Content Commerce/Beispiel: Teles European Internet Akademie (Teia)

Wie Content zu Content Commerce wird

15.06.2001
Die neue Internet-Akademie Teia, eine Tochter der Teles AG, und der Content-Anbieter Apliq, beide in Berlin ansässig, setzen auf das Geschäft mit zielgruppengerecht aufbereiteten Lerninhalten für private Kunden, aber auch für die Klientel und Mitarbeiter von Unternehmen. Von Rolf Bastian*

Wer ein Haus bauen will, kann nicht einfach in eine Baustoffhandlung gehen. Eine triviale Aussage, doch die Erkenntnis, die dahinter steht, brachte die Berliner Internet-Akademie Teia dazu, einen ausgefeilten Prozess der Content-Herstellung einzurichten.

"Anfangs dachten wir, Wissen sei ausreichend vorhanden - zum Beispiel in Vorlesungen - und könnte problemlos für unser Lernangebot im Internet genutzt werden", berichtet Hermann Messner, Teia-Vorstand für das Projektgeschäft. Jedoch erkannte man sehr schnell, dass dieser "Content" eben für einen ganz bestimmten, traditionellen Zweck entwickelt worden war - nämlich den persönlichen Vortrag eines Fachmanns vor seinem Publikum. Wechselt indes das Medium, muss auch die Aufbereitung des Contents dem neuen Medium angepasst werden.

Damit war der Berliner Anbieter von Web Learning auf ein Kernproblem der jungen Branche gestoßen: Der Begriff Content ist nicht klar definiert, und eben dieser Content ist anscheinend überall anzutreffen: in Lehrbüchern und Vorträgen, in unzähligen Internet-Seiten, in Dokumenten und Datenbanken von Unternehmen, Verbänden sowie wissenschaftlichen Einrichtungen. Doch um daraus einen Markt zu entwickeln, reicht es nicht, diese Quellen anzuzapfen und über das Internet potenziellen Interessenten in irgendeiner Form zugänglich zu machen.

Zwischen Baumaterialien und einem fertigen Haus liegt ein komplexer Herstellungsprozess, für den ganz unterschiedliche Qualifikationen notwendig sind. Auch Content kann nicht einfach in seiner Rohform auf den Markt gebracht, sondern muss für den konkreten Anwendungszweck produziert werden. Und wie in jedem Markt ist das Produkt von der Zielgruppe her zu definieren. "Nur wenn Content denen, die ihn erwerben sollen, einen konkreten Nutzen bringt, also einen Mehrwert schafft, wird er verkäuflich", betont Messner. Dazu muss er exakt auf die potenziellen Abnehmer zugeschnitten sein.

Die Kunden des Instituts sind zum einen Studenten und andere Interessierte, die eigenverantwortlich ihre Fortbildung in die Hand nehmen, zum anderen Unternehmen, die mit maßgeschneiderten Projekten, bestehend aus Präsenz- und Online-Learning, ihre Mitarbeiter oder Kunden über neue Produkte, Prozesse oder Instrumente weiterbilden wollen. "Unsere Zielgruppen unterscheiden sich in vielem voneinander: Branche, Funktion, Ausbildung und Vorwissen sowie Qualifizierungsbedarf. Nur wenn wir jeden einzelnen in die Lage versetzen, sich via Internet selbständig ein Themengebiet anzueignen, schaffen wir einen individuellen und spezifischen Mehrwert", unterstreicht Messner. "Zu Content gehört für uns deshalb alles, was diesem Ziel dient - auch die begleitenden Prozesse."

Qualität muss gesichert werden

Wie unterscheiden sich nun allgemeine Inhalte von spezifischem Content, der für diese Art des E-Learning geeignet ist? Zum einen muss es sich um gesichertes Wissen handeln. Damit scheiden schon mal freie Internet-Recherchen als Rohstoff aus. Nur verlässliche Quellen dürfen genutzt werden. Die Qualität muss systematisch gesichert werden.

Auch ist eine Internet-Lerneinheit nicht einfach ein "elektronisches Buch", sondern baut auf dem interaktiven Potenzial des Mediums auf. Das beginnt damit, dass neben Text und Grafiken auch Animationen wie beispielsweise Flashs eingebaut werden. "So werden unterschiedliche Rezeptoren angesprochen, der Stoff wird leichter verinnerlicht", erläutert Detlef A, Programm- und Projekt-Manager bei Teia.

Zu den interaktiven, didaktischen Möglichkeiten des Mediums Internet gehören auch praktische Übungen, in denen das Gelernte unter Praxisbedingungen angewandt wird, beispielsweise die Programmierung eines Stücks Code oder die Einrichtung einer SQL-Datenbank. "Wir bilden sozusagen nicht nur die "Vorlesung" ab, sondern auch das "Labor", so A.

Des Weiteren gehören dazu Serien von Verständnisfragen für die Kontrolle des Lernerfolgs und zur Einschätzung des Wissensstandes eines Studierenden, die in einem automatisierten Multiple-Choice-Verfahren unmittelbar beantwortet werden. Sie dienen der didaktischen Optimierung des Lernprozesses: Wer ein Kapitel wirklich verstanden hat, kann die Fragen zügig beantworten. So brauchen sich Fortgeschrittene nicht mehr lange mit Basiswissen zu befassen. Und sowohl der Student als auch das Institut erhalten ein klares Bild darüber, wie weit das Verständnis des angebotenen Wissens beim Studenten entwickelt ist.

Eine neue Dimension des Lernens entsteht durch die Kombination von Selbststudium am Bildschirm mit persönlicher Kommunikation. Diese reicht von der ständigen Online-Betreuung durch Tutoren bis zu kursbegleitenden Diskussionsforen und Chatrooms. Content für Web Learning muss dies von vornherein konzeptionell berücksichtigen.

Um unterschiedliche Zielgruppen individuell bedienen zu können, sind flexible Lernstrategien erforderlich. Insbesondere im Projektgeschäft werden variable Lernpfade angeboten. Mit Profilen oder Vortests können unterschiedliche Klassen mit jeweils ähnlichem Wissensstand zusammengestellt werden. Auch beim Lernen selbst bestehen Wahlmöglichkeiten. Teilnehmer werden durch den Stoff geführt, können aber auch den vorgegebenen Pfad verlassen und ein beispielsweise sehr komplexes Theme ausführlich und tief gehend abhandeln.

Wenn Content passgenau produziert werden soll, steht die Zusammenarbeit mit Content-Providern naturgemäß im Mittel-punkt der Vorbereitungen. Einer der wichtigsten Partner von Teia ist die im vergangenen Jahr gegründete Berliner Firma Apliq. "Wir entwickeln in erster Linie den Content für IT-Themen, für die wir selbst Kompetenz besitzen", umreißt Geschäftsführer Carsten Pasternack die Aufgaben seines mittlerweile 15 Mitarbeiter starken Teams. "Texte von Drittautoren - etwa Juristen zum Thema Vertragsrecht im Internet - bereiten wir für das Online-Medium auf, arbeiten also auch als Content-Factory. Drittens sind wir auch Berater unserer Kunden." So wurde etwa auf Empfehlung von Apliq ein Kurs über die derzeit im Trend liegende serverseitige Scriptsprache PHP aufgenommen.

Der Produktionsprozess eines derart facettenreichen Produkts wie Content ist von vielschichtigen Kooperationen geprägt. Um die inhaltliche und didaktische Qualität sicherzustellen, ist in allen Phasen ein Wechselspiel zwischen Auftraggeber und Content-Provider notwendig.

Die Herstellung einer Qualifikationseinheit beginnt in der Regel mit der Gliederung. Ist diese genehmigt, wird das "Drehbuch" geschrieben, das neben Lernzielen und generellen Inhalten einzelner Passagen auch die jeweils zu verwendenden Mittel wie Text, Grafik, Animation und Übung definiert. Nach Abnahme dieses Drehbuches werden die Lerneinheiten in MS Word erstellt und dann in HTML umgesetzt. Sie umfassen neben den Inhalten und praktischen Übungen rund 50 Verständnisfragen für jedes der rund 14 Kapitel einer Qualifikationseinheit, drei Hausarbeiten und drei Präsenzprüfungsaufgaben, jeweils mit Lösungen, sowie das Tutorenprofil (Definition der jeweiligen fachlichen Anforderungen) und das Tutorenhandbuch. Beteiligt sind die unterschiedlichsten "geistigen Gewerke": Drehbuchschreiber, Pädagogen, Autoren, Grafiker und Multimediaspezialisten.

Ein Kurs beziehungsweise eine Qualifikationseinheit innerhalb eines Studiengangs besteht aus 14 Lerneinheiten. Den derart strukturierten Stoff soll sich ein Studierender in rund 80 Stunden aneignen, inklusive Betreuung und Hausarbeit. Um die entsprechenden Lerninhalte herzustellen, wird in etwa der achtfache, mit Visualisierungen und Tutorenhandbuch gar zehnfache Zeitaufwand benötigt. 80 Stunden Lernen bedingen also mindestens 800 Stunden Content-Produktion: Investitionen in dieser Größenordnung sind notwendig, um den Markt für diese Art des Content Commerce zu entwickeln.

Hinzu kommen noch die Leistungen des Anbieters von Web-Learning: Tutoren, Administration sowie Bereitstellen der Hardware- und Softwareumgebungen für praktische Übungen. Beispielsweise muss im SQL-Kurs eine eigene Datenbank unter professionellen Bedingungen eingerichtet werden - das geht nicht auf dem heimischen PC des Studierenden.

Zeitfenster für Updates

Kann die Content-Produktion stärker automatisiert werden, etwa durch Einsatz von Content-Management-Systemen? Nur bedingt. Allerdings können die Autoren dabei durch Prozessoptimierung unterstützt werden. Der Standard XML soll helfen, Lernobjekte durch eine differenzierte Beschreibung auf der Metaebene effizienter zu verwalten. So lassen sich beispielsweise Zeitfenster für Updates setzen und Verantwortlichkeiten für die Pflege transparenter machen. Autoren können bereits existierende Texte zum jeweiligen Thema einfacher finden und dann redaktionell weiterbearbeiten. Nutzer haben die Möglichkeit, anhand individueller Kriterien durch den Lernstoff zu navigieren.

Als Lernplattform nutzt Teia das Web-basierende Learning-Management-System Southrock LMS. Die Akademie-Studenten greifen automatisch darauf zu; im Projektgeschäft können die Unternehmenskunden entweder die Teia als Application-Service-Provider (ASP) nutzen oder aber die Plattform kaufen beziehungsweise leasen.

Jeder Inhalt kann auf dieser Plattform eingegeben und in einheitlichem HTML-Format dargestellt werden. Neben der Verknüpfung mit anderen Formaten wie etwa MS Word, Adobe Acrobat oder Flash sowie der Verwaltung verschiedener Nutzergruppen nennt Messner die einfache Pflege von Inhalten sowie das Management von Prozessen als entscheidende Features: Nur indem beispielsweise ein Studierender eine Lerneinheit überspringen kann, deren Inhalt er bereits beherrscht, ist der individuelle Ansatz umzusetzen. Wichtig ist außerdem die Offenheit der Plattform. So existieren Schnittstellen zu anderen Hardware- und Softwareumgebungen (etwa für praktische Übungen) sowie zu betriebswirtschaftlichen Systemen (etwa SAP) zur Verbuchung und Abrechnung der Leistungen.

Das Berliner Institut hat ein eigenes Billing-System entwickelt, um das spezifische wirtschaftliche Modell der Akademiekurse abzubilden. Eine einzelne "Qualifikationseinheit" besteht aus 14 Abschnitten und kostet 745 Euro. Der "Teia Bachelor of E-Business Management" weist mindestens zwölf derartige Einheiten auf. Das Besondere: Neben Mengenrabatt gibt es auch Boni für kürzere Studienzeiten. Der Gesamtpreis für diese Qualifikation kann zwischen 8580 Euro und 6705 Euro schwanken. "Wir wollen effiziente Studenten dezidiert belohnen", begründet Messner diesen Ansatz. Im Projektgeschäft werden Individualkurse in der Regel pauschal abgerechnet. Jedes Unternehmen entscheidet selbst, ob und inwieweit es diese Leistungen den Teilnehmern weiterbelastet.

Indem sie Content zielgruppengerecht herstellt und verkauft, hat die Berliner Teia die Säulen für die Entwicklung eines lohnenden Content-Commerce in ihrem Marktsegment aufgestellt.

*Rolf Bastian ist Journalist in Mainz und Berlin.

Das Unternehmen

Teia (Teles European Internet Akademie) wurde im vergangenen Jahr als Tochter der Teles AG in Berlin gegründet. Mit einem Stammkapital von zehn Millionen Mark ist sie Träger des Geschäftsbereichs Public Web Learning. Sie betreibt zum einen das Akademiegeschäft, bei dem Studierenden gegen Gebühr Kurse rund um die Themen IT, E-Business, BWL, Recht und Marketing angeboten werden. Interessenten können diese "Qualifikationseinheiten" einzeln belegen oder sie zu einem vollständigen Ausbildungsgang bündeln. Am Ende von Kursen und Ausbildungsgängen stehen eine Präsenzprüfung und die Zertifizierung des Anbieters zum "Bachelor of E-Business-Management". Zum anderen entwickelt Teia für Unternehmen individuelle Projekte zur Weiterbildung ihrer Kunden und Mitarbeiter. Dabei wird Web Learning häufig mit Präsenztraining kombiniert, das von einer weiteren Teles-Tochter, der SPC GmbH, organisiert wird. Teia beschäftigt heute rund 40 Mitarbeiter und plant für das erste Geschäftsjahr einen Umsatz von mehr als zehn Millionen Mark.