Bundestagswahl 2017

Wie digital ist der deutsche Wahlkampf?

Kommentar  18.09.2017
Von 


Ismail ist Regional Vice President bei AppDynamics und lebt in Stuttgart. Er startete seine berufliche Laufbahn bei der Parametric Technology Corporation und arbeitete unter anderem bei Ariba, i2 Technologies und IBM, wo er als Sales Manager für Information Platform & Solutions tätig war. Anschließend führte ihn sein Weg von BladeLogic Deutschland und Crossbeam Systems als Managing Director zu BMC, bevor er 2013 den Posten des Sales Director bei AppDynamics übernahm.
Auf welche digitalen Technologien setzen deutsche Politiker und Parteien im Bundestagswahlkampf? Wie nutzen sie diese? Und: Kann die deutsche Politik den digitalen Vorreitern aus anderen Ländern das Wasser reichen?

Während die Kandidaten in anderen Ländern schon seit Jahren um jeden Like kämpfen, fand der deutsche Bundestagswahlkampf im Jahr 2013 noch weitgehend außerhalb des Internets statt. Zwar bespielten auch schon damals viele Politiker und Parteien offizielle Social-Media-Kanäle - die wenigsten Aktivitäten folgten dabei allerdings einer erkennbaren Strategie. "Das Internet ist für uns alle Neuland", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Hochphase des damaligen Wahlkampfs einem überraschten Publikum. Mittlerweile ist es gelungen, zumindest Teile des "Neulands" zu erschließen: So gut wie jeder Politiker nutzt heute Twitter oder Facebook, ausnahmslos alle Parteien sind dort präsent - und beweisen - des Öfteren - ein wachsendes Maß an Professionalität.

Wie digital sind deutsche Politiker und ihre Parteien?
Wie digital sind deutsche Politiker und ihre Parteien?
Foto: Koelnmesse

Gleich mehrere deutsche Parteien erheben den Anspruch, eine höhere Digitalkompetenz zu besitzen als die Konkurrenz. Wie viel digitale Expertise bei ihnen aber tatsächlich vorhanden ist, dafür scheint der Technologie-Einsatz im Wahlkampf ein guter Indikator. Konnte die deutsche Politik in dieser Disziplin mittlerweile zu Vorreitern - etwa in den Vereinigten Staaten - aufschließen? Oder mangelt es ihr nach wie vor an technologischer Innovationsfreude? Eine Bestandsaufnahme.

Lesen Sie zum Thema Bundestagswahl auch:

Die digitalisierte Bundestagswahl?

Dass im aktuellen Bundestagswahlkampf alle Parteien in den sozialen Medien aktiv sind, sollte nicht überhöht werden - denn das sind mittlerweile auch so gut wie alle Bäckereien und Friseurbetriebe. Wahre Digitalkompetenz zeigt sich beim Einsatz von Technologien, die wenigstens noch ein Hauch von Innovation umweht.

Und in diesem Bereich fehlt es der deutschen Politik eindeutig an Mut: So hat etwa die CSU einen Chatbot namens "Leo" entwickelt, der den Usern Fragen über politische Themen beantworten soll. Anstatt auf künstliche Intelligenz setzt die Partei aber auf einen vorgefertigten Katalog aus Antworten. Zu groß scheint die Angst vor einem Chatbot-Debakel, wie es Microsoft im letzten Herbst mit "Tay" durchlebte.

Beeindruckender sind da noch die sogenannten "Klinkenputzer"-Apps, die CDU, SPD und weitere deutsche Parteien für den Tür-zu-Tür-Wahlkampf einsetzen. Die aus Frankreich und den Vereinigten Staaten bekannten Tools helfen den Wahlkämpfern, Straßen oder Nachbarschaften mit großem Wählerpotenzial zu identifizieren und die in den Gesprächen gesammelten Informationen an die Parteizentrale zu schicken, wo eine systematische Auswertung vorgenommen werden kann. Das ist nicht viel, aber immerhin ein Anfang.

Was prinzipiell möglich wäre, zeigt ein Blick nach Frankreich: Dort setzte der amtierende Präsident Emmanuel Macron im Wahlkampf um das Präsidentenamt auf Big-Data-Analysen - unter anderem für die Ausarbeitung seines politischen Programms. Ein spektakulärer Coup gelang auch dem linkssozialistischen Kandidaten Jean-Luc Mélenchon: Er setzte auf Augmented Reality in Form eines holografischen Abbildes seiner eigenen Person. Während er selbst in Lyon zu seinen Anhängern sprach, stand sein Hologramm zeitgleich im Pariser Vorort Aubervilliers auf der Bühne. Auf diese Weise erreichte Mélenchon an einem einzigen Abend rund 18.000 Menschen. Überdies brachte ihm die Live-Übertragung des Spektakels in den sozialen Medien zusätzliche Aufmerksamkeit ein - der Hashtag #JLMHologramme schaffte es weltweit auf Platz Eins der Twitter-Trends.