SOA in der Automobilindustrie

Wie Daimler den PKW-Vertrieb beschleunigt

27.11.2008
Von Gunter Maag  und Dirk Gernhardt

Feste Lieferterminzusage trotz loser Kopplung

Um die Lieferzeit der Daimler-Fahrzeuge zu verkürzen, musste die nächtliche Batchabwicklung durch lose gekoppelte Online-Systeme ersetzt werden. Das führte dazu, dass alle Werke Auftragsänderungen ab diesem Zeitpunkt zeitnah online erhielten und nicht mehr nur einmal pro Nacht. Gleiches galt für die Status- und Terminrückmeldungen der Werke an den Vertrieb. Einer festen Lieferterminzusage gegenüber dem Käufer standen dabei zwei Hindernisse im Weg:

  1. Technisch existiert zwischen lose gekoppelten Systemen keine Transaktionssicherheit. Das heißt: Fehlgeschlagene Prüfungen im zweiten System können nicht mehr zur Ablehnung im ersten System führen, da dort die Transaktion schon erfolgreich beendet wurde.

  2. Fachlich kann eine optimale Produktionsreihenfolge für einen Tag und somit ein verbindlicher Liefertermin erst ermittelt werden, wenn schon genügend Aufträge für die Folgetage vorliegen. Typische Fragestellungen bei der Optimierung sind: Wie erreiche ich möglichst wenig Farbwechsel in der Lackierung oder wie mische ich komplexe und weniger komplexe Fahrzeuge, damit der Bandtakt konstant gehalten werden kann?

Aus SOA-Sicht ist die passende Antwort für das technische Problem: Entwickelt kompensierende Services. Doch eine Kompensation hätte im Falle Daimler eine Stornierung des kompletten Auftrags bedeutet und damit zu einer Lieferterminverschiebung für den Kunden geführt. Mit dem Käufer hätte ein neuer Liefertermin vereinbart werden müssen, der sich dann unter Umständen erneut verschoben hätte. Das Projektteam löste sowohl das technische als auch das fachliche Problem mit einer geschickten vertraglichen Lösung. Produktion und Vertrieb verpflichteten sich wie folgt zu verfahren: Die Produktion teilt der Ordering-Komponente freie Tagesproduktionsplätze zu, in die der Vertrieb die Aufträge bucht. Der Autokäufer erhält zugleich statt eines festen Liefertermins eine Lieferterminspanne zugesagt. Diese gilt bei der Produktionseinplanung als fest einzuhalten, wobei die Terminspanne fünf bis zehn Arbeitstage beträgt und sich von Werk zu Werk unterscheidet. Sie ist abhängig von der Komplexität des Produkts und der jeweiligen Produktionsflexibilität am Standort. Und der Spielraum von fünf bis zehn Arbeitstagen reicht in der Produktion aus, um eine optimale Produktionsreihenfolge zu bilden.

Mit dieser Lösung hält Daimler Liefertermine mit Ausnahme von Streiks oder kurzfristigen Lieferantenengpässen konstant ein. Diese Tatsache beeindruckt umso mehr, als pro Fahrzeug zur Abstimmung durchschnittlich 35 Telegramme von der Produktion an den Vertrieb und sieben vom Vertrieb an die Produktion zurück geschickt werden. Insgesamt erhalten die Werke von Daimler circa 40.000 Telegramme täglich mit Auftragsänderungen oder zusätzlichen Kundenwünschen, während die Werke an den Vertrieb etwa 200.000 Telegramme pro Tag verschicken. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um aktualisierte Einplanungstermine, die dem Vertrieb eine genauere Bestimmung des endgültigen Liefertermins erlauben - innerhalb der vereinbarten Lieferterminspanne.