehmerischen und gesellschaftsrechtlichen Aspekte rechtzeitig zu koordinieren und den Betrieb organisatorisch auf die Umstellung vorzubereiten, damit kein Entscheidungsvakuum entsteht. Bestandteil der Überlegungen sollte deshalb nicht zuletzt sein, wie ein möglicher Verkaufserlös angelegt werden kann. Aber auch für den Seniorchef sollte eine Rolle gefunden werden, mit der er selbst und seine Nachfolger zufrieden sind. Banken oder Beteiligungsgesellschaften bieten unterstützend häufig maßgeschneiderte Nachfolgekonzepte an.

Wie gehen Sie da typischerweise vor?

Futterlieb: Bei VR Equitypartner haben wir ein Konzept entwickelt, um gezielt auch in Unternehmen mit nicht vorbereiteter Nachfolgesituation investieren zu können. Dabei versuchen wir bewusst, die vorhandenen Stärken des Futterlieb mit unserem Know-how in Sachen Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen im Sinne aller zu verbinden. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten, etwa den Wechsel des früheren Inhabers in einen neuen Beirat, eine Minderheitsbeteiligung von uns in Kombination mit einer Mehrheitsbeteiligung durch eine branchenerfahrene Persönlichkeit. So unterschiedlich jede einzelne nicht vorbereitete Nachfolgesituation auch ist, so lassen sich mit einem strukturierten Ansatz die Schwachstellen beseitigen, um das Unternehmen nachfolgefähig zu machen.

Nach der Beteiligung folgt das Nachfolgekonzept, das die Steuerungs- und ControllingMitarbeiter und deren Ideen auch nach dem Wechsel an Bord bleiben.

Sie haben schon zahlreiche Nachfolgesituationen begleitet. Können Sie von einem Beispiel im IT-Bereich berichten?

Futterlieb: Beim familiengeführten IT-Beratungs- und Engineering-Unternehmen Informatik Consulting Systems AG (ICS) aus Stuttgart etwa haben wir vor einem Jahr im Rahmen einer Nachfolgeregelung eine Minderheitsbeteiligung erworben. Das Management hat sich signifikant beteiligt. Bei der gemeinsamen Wachstumsstrategie sind wir auf gutem Weg - etwa im Ausbau von Serviceangebot und Fachkräften sowie der Anpassung der Organisationsstruktur an die zunehmende Unternehmensgröße. Auch beim Unternehmen Ostertag haben wir den Gründer und früheren Eigentümer in seiner Nachfolge unterstützt - er hält nach unserem Einstieg noch Anteile und steuert im Beirat weiter sein wertvolles Know-how bei. Gemeinsam haben wir einen versierten neuen Geschäftsführer gesucht und gefunden, der auch kulturell perfekt passt.