Human-Capital-Forum diskutiert über Führungsgrundsätze

Wie arroganten Managern zu helfen ist

28.03.2003
MÜNCHEN (iw) - Beim nächsten Aufschwung könnten einige Unternehmen auf der Strecke bleiben: Ihre Mitarbeiter sind demotiviert und beschäftigen sich intensiver mit der Suche nach einem anderen Job als mit ihrer Arbeit. Den Druck zu erhöhen bringt in Krisenzeiten wenig. Vorgesetzte sollten sich um ihre Angestellten bemühen.

Sich in Zeiten leerer Kassen um Personalpflege zu kümmern, halten viele Unternehmen für überflüssig. Das Angebot an qualifizierten Kräften ist so groß, dass man einzelnen Know-how-Trägern nicht mehr hinterherlaufen zu müssen meint.

Entgegen dem momentanen Trend, Arbeitnehmer nur als lästigen Kostenfaktor zu sehen, plädiert der Münchner Human-Capital-Club dafür, Mitarbeiter in Unternehmen als Wertschöpfungsgaranten stärker in den Mittelpunkt zu rücken. In einem zweitägigen Forum diskutierten Personalexperten diese Fragen. Es ging darum, wie der Faktor Mensch wieder ernster genommen werden kann.

Rainer Stark, Geschäftsführer der Boston Consulting Group (BCG) in Düssseldorf, stellte ein kompliziertes Konzept vor, wie sich das Human Capital als feste Größe in der Unternehmensbilanz ausweisen und gewichten lässt. Doch von solchen Modellen der betriebswirtschaftlichen Berechnung sind viele Firmen noch weit entfernt. Die Ziele der Initiatoren des Human-Capital-Forums sind bescheidener. Sie bemühen sich, auf das Thema aufmerksam zu machen, Führungskräfte zu sensibilisieren und von dessen Wichtigkeit zu überzeugen.

Nur 15 Prozent gehen motiviert zur Arbeit

Dabei stehen nicht nur humane, sondern auch handfeste wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Von Sozialromantik also keine Spur. Analysten und Investoren wissen, dass gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter zu den wesentlichen Werten eines Unternehmens zählen. Fragen der Unternehmenskultur, Arbeitszeiten, Personalabbau oder die Karrierechancen von Frauen fließen in ihr Urteil über ein Unternehmen mit ein.

Derzeit sind aber nur 15 Prozent der Arbeitnehmer motiviert, wie eine Umfrage des Gallup-Instituts belegte. Jeder zweite fürchtet, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Die Motivation des Personals hängt stark von seiner Wertschätzung durch die Führungskraft ab, meinte Dieter Frey, Professor für Sozial- und Wirtschaftspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Führungskräfte müssen Leuchttürme sein, Verantwortung übernehmen und Orientierung geben", formuliert der Lehrstuhlinhaber sein Konzept gegen egozentrische und arrogante Manager. Leider gebe es zu wenig gute Vorbilder, zu oft machten Opportunisten die größten Sprünge auf der Karriereleiter.

Dass die Ausbildung von Führungskräften an hiesigen Hochschulen sträflich vernachlässigt wird, sei eine der Ursachen für fehlende Sensibilität und die oft anzutreffende Ignoranz, so Frey. Dabei hört sich das Ausbildungskonzept des Professors verblüffend einfach an. Eine der Erfolgsformeln lautet lapidar: "Tough on the issue, soft on the person." Klare Ziele und ein fairer Umgang mit den Mitarbeitern seien die halbe Miete. "Manager müssen Verantwortung übernehmen und humanitäre Ziele beachten: Handle nur nach der Maxime, die du als allgemeines Gesetz anerkennen würdest."

Philosophie gehört dazu

Frey arbeitet auch an der Bayerischen Elite-Akademie in München, einer von bayerischen Firmen finanzierten Einrichtung, die Studenten aller Fachrichtungen mit abgeschlossener Zwischenprüfung studienbegleitend auf Führungsaufgaben vorbereitet. Philosophie gehört dort zum Lehrplan. Abgewandelt und frei nach Immanuel Kant heißt die Formel des Professors: Behandle Deinen Kunden und Mitarbeiter so, wie Du selbst behandelt werden möchtest.

"Unternehmerischer Erfolg hängt stark von der Professionalität und Sensibilität der Firmenführung ab", erläutert Frey. Deshalb bilden philosophische oder soziologische Theorien von Kant, Gotthold Ephraim Lessing, Karl Popper, Hans Jonas oder Max Weber einen festen Bestandteil des Lehrplans. Stehen die Studierenden später selbst in der Verantwortung, sollen sie sich an das Gelernte erinnern, so die Hoffnung des Professors.

Vorbildliche Unternehmenslenker sind die Ausnahme. Frey verweist auf Beispiele aus den Etagen der Macht, wo Manager ihre Kompetenzen missbrauchen, indem sie die Wahrheit für sich allein beanspruchen, in einem Zweiklassensystem denken oder jegliches Feingefühl gegenüber den Mitarbeitern verlieren. Dagegen helfen Klarheit und eine kritische Diskussionskultur weiter. "Love it, change it, leave it", so die Formel von Frey. Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte müssen lernen zu unterscheiden, was sie verändern können und an welchen Punkten sie sich lediglich die Zähne ausbeißen und am Ende frustriert aufgeben. Frey zitierte Forschungsergebnisse seines Kollegen Paul Baltes vom Max-Planck-Institut in Berlin: "Ohne Selbstreflexion gibt es keine Weiterentwicklung."

"Natürlich mache ich in meiner Arbeit genauso Fehler wie meine Mitarbeiter auch", gibt Sissi Closs, Geschäftsführerin der Comet-Computer-GmbH in München, in ihrem Vortrag offen zu. Solche Aussagen hören Angestellte selten. Viele Chefs vermeiden es, eigene Schwächen einzugestehen, um sich nicht selbst vom Sockel zu stürzen. Dabei lässt sich aus Fehlern lernen - und das gilt auch für Führungskräfte.

Kommunikation fördert Unternehmenskultur

Der Sportwagenhersteller Porsche etwa erwartet von seinen Mitarbeitern, dass jeder Fehler in einen Verbesserungsvorschlag mündet. Toyota fordert von seinen Arbeitskräften, dass sie fünf Warum-Fragen stellen, um die Ursachen ihrer Fehler zu analysieren. Auch der Vorschlag von Frey, Führungskräfte sollten in Meetings weniger reden, und stattdessen Fragen zulassen wie: "Wenn Sie in meiner Position wären, was würden Sie anders machen?", verunsichert machtverliebte Manager.

"Führen durch Fragen" soll die Mitarbeiter zum Mitdenken motivieren. Der Psychologe vermittelt in seinen Trainings pragmatische Ansätze, wenn er fordert, in jedes Meeting gehörten die zwei Fragen: Was lief seit der letzten Besprechung gut, was lief weniger gut? Klarheit in den Unternehmenszielen und gegenüber den Angestellten sieht Frey als wichtigen Erfolgsfaktor. "Führungskräfte gewinnen an Glaubwürdigkeit, wenn sie ihre Ziele erläutern und ihre Ideen kommunizieren."