Zehn Jahre iPhone

Wie das iPhone zu Schatten-IT und Enterprise Mobility führte

07.07.2017
Von  und
Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Auch wenn Apple den Anschluss zu Unternehmen nicht komplett verpasst hat – seinen Erfolg im Business verdankt es großenteils dem iPhone. Ein (etwas US-zentrischer) Blick zurück.

Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass das erste iPhone auf den Markt kam. Es war damals noch nicht ganz ausgereift, besaß aber eine neue Benutzeroberfläche, die, basierend auf einem Multi-Touch-Screen und einem virtuellen Keyboard, schon bald alles über den Haufen warf, was im Bereich Mobile Devices Rang und Namen hatte. In Verbindung mit einem Internet-Zugang und - später - einem Online-App-Store mit Business-Anwendungen, ermöglichte es Mitarbeitern, ihr Mobiltelefon als einen bequemeren tragbaren Computer einzusetzen.

iPhone im Business: Das einstige Manager-Spielzeug wurde über die Jahre geschäftstüchtig.
iPhone im Business: Das einstige Manager-Spielzeug wurde über die Jahre geschäftstüchtig.
Foto: blackzheep - shutterstock.com

Steve Palmucci erinnert sich noch gut daran, wie plötzlich iPhones bei seiner Arbeit auftauchten - und er sich sofort Sorgen über mangelnde Sicherheits-Funktionen und Business-Tauglichkeit machte. Nichtsdestotrotz: Die Mitarbeiter schienen die Geräte zu lieben und machten klar, dass sie ihre iPhones auch beruflich nutzen wollten.

"Verglichen mit Blackberry, zu dieser Zeit der Standard für sicheren mobilen Zugriff auf Unternehmensdaten, stellt das iPhone ein Risiko dar", erklärt Palmucci, damals IT-Verantwortlicher bei Sungard AS. "Außerdem war es in den USA zunächst nur über AT&T als einzigen Mobilfunkanbieter verfügbar."

Mittlerweile als CIO bei TiVo tätig, erinnert sich Palmucci, wie schnell das iPhone bei seinen Kolllegen populär wurde. "Der Grund dafür waren zu der Zeit nicht Apps, die man beruflich nutzen konnte", erklärt er. Sie liebten das Design, das Interface und den Reiz der Marke Apple."

Und er erinnert sich an die Folgen: "Als das erste iPhone 2007 in den USA auf den Markt kam, hatte dies deutliche Auswirkungen auf die Unternehmens-IT, denn das war der wahre Beginn der Konsumerisierung der IT."

Schon vorher gab es Mitarbeiter, die etwa ihre privaten WLAN-Router ins Büro mitbrachten, um so Smartphones und Tablet-PCs ans Firmennetz anzuschließen. Es waren aber vergleichsweise wenige; erst mit dem iPhone kam die Schatten-IT, bei der Mitarbeiter das Thema Technologie in die eigenen Hände nahmen, richtig in Fahrt.

"Ich glaube nicht, dass Schatten-IT vor dem iPhone ein echtes Thema war", so Gartner-Analyst Chris Silva. "Das iPhone war definitiv Schatten IT 1.0 - jeder war überrascht."

Als ein Resultat hatten die IT-Abteilungen alle Hände voll zu tun, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter nicht ihre geschäftlichen E-Mails an ihre privaten Mail-Accounts weiterleiteten, um sie auf ihren iPhones zu nutzen. Schon vor 2007 war es nicht ungewöhnlich, dass einige ihre eigenen Mobiltelefone für arbeitsbezogene Aufgaben nutzten oder sich auf das vom Arbeitgeber gestellte Blackberry verließen. Mit dem iPhone-Phänomen endeten aber über Jahre etablierte Mobile-Management-Praktiken, so Phil Hochmuth, Fachmann für Enterprise Mobility bei IDC.

Neben seinem revolutionären Touch-Interface transportierte das iPhone auch Apples Reputation, eine sicherere Plattform bereitzustellen, so Hochmuth. Dies habe dazu beigetragen, dass es zum am weitesten verbreiteten Mobilgerät in US-Unternehmen wurde. "Dabei trifft es nicht unbedingt zu, dass das iPhone sicherer ist als Android, erklärt der IDC-Analyst, "das wurde im Markt nur so wahrgenommen."

Mit viel Speicherplatz ausgestattet, sowie der Möglichkeit, sich direkt mit dem Computer zu verbinden, konnte das iPhone schon früh viele Anhänger gewinnen - die dann die IT-Abteilung baten, das Gerät zu unterstützen.

"Das iPhone brachte die Unternehmens-IT in eine missliche Lage, denn plötzlich kam jeder mit diesen Geräten an, die WLAN und Browser besaßen und fragte, ob er damit Zugriff auf seine Firmen-Mails bekommen könnte", erinnert sich Hochmuth. "Aus einer Mobile-Device-Management-Perspektive heraus gab es aber wirklich keine Möglichkeit, diese Dinger zu unterstützen."

Auf diese Weise stieß das iPhone den Wettlauf zu einer umfassenden Enterprise-Mobility-Management-Strategie (EMM) an, da Anbieter wie MobileIron oder Airwatch darin wetteiferten, das Device mit ihrer Software zu unterstützen, so Hochmuth.

Die (zweite) Geburt des Mobile Device Management

Als Adam Rykowski 2007 bei AirWatch anfing, verkaufte die Company, damals noch Wandering Wifi genannt, Software zur Verwaltung von WLAN-Netzen - nicht der damit verbundenen Devices. Wie andere Nutzer, erzählt Rykowski, habe ihn das iPhone sofort fasziniert und er kaufte sich das erste Modell für 600 Dollar.

"Wenn wir über die Konsumerisierung von IT reden - das Gerät war der Auslöser dafür", so Ryknowski, mittlerweile Vice President Product Management bei VMware AirWatch. "Mit dem Aufkommen des iPhones erkannten wir, dass die Konsumerisierung der IT die Art und Weise revolutionieren wird, wie Unternehmen Geschäfte tätigten.

Als das iPhone auf den Markt kam, fand sich AirWatch in der gleichen misslichen Lage wie viele IT-Verantwortliche in Unternehmen, nämlich erstaunt, wie schnell es den Markt veränderte. Mitarbeiter, typischerweise Führungskräfte, überfluteten die IT-Abteilung mit der Anforderung, den Empfang von Firmen-Mails auf ihren persönlichen iPhones einzurichten. Zuvor war Mobile Device Management nur für Blackberrys oder andere Ruggedized Devices von Business-Units gedacht gewesen.

Der 2007 gegründete Wettbewerber MobileIron wiederum begann mit seiner Fähigkeit zu werben, Funklöcher aufzuspüren, die zu Gesprächsabbrüchen auf dem iPhone führen konnten. Dies wurde als ein Teil von Device Management gesehen, denn Führungskräfte wollten sich sicher sein, dass sie unterwegs Mobilfunkversorgung hatten.

"Das iPhone war schwer zu unterstützen, weil der Datendurchsatz wegen der verstopften Netze nicht so überragend war", so Silva. "Bis zum iPhone 4 war die Signalstärke ein Problem. Dann kam die Sache mit 'Antennagate', wo man das iPhone auf eine bestimmte Art und Weise halten musste, um einen Anruf tätigen zu können. Das iPhone war selbst mit an den Problemen schuld."

2010 stellte Apple mit dem iPhone 4 ein neues Hardwaredesign vor, bei dem der Rahmen des Geräts als Antenne agiert. Wird es falsch gehalten, beeinträchtigt das neue Design die Signalstärke, was zu Rufabbrüchen führt. Das Problem wurde als Antennagate bekannt.

Antennagate: Das iPhone 4 hatte Empfangsprobleme wenn es "falsch gehalten" wurde.
Antennagate: Das iPhone 4 hatte Empfangsprobleme wenn es "falsch gehalten" wurde.
Foto: Apple

Das war allerdings schon ein paar Jahre später, da die Unternehmen - ohnehin vorsichtig dabei, ein Consumer-Gerät für Business-Zwecke einzusetzen - zuvor erkannt hatten, dass Apple's Smartphone nur eingeschränkte Enterprise-Fähigkeiten besaß. Um dieser Haltung entgegenzuwirken, veröffentlichte Apple 2008 ein iOS-DSK, mit dem Entwickler Apps für das Smartphone bauen konnten. Als nächster Schritt folgte der Start des App Store, wo IT-Abteilungen Software fanden, um das iPhone remote zu verwalten.

Als iOS Unterstützung für Microsoft Exchange erhielt, begann Apple damit, unternehmensspezifische Funktionen zur Plattform hinzuzufügen. "Damit wurde auch den Firmen klar, dass es nicht so schwer wird, ein Device zu managen, dass sich die Nutzer wünschen", sagte Silva. "Ich denke, man kann sagen, dass in den meisten Organisationen iOS der Grund für Investitionen in MDM und EMM war."

"Sie starteten mit einer großartigen Plattform und gaben die richtigen Enterprise-Features für (EMM-) Anbieter wie uns frei", fügte AirWatch-Manager Ryknowski hinzu. "Dann ermöglichten sie es auch noch Unternehmen, ihre eigenen In-House-Apps und eigene private App Stores zu bauen. Wir mussten schnell skalieren. Das trug stark zu unserem Wachstum bei."

Android startet zur Aufholjagd

Während es nicht lange dauerte, bis die Android-Plattform (2005 von Google übernommen) die Verfolgung des iPhones aufnahm, waren frühe Prototypen von Android-Smartphones noch mit einem physischen Keyboard wie das Blackberry ausgestattet. Erst 2008 erschien das erste Android-Smartphone mit Touch-Display, gebaut von HTC.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Apple aber bereits Einzug ins Business gehalten. Außerdem dauerte es bis Anfang 2011 und dem Release von Android 3.0 (Honeycomb), dass Mobile Device Management eingeführt wurde - und dann war es nur für Tablets verfügbar, so Silva. Erst später im Jahr wurde dann das mit MDM-Tools ausgestattete Android 4.0 für Nexus-Smartphones vorgestellt.

"Android hinkte definitive hinterher", sagte Silva. " Es war in jeder Hinsicht unmöglich, die Android-Version bis ungefähr 2011 im Business zu unterstützen. Die Organisationen dachten ohnehin nicht daran; sie versuchen nur, das iOS-Problem in den Griff zu bekommen."

Zu dieser Zeit hatten die vom Unternehmen gestellten Blackberry-Geräte noch immer einen zweistelligen Anteil im Mobile-Enterprise-Markt und waren insbesondere in Regierungskreisen in Washington äußerst beliebt. Das iPhone galt hingegen als seine Art Rückschritt im Vergleich zu Blackberry, weil es bei weitem nicht so viele Enterprise-Features unterstützte.

Mit dem Launch des Apple AppStore hatten die Mitarbeiter jedoch auf einmal Zugriff auf viele populäre Apps, einschließlich E-Mail, Gebührenabrechnung, File-Sharing und Cloud-Speicher, sowie spezielle Anwendungen für die Gesundheitsversorgung und Finanzen.

"Ich denke, das iPhone ist ein einmaliges Produkt. Es bestimmte sowohl die Produktkategorie wie auch die Technologie…, mit Touchscreens, fortschrittliche Multi-Touch-Betriebssysteme und so", erklärte IDC-Analyst Hochmuth. "Was aber Apple und ByoD wirklich voranbrachte, waren die Apps, denn Blackberries waren ebenfalls großartige Geräte. Sie waren sicher und hatten einige tolle Apps... Aber der iPhone App Store und daran anknüpfend der Google Play Store für Android erweiterten den Horizont dessen, was ein Unternehmen sich unter mobile Produktivität vorstellte."