Business Report

Wie Banken mit SOA die IT modernisieren

09.05.2006
Mit Service-orientierten Architekturen (SOA) versuchen Finanzdienstleister, ihre Kernanwendungen flexibler zu gestalten.
Rund 77 Prozent der europäischen Finanzdienstleister nutzen bereits Service-orientierte Architekturen oder planen dies.
Rund 77 Prozent der europäischen Finanzdienstleister nutzen bereits Service-orientierte Architekturen oder planen dies.

CIOs in Banken und Versicherungen stecken in einem Dilemma. Kaum eine Branche ist so gravierenden Veränderungen ausgesetzt wie die der Finanzdienstleister. Und in kaum einem anderen Sektor sind die Unternehmen derart abhängig von monolithischen Altanwendungen. Einmal mehr eilen die Softwarehersteller mit einem großen Versprechen zur Hilfe: Service-orientierte Architekturen ermöglichten es, Legacy-Anwendungen zu modernisieren und so die Reaktionsfähigkeit der Konzerne zu erhöhen.

Warum Banken auf SOA setzen

• Verkürzung der Time-to-Market

Durch die Kombination von neuen und bestehenden Services lassen sich neue Produkte oder Geschäftsprozesse einfacher erstellen.

• Investitionsschutz

Eine bestehende Anwendungslandschaft kann fachlich aufgeteilt und in erneuerbare Bestandteile zerlegt werden. Dadurch lassen sich einzelne Module sukzessive ersetzen oder modernisieren.

• Kosteneinsparungen

Die Wiederverwendung von Services ermöglicht Einsparungen bei Entwicklung und Betrieb von IT-Anwendungen.

• Outsourcing von Services oder Geschäftsprozessen

Aufgrund der losen Kopplung, der Technikunabhängigkeit und der Standardisierung von Services können diese auch von Drittanbietern bezogen werden.

• Komplexitätsreduktion

Das SOA-Entwurfsprinzip der Kapselung von Implementierungsdetails hinter definierten Schnittstellen reduziert die Komplexität. Unternehmensweite IT-Landschaften lassen sich damit besser beherrschen.

• Erweiterbarkeit

Aufgrund der modularen Struktur einer SOA lassen sich zusätzliche Services ohne großen Aufwand hinzufügen.

• Standardisierung

Eine SOA fördert die Standardisierung der im Unterneh-men eingesetzten Software-Services.

• Technik- und Herstellerunabhängigkeit

Als abstraktes Architekturkonzept ist das SOA-Paradigma technikunabhängig und verringert damit auch die Abhängigkeit von Herstellern.

• Reduzierung des operationalen Risikos

Durch die Wiederverwendung standardisierter Services sinkt das Risiko von Umsatzverlusten durch fehlerhafte Frontend- oder Backend-Prozesse.

• Agilität und Flexibilität

Änderungen in der Organisationsstruktur und den Geschäftsprozessen lassen sich mit Hilfe einer SOA einfacher auf die zugrunde liegende IT-Architektur abbilden.

Quelle: E-Finance Lab e.V.

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www.computerwoche.de/

573821: SOA-Projekt der Credit Suisse;

574541: Bericht vom EAI-Forum;

572394: Wie sich SOA-Projekte rechnen.

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Neben Firmen aus dem TK-Sektor gelten Finanzdienstleister als Pioniere in Sachen SOA. Jost Hoppermann, Vice President bei Forrester Research, konstatiert gar "eine Massenbewegung in Richtung SOA". 77 Prozent der Finanzdienstleister in Europa nutzten bereits Service-orientierte Architekturen oder planten dies; 75 Prozent seien dabei, ihre Anwendungslandschaft zu modernisieren.

Neue gesetzliche Vorgaben

Banken müssen besonders häufig neue gesetzliche Vorgaben erfüllen, beispielsweise die Kreditvergaberichtlinien nach Basel II oder die Anpassung des Kontenabrufverfahrens nach Paragraph 24c des Kreditwesengesetzes (KWG). Hinzu kommt der härtere Wettbewerb: "In der Finanzdienstleistungsbranche können Produkte sehr einfach von Mitbewerbern kopiert werden", erläutert Informatik-Professor Ralf Steinmetz von der TU Darmstadt. "Deshalb ist es für die Unternehmen entscheidend, innovative Ideen schnell in marktreife Produkte umsetzen zu können."

Steinmetz leitet ein Forschungs-Cluster des E-Finance Lab, einer Kooperation der TU Darmstadt mit der Universität Frankfurt und mehreren Unternehmen aus der IT- und der Finanzbranche. Die "Verkürzung der "Time-to-Market" gehört nach seiner Einschätzung zwar zu den wichtigsten Motiven für SOA-Projekte (siehe Kasten: Warum Banken auf SOA setzen.) Doch an erster Stelle stehe für die Institute der Investitionsschutz: Legacy-Systeme ließen sich innerhalb einer SOA weiter nutzen, wenn die Funktionen aus den Altanwendungen gekapselt würden. Finanzdienstleister könnten auf diesem Weg einzelne Module sukzessive ablösen oder erneuern.

Fiducia setzt auf SOA

Zu den prominentesten Beispielen in diesem Kontext zählt die Schweizer Großbank Credit Suisse. Sie nutzt Service-orientierte Ansätze zur Erneuerung ihrer Mainframe-Applikationen. Auch die deutsche Fiducia-Gruppe, IT-Dienstleister für rund 850 Volksbanken und Raiffeisenbanken, setzt auf SOA-Konzepte. Im Rahmen des Projekts "Horizon" modernisiert das Unternehmen seine Core-Banking-Systeme, berichtet Klaus-Peter Bruns, Vorstand bei der Karlsruher Fiducia IT AG.

Die Grundlage bildet eine Java-basierende Banking Platform (JBF). Dabei handelt es sich um ein Architektur-Framework, das für Softwareentwickler verbindlich ist. Auf dieser Basis entstand eine Reihe so genannter CBX-Module, sprich bankenfachliche Softwaremodule, die mehrfach verwendet werden können. Bruns: "Die CBX-Module werden inzwischen rund 460mal in Projekten genutzt." Nach einer längeren Startphase habe sich die Wiederverwendungsrate der Services exponentiell entwickelt.

Viele Finanzdienstleister nutzen seit Jahren SOA-Ansätze, ohne es so zu nennen, beobachtet Forrester-Experte Hoppermann. "In der Vergangenheit wurden Applikationslandschaften oft zu Tode gepflegt." Mit neuen Anforderungen kamen immer mehr Funktionen hinzu, es entstand ein Flickwerk an Systemen. Veränderungen gerieten teuer und aufwändig, die Qualität ließ häufig zu wünschen übrig. Anders ausgedrückt: "Die Banken bauten Barockschlösser in der IT."

Multikanalarchitektur

Zurückhaltender äußert sich Dirk Berensmann, CIO der Postbank. "SOA ist grundsätzlich der richtige Weg". Einen ähnlichen Ansatz habe es schon mit der Objektorientierung gegeben; auch dabei standen wiederverwendbare Softwarekomponenten im Mittelpunkt. "Beim Legacy-Problem wird SOA den Banken aber nicht helfen", schränkt der ehemalige McKinsey-Berater ein. Altsysteme seien generell nicht 7 x 24 Stunden Echtzeit-fähig, begründet er seine Skepsis. "Daraus SOA-Services zu nutzen, hilft Finanzdienstleistern nicht weiter." Bankkunden forderten heute eine permanente Verfügbarkeit der Dienstleistungen, so Berensmann: "Das ist mit einem Batch-Betrieb nicht zu machen."

Dennoch setzt auch die Postbank auf SOA-Konzepte. Bei der Multikanalarchitektur des Unternehmens handele sich de facto um ein SOA-System, erläutert der IT-Vorstand. Services würden für unterschiedliche Vertriebskanäle mehrfach verwendet. Ihre Kernanwendungen hat die Postbank gemeinsam mit der SAP neu entwickelt. Die daraus entstandene Financial Services Process Platform soll künftig ebenfalls auf SOA ausgerichtet werden.

Komplexität reduzieren

Peter Kempf, Manager IT-Architecture bei HVB Systems, verweist auf ein anderes Motiv für SOA: Viele Finanzdienstleister hofften, damit die ausufernde Komplexität in den Griff zu bekommen. Dazu zähle die schiere Menge der Funktionen, die oft nicht fachlich strukturiert und gekapselt worden seien. Diese schlummerten häufig in Host-Systemen und erwiesen sich bei Veränderungen als problematisch. Die HVB verfolge mehrere SOA-Projekte, so Kempf, beispielsweise für die automatisierte Kontobearbeitung. Derzeit sei die Bank dabei, mit Hilfe einer SOA-Schicht die Vertriebssysteme gegenüber den Bestands- und Office-Systemen zu kapseln.

Dass Service-orientierte Architekturen die Abhängigkeit von einem Hersteller reduzieren können, glauben hingegen nur wenige Anwender. "Das ist ein alter Traum", kommentiert etwa Berensmann. Nach seiner Einschätzung wird die Abhängigkeit mit SOA lediglich auf die Ebene der Integrationsplattform verlagert. Diese auszutauschen, sei schon aus Kostengründen kaum möglich.