"wg. Big Blue"

09.11.1984

Die DV-Leitung eines großen deutschen Unternehmens entschied sich unlängst für ein einheitliches Betriebssystem in seinen Rechenzentren. XYZ oder MVS, so lautete die Alternativfrage. Man wählte die IBM-Möglichkeit. Begründung: Der Anbieter von XYZ sei nicht überall in der Welt vertreten.

Dabei wurden XYZ durchaus deutliche Produktvorteile gegenüber MVS konzediert - diese seien jedoch für das Votum nicht maßgebend gewesen. Eine politische Entscheidung. Es schien uns geraten, keine Namen zu nennen, um unsere Informanten zu schützen. Eine politische Entscheidung, wie gesagt, eine im DV-Geschäftsleben indes keineswegs außergewöhnliche.

Tatsächlich hatte die IBM Deutschland allen Grund, an eine Entscheidung zu ihren Gunsten, für MVS, zu glauben - "wg. Big Blue", wegen ihrer blauen Augen. Warum lassen sich auch die Münchner - wie fast alle internationalen Computerkonzerne (Ausnahme: IBM) - durch die brasilianische Regierung von dem südamerikanischen Land fernhalten. So etwas muß ja bestraft werden.

Daß sich der amerikanische Nebenstellenspezialist Rolm von der IBM becircen ließ: nur "wg. Big Blue" - wegen "Blue Chips", zur Abwechslung. Denn um den Communications-Highfligher stand es zuletzt, was die Ertragslage betrifft, nicht zum besten. Das wußten natürlich die Armonker, seit 1983 an Rolm beteiligt und somit im Board vertreten.

Für die Entwicklung der Rolm-Aktie wäre es sicherlich nicht ganz unerheblich gewesen, wenn die amerikanische Öffentlichkeit von der Gewinnschwäche der zukünftigen IBM-Tochter frühzeitig Wind bekommen hätten. So müssen sich die Anteilseigner verschaukelt fühlen.

Es mutet denn auch wie ein Treppenwitz an, daß der Rechnerriese seinen vermeintlichen Erzrivalen AT&T mit dem Rolm-PBX austreiben wolle, wie in einigen DV-Magazinen zu lesen war. Man komme uns nicht mit Technikschmus, mit dem Argument, es ginge der IBM um die beste Anwendungslösung (der Mainframe-Marktführer ist mit seinen eigenen Telefonprojekten bekanntlich in den Bach gefallen). Hier wurde ganz einfach ein glatter Deal gemacht. Ob er sich für den Allesfresser IBM als vorteilhaft erweist, vor allem für Rolm, muß sich erst zeigen. Der Fall Mitel ist noch in guter Erinnerung. Als es Lieferprobleme gab, zog sich der große Partner zurück.

Da wäre noch eine kurze Geschichte zu erzählen, die Story vom Berufsspieler. Schlimm für den Gegner, sofern es sich um einen Anfänger handelt: Unser Mann läßt ihn zuerst gewinnen, Zutrauen fassen in die eigene Geschicklichkeit, das eigene Können. Das Greenhorn wird immer kecker - ein Spiel mit dem Feuer. Denn das Ende ist bekannt: Die Einsätze steigen. Darauf hat der Profi nur gewartet. Er reizt immer höher - bis er alles gewinnt, weil der andere nicht mehr mithalten kann.

Typischer Fall: Mit Storage Technology hat nach Control Data ein weiterer PCM (Plug Compatible Manufacturer) die Waffen gestreckt. War bei CDC nur das Plattengeschäft betroffen (ein freiwilliger Rückzug überdies), so muß StorageTek in Chapter-eleven-Quarantäne. Jetzt haben die Banken zu entscheiden, ob der Hersteller IBM-kompatibler Speicherperipherie nach einem Reorganisationsanlauf eine weitere Chance erhält - neues Spielkapital sozusagen, um die IBM herauszufordern.

Aber wie sollen die Finanziers herausbekommen, was der Markt will, wie die Kunden auf das StorageTek-Fiasko reagieren? Sie können, sich bei der IBM erkundigen. Wetten, daß sie es tun werden - "wg. Big Blue".