Interview mit Markus Hägele

Wie Daimler die digitale Botschaft verbreitet

04.09.2018
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Unterstützung der Mitarbeiter statt Kontrolle

Wie viel Hierarchie ist da im Spiel, wenn Sie ausrücken? Sind Sie auch als eine Art Kontrollinstanz im Auftrag des Headquarters unterwegs?

Hägele: Wenn es um Kultur geht, also um Change, Mindset und auch die Zusammenarbeit, kontrollieren wir nicht, sondern unterstützen. Manager und Mitarbeiter stehen dem positiv gegenüber, da kommen viele Anfragen.

Hat Ihr Bereich eine beratende Funktion in Sachen neuer Technologien?

Hägele: Teilweise. Wenn es um deren Beurteilung geht oder die Folgen der Einführung, dann ja. Stehen aber konkrete Einsatzmöglichkeiten in Produktion oder Logistik im Vordergrund, dann nicht mehr. Dort sind ja die Experten, die jeden einzelnen Prozessschritt kennen.

Haben Sie nicht mitunter Schwierigkeiten, Türen zu öffnen und beispielsweise über Technologien zu reden? In einem großen Automobilkonzern gibt es ja immer viele Leute, die alles besser wissen…

Hägele: Es ist sicher gut, dass wir in den letzten Jahren schon zeigen konnten, was wir können. Aber natürlich wird es immer Menschen geben mit Vorbehalten, sei es aus Sorge oder aus Unwissenheit. Wichtig ist, dass man sich auf die jeweilige Zielgruppe vorbereitet und weiß, was sie umtreibt.

Wächst Ihre DigitalLife-Organisation noch?

Hägele: Ja sie wächst und soll auch weiterwachsen, insbesondere auch die Multiplikatoren, aber nicht um das digitale Know-how in den Fachfunktionen zu ersetzen, sondern weil sich die Welt gerade so dramatisch ändert. Nehmen Sie CASE (gemeint sind die vier zentralen Herausforderungen für den Automotive-Sektor: Connected, Autonomous, Shared und Electric, Anm.d.Red.). Jedes einzelne Element ist für sich ja schon disruptiv, aber die Kombination aus allen vieren wird nochmal viel stärkere Veränderungen bringen.

Durch künstliche Intelligenz und neue Möglichkeiten im Big-Data-/Analytics-Bereich steigen die Möglichkeiten exponentiell. Wir wollen es schaffen, dass die verschiedenen Fachbereiche definieren, welche digitalen Produkte und Services ihnen weiterhelfen und welche Prozessveränderungen damit einhergehen - wie sie also den Kundennutzen mit digitalen Technologien und Angeboten verbessern können. Trotzdem wird es immer ein Digital-Team geben müssen, das die technischen und kulturellen Entwicklungen verfolgt und ins Unternehmen hereinträgt.

Sie sind kein Chief Digital Officer und Daimler hat auch keinen CDO. Warum?

Hägele: Weil die Digitalisierung das ganze Unternehmen mit all seinen Bereichen komplett durchdringt. Jeder ist damit auch der Digitalisierungsverantwortliche für seinen Bereich. Und der oberste Digitalisierer ist Dieter Zetsche selbst. Unsere Aufgabe ist es, dabei zu unterstützen. Wir können in diesem unabhängigen Strategiebereich frei agieren. Und das ist wichtig.

Welche Rolle spielt Ihre Einheit in Abgrenzung von der klassischen IT-Organisation im Konzern? Gibt es dort Eifersüchteleien nach dem Motto: Eigentlich sind es unsere Themen, die DigitalLife nun treibt?

Hägele: Nein. Wir arbeiten in vielen Bereichen sehr gut und intensiv mit der IT und unserem CIO Jan Brecht zusammen. Wenn es zum Beispiel um Enterprise Social Network geht, arbeiten wir sowohl eng mit der IT als auch mit der Unternehmenskommunikation zusammen. Ist Künstliche Intelligenz das Thema, sind neben der IT die unterschiedlichen Fachbereiche sehr wichtig.

Mit dem HR-Bereich veranstalten wir Recruiting Events, interne Weiterbildungsaktivitäten und bieten Seminare zu spezifischen Digitalthemen an. Es gibt also immer wieder Schnittstellen zu anderen Bereichen. Es geht nicht um Abgrenzung, sondern um gemeinsames Handeln.

Reden wir über Geld. Haben Sie ein eigenes Budget? Wer finanziert die Digitalprojekte?

Hägele: Wir sind im Boot, wenn es um das Initiieren von neuen Themen oder Vorhaben mit übergreifendem Charakter geht.

Außerdem sind wir da, wenn es um innovative Trendthemen geht und gute Ideen von Mitarbeitern weiterverfolgt werden sollen. Über unsere Crowd Ideation Plattform sammeln wir dann virtuelles Geld von Unterstützern aus verschiedenen Bereichen. Vielleicht kennen Sie "Ask Mercedes", unseren digitalen Assistenten für Mercedes-Benz-Fahrer: Diese Idee entstand im Rahmen eines Open Space. Sie ist anschließend von den Mitarbeitern, die die Idee hatten, und verschiedenen Linienfunktionen vorangetrieben und schließlich umgesetzt worden.