Wie die DEVK ihren Datenschatz hob

26.03.2007
Von Rolf Bastian
Die Versicherungsgesellschaft musste ihre unterschiedlichen Datenbestände intelligent verknüpfen, um Direkt-Mailings effizienter vornehmen zu können. Sie entschied sich für eine einfache, schlanke Lösung.

Um auf aktuelle Marktentwicklungen schnell und mit individuellen Angeboten reagieren zu können, sind Direkt-Mailings oft das Mittel der Wahl. Rund 1,5 Millionen Briefe pro Jahr verschickt allein das zentrale Direkt-Marketing des Kölner Versicherungsunternehmens DEVK. Hinzu kommen vielfältige dezentrale Aktionen der 19 Regionaldirektionen und der Kooperationspartner. Bei Letzteren handelt es sich um Institutionen und Vereine wie zum Beispiel die Bahn-BKK, den Automobilclub ACV, Sparda-Banken etc. Sie bieten ihren Mitgliedern beziehungsweise Kunden DEVK-Produkte an, teilweise zu besonderen Tarifen. Cross- und Upselling in der bestehenden Kundenbasis sind wichtige Vertriebsstrategien der DEVK.

Begrüßt die schnellere Reaktionsfähigkeit: Johannes Hübner, Leiter des Unternehmensbereichs Direkt-Marketing.
Begrüßt die schnellere Reaktionsfähigkeit: Johannes Hübner, Leiter des Unternehmensbereichs Direkt-Marketing.

Dabei kommt es darauf an, Kunden möglichst individuell anzusprechen und Streuverluste zu vermeiden. Zum einen aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch um einzelne Kunden nicht mit Briefen zu überfrachten. Eine Voraussetzung für Effizienz und Erfolg des Direkt-Marketings ist es deshalb, sich an kleinere Gruppen aus Kunden zu wenden, die eine bestimmte Kombination ausgewählter Merkmale aufweisen.

Fragmentierte, heterogene Datenbasis

Die DEVK besitzt einen enormen "Datenschatz" für eine individuelle Kundenansprache. Er war jedoch in der Vergangenheit nur mühsam oder gar nicht zu heben. Die zahlreichen Auswahlkriterien sind in verschiedenen Datenquellen verstreut. Sie zu kombinieren erforderte einen hohen Aufwand.

Die Daten aus Sparten wie Lebens-, Kranken-, Kfz-, Hausrat- und Haftpflichtversicherung werden in spezifischen Datenbanken (IMS, DB2 und Oracle) verwaltet. Personen- und Adressdaten befinden sich in der Partnerdatenbank, in der auch Beziehungen der Personen untereinander sowie mit befreundeten Unternehmen, Institutionen, Rechtsanwälten, Ärzten etc. dokumentiert sind.

"Da die DEVK noch kein Data Warehouse besitzt, war eine Kombination unterschiedlicher Informationen aus den operativen Datenbanken nur mit Zeitverzögerung und hohem Programmieraufwand möglich. Oft waren die Ergebnisse unbefriedigend", berichtet Bruno Küpper, verantwortlich für Kommunikationstechnik im Bereich Zentrales Direktmarketing der DEVK.

Dispositive Datenbank für Direkt-Mailings

Die Verantwortlichen entschieden sich deshalb Anfang des neuen Jahrtausends, die notwendigen Daten in einem eigenen dispositiven System in Verantwortung des Bereichs Direkt-Marketing zusammenzuführen. Hierher werden die notwendigen Informationen aus den verschiedenen operativen Datenhaltungssystemen repliziert.

Der Datenabgleich ist schneller und effizienter geworden, berichtet Bruno Küpper, der das DEVK-Projekt begleitet hat.
Der Datenabgleich ist schneller und effizienter geworden, berichtet Bruno Küpper, der das DEVK-Projekt begleitet hat.

Die neue Plattform musste mehrere Voraussetzungen erfüllen, so Küpper. Enorme Datenbestände mussten schnell geladen, aktualisiert und analysiert werden können. Sie sollten zudem auf einer Workstation betrieben werden können und leicht zu administrieren sein, da die gesamte Verwaltung im Fachbereich stattfinden sollte. Damit schieden transaktionsbasierende Systeme aus. "Für komplexe Abfragen mit Massendaten ist ein herkömmliches relationales System nicht geeignet, da es zu großen Performance-Problemen kommt", stellt Küpper fest.

Das Projektteam entschied sich deshalb für Sybase IQ. Dabei handelt es sich um eine auf die Analyse großer Datenmengen zugeschnittene Datenbank. Durch vertikale Partitionierung werden die Daten nicht in Zeilen, sondern in Spalten organisiert. Jedes Feld kann direkt als Abfrageschlüssel dienen; deshalb müssen keine traditionellen Indizes definiert werden. Bei Abfragen wird nicht die gesamte Zeile, sondern nur noch der ausgewählte Wert in der entsprechenden Spalte gelesen. Die zu verarbeitenden Datenmengen werden so verringert und die Zahl der I/O-Operationen wird um bis zu 90 Prozent reduziert.

Die DEVK

Die 1886 gegründeten DEVK Versicherungen mit Hauptsitz in Köln betreuen heute mehr als vier Millionen Kunden mit elf Millionen Verträgen. Dafür werden rund 3000 Mitarbeiter im Innen- und 2000 hauptberufliche Mitarbeiter im Außendienst beschäftigt. Durch Kooperationen mit Partnern wie etwa den Sparda-Banken und dem Automobil-Club Verkehr Bundesrepublik Deutschland (ACV) erschließt sich das Unternehmen weitere Vertriebswege. Im Jahr 2005 erzielte es so eine Beitragssumme von über zwei Milliarden Euro.

Die Datenbank wurde zunächst auf einer einfachen Workstation installiert. Als später weitere User hinzukamen, wurde sie auf eine Dual-Core-Prozessor-Maschine portiert. Damit hat der Bereich Direkt-Marketing unmittelbaren Zugriff auf folgenden Informationsbestand:

  • 7,7 Millionen Adressdatensätze,

  • 29 Millionen Bestandsdatensätze,

  • zehn Millionen Personendatensätze,

  • zehn Millionen Verknüpfungen von Kunden zu Außendienstmitarbeitern,

  • 41 Millionen Partnerbeziehungen (zum Beispiel in der Sparte Leben: Versicherungsnehmer, versicherte Person, bezugsberechtigte Person etc.),

  • zwei Millionen Partnerreferenzen (wie Arbeitgeber von...., Vater von..., Mutter von..., Kind von... - was etwa für den Kfz-Familienrabatt relevant ist),

  • zwei Millionen Kfz-Daten,

  • 1,7 Millionen Haftpflichtdaten (Risiken, Verträge, Nebenrisiken etc.),

  • 2,4 Millionen Hausratdaten,

  • 1,4 Millionen Daten zu Lebensversicherungen und

  • 1,2 Millionen Daten zu Unfallversicherungen, die wiederum dreigliedrig nach Vertrag, versicherten Personen und Risiken gestaffelt sind.

"Alles in allem ist das eine Rohdatenmenge von 12 GB, die wir hier auf dem PC speichern", erklärt Küpper. "Da die Datenbank keine Indizes nutzt, die die Datenmenge aufblähen, und da sie zudem stark komprimiert, beträgt das tatsächlich gespeicherte Volumen lediglich 7,5 GB."

Effiziente Aktualisierung und Ergänzung

Der Datenbestand wird in regelmäßigen Abständen aus den operativen Datenbanken aktualisiert - "wenn nötig täglich", berichtet Küpper. Aktualisiert wird grundsätzlich vor jeder Aussendung, damit die Briefe wirklich an die neuesten Adressen verschickt und Postrückläufer vermieden werden. Doch ist Aktualität auch aus anderen Gründen wichtig. So wird etwa bei Cross-Selling-Aktionen überprüft, ob sich der Versicherungsstatus des Kunden zwischenzeitlich geändert hat (beispielsweise Ein- oder Ausschluss von Risiken).

Bei Bedarf wird der Bestand aus den operativen Datenbanken flexibel ergänzt. "Wenn es für ein Mailing relevant ist, kann ich über Referenzen bei den Personendaten weitere Vertragsdaten problemlos einlesen", so Küpper. "Wollen wir beispielsweise allen Kunden mit Kfz-Schäden von 5000 bis 10 000 Euro ohne Vollkasko einen solchen umfassenden Schutz anbieten, übernehmen wir die zusätzlichen Daten einfach aus der Schadensdatenbank."

Für diese Flexibilität ist eine hohe Effizienz beim Laden der Daten Voraussetzung. "Wenn alle Rohdaten als Flat Files auf dem Rechner liegen, brauchen wir gerade mal eine Stunde, um alle Tabellen der Datenbank zu aktualisieren", berichtet Küpper. "Mit dem "Bulk-Load" können wir innerhalb von ein bis zwei Minuten die neuen Datensätze für eine Tabelle einlesen. Selbst bei sehr großen Tabellen mit 30 Millionen Datensätzen haben wir das in 151 Sekunden geschafft."

Flexible, schnelle Datenauswahl

Den größten Nutzen freilich hat die eigene Datenbank bei der Auswahl der Adressaten für Direkt-Mailings gebracht. Das beginnt mit dem Abgleich von Daten. Oft bittet der Außendienst um Daten für eigene, dezentrale Briefaktionen, die teilweise auch aus anderen Quellen gespeist werden. Der Zentralbereich prüft dann, ob ein Kunde eventuell schon eine solche Mail bekommen hat. Bieten Kooperationspartner ihren Mitgliedern oder Kunden Versicherungsverträge an, wird zuvor gecheckt, wer schon bei DEVK versichert ist.

Die DEVK-Zentrale in Köln
Die DEVK-Zentrale in Köln

Vor allem aber ist die Auswahl für zentrale Mailings jetzt wesentlich flexibler und effizienter. Bei Cross- und Up-Selling-Aktionen sind beispielsweise die Spartenzusammensetzung, Beruf, Familienstand und Alter des Kunden sowie andere Kriterien relevant. Aus den Spartendaten wird eruiert, welche Mitglieder der Zielgruppe das avisierte Produkt bereits besitzen, bei den verbliebenen Beständen werden dann Personen-, Adress- und Vermittlerdaten ermittelt. Sie werden dann an die beauftragte Druckerei geschickt.

Durch die neu gewonnene Performance können die für ein Mailing Verantwortlichen wesentlich flexibler entscheiden. "Nicht selten ist es das Ziel, 50 000 Briefe zu versenden, aber nach Eingabe der Kriterien erhalten wir erst einmal eine halbe Million Kunden genannt und müssen dann weiter eingrenzen", berichtet Küpper. "Mit unserer Lösung bekommen wir innerhalb von Sekunden diese verfeinerten Ergebnisse. Schon während der Besprechung mit dem Mailing-Verantwortlichen können wir die Kriterienkombination variieren und erkennen auf Knopfdruck die Trefferzahl. Auch wenn für ein geplantes Projekt erst einmal ein Mengengerüst benötigt wird, ist die Schätzung sehr einfach geworden."

Schnellere Reaktionen auf Marktentwicklungen

Johannes Hübner, Leiter des Bereichs Direkt-Marketing, unterstreicht die Wettbewerbsvorteile, die die DEVK durch die neue Datenbank gewonnen hat. "Wir können jetzt wesentlich schneller und flexibler auf den Markt reagieren. Früher musste der jeweilige Mailing-Verantwortliche vor jeder Aussendung im Bereich IT nachfragen, wer eine Selektion programmieren könne. Das war schon mal ein Riesenaufwand. Passte dann die Ergebnismenge nicht, musste das erneut gemacht werden - immer in Einzelschritten. Ein solches Vorgehen ist im Grunde ein Unding, wenn man marktnah agieren will. Heute können wir quasi sofort entscheiden."

Hübner nennt weitere Fortschritte. Der Anteil der unzustellbaren Sendungen ist aufgrund der genaueren Daten deutlich gesunken, was erhebliche Kosten einspart. Der Außendienst ist zufriedener und erfolgreicher, "denn er sieht, dass die Zahl der Fehler zurückgegangen ist und es nur noch vereinzelte Kundenbeschwerden gibt". Ziel der Mailings ist es auch, dem Außendienst neue Kontakte zu verschaffen. "Der Außendienst sieht zentrale Aktionen nicht als Konkurrenz, denn er hat verstanden, dass wir ihm Geschäft bringen. Auch die dezentralen Briefaktionen sind effizienter und erfolgreicher geworden."

Neue Nutzergruppen kommen hinzu

Mittlerweile ist die Direkt-Marketing-Datenbank auch im Netz verfügbar. In dem Fachbereich, der die Partnerdaten verwaltet, wird sie zur Kontrolle und Verbesserung der Datenqualität verwendet. Denn bei der großen Zahl an Mitarbeitern, die Partnerdaten eingeben, und einem Massengeschäft mit elf Millionen Verträgen treten immer wieder Fehler auf. Durch Kontrollabfragen und Plausibilitätsprüfungen werden diese erkannt und bereinigt. Demnächst sollen weitere Nutzer dazukommen. (hv)