"Wichtigste Trends sind mobile Geräte und die Spracheingabe"

08.12.2000
Den amerikanischen Suchmaschinenbetreiber Google aus Mountain View, Kalifornien, drängt es nach Europa. Demnächst soll in Amsterdam ein Rechenzentrum entstehen. Mit Sergey Brin, Mitbegründer und President des 1998 gegründeten Unternehmens, sprach CW-Redakteur Frank Niemann.

CW: Ihr Geschäftsmodell ist es, Services zu vermieten statt Suchmaschinensoftware zu verkaufen. Wo liegt Ihrer Meinung nach der Vorteil?

Brin: Die Anwender benötigen wie beim Application-Service-Providing keine eigene Server-Infrastruktur. Die Search-Funktion des Extranet von Cisco wurde beispielsweise so realisiert.

CW: Wie viele europäische Kunden nutzen heute Ihre Dienste?

Brin: Wir haben 130 Kunden, die unsere Services nutzen, die Hälfte davon außerhalb der USA. Virgin.net in Großbritannien gehört beispielsweise dazu. In Deutschland haben wir jedoch noch keinen Site-Betreiber unter Vertrag. Übrigens stammen nur noch knapp 50 Prozent der Surfer, die Suchmaschinen besuchen, aus Amerika.

CW: Ist das erst der Fall, seitdem Sie 25 verschiedene Sprachen unterstützen?

Brin: Ja, vorher betrug der Anteil der Nichtamerikaner nur 30 Prozent.

CW: Werden Sie auch Rechenzentren in Europa betreiben?

Brin: Wir wollen nun eine europäische Niederlassung in Amsterdam eröffnen und dort auch ein Rechenzentrum aufbauen. Zurzeit unterhalten wir drei Data-Centers, zwei in Kalifornien und eins an der Ostküste der USA. Obwohl wir bisher keine Server in Europa aufgestellt haben, ist unsere Suchmaschine sehr schnell. Unsere Infrastruktur umfasst heute mehr als 6000 Linux-Rechner.

CW: Das Suchen nach statischen Inhalten ist ziemlich ausgereift, dynamischer Content bereitet den Search Engines dagegen oft noch Schwierigkeiten.

Brin: Es gibt verschiedene Typen von dynamischen Inhalten. Auf Sites wie Amazon.com beispielsweise werden die meisten HTML-Seiten aus Datenbanken erzeugt, dennoch ist unser Crawler in der Lage, diesen Content zu verarbeiten. Das System lädt in bestimmten Zeitabständen die Seiten von den Websites herunter und durchforstet diese dann. Probleme gibt es, wenn es sich um Formulare handelt, in die der User etwas eintragen muss, zum Beispiel eine Art "Gelbe Seiten" für das Web.

CW: Wie viele Web-Seiten erfasst ihr Suchsystem?

Brin: Wir decken etwa 1,3 Milliarden Seiten ab, mehr als die Hälfte davon sind volltextindiziert.

CW: Bedeuten die neuen Top Level Domains wie .info oder .coop einen großen Mehraufwand für Sie?

Brin: Ich persönlich hätte diese TLDs nicht gewählt, da ich der Meinung bin, dass sie die Surfer eher verwirren. Auf unsere Suchmechanismen haben die neuen Domains keinen Einfluss.

CW: Internet-Verzeichnisse stehen hoch im Kurs, und es gibt einen Hype um "Universal Description Discovery and Integration" (UDDI, siehe CW 47/00, Seite 7). Wie sehen Sie die Entwicklung von Directories im Internet?

Brin: Ich denke, Verzeichnisse sind gut, wenn der User nicht genau weiß, was er will. Außerdem könen sie nützlich sein, wenn Sie beispielsweise nicht nur eine bestimmte Fluggesellschaft finden möchten, sondern eine Liste aller Airlines.

CW: Wie beurteilen Sie den Nutzen von Peer-to-Peer-Netzen in Bezug auf das Suchen von Inhalten im Web?

Brin: Sie können über Peer-to-Peer-Netze eine Vielzahl von Computern koppeln, um rechenintensive Prozesse auf viele Maschinen zu verteilen. Für das Suchen im Internet kann ich mir keine Vorteile vorstellen. Für diesen Zweck bevorzuge ich nach wie vor zentrale Server.

CW: Wie wird sich die Suchtechnik in den nächsten Jahren weiterentwickeln?

Brin: Das Wichtigste wird die Ausweitung der Suchfunktionen auf mobile Endgeräte wie Mobilfunktelefone und persönliche digitale Assistenten sein. Sie können via WAP bei mobile.google.com suchen. Allerdings ist es heute eine Qual, mit einem WAP-Telefon im Internet zu recherchieren, da die Übertragungsrate bekanntlich sehr gering ist und die Displays zu klein sind.

Wir entwickeln gerade eine Funktion namens "Google Number Search". Dabei tippen Sie auf Ihrer Handy-Tastatur eine Zahlenkombination ein, die dann das Suchwort ergibt. Eine weitere wichtige Entwicklung ist die Spracheingabe: Der Surfer sagt der Suchmaschine in natürlicher Sprache, was er will. Sie könnten beispielsweise das System fragen: "Wer ist der neue Präsident der USA?"

CW: Denken Sie, dass es in ferner Zukunft nur noch XML-Dokumente im Internet geben wird? Auf diese Weise würde sich die Suche nach relevanten Informationen doch wesentlich vereinfachen.

Brin: Ich glaube, das ist nicht realistisch. Es wird immer Leute geben, die auf einfache Art Inhalte ins Netz stellen wollen, so wie es heute mit HTML möglich ist.