CeBIT 2000/Kehrtwende in der Rechtsprechung

Wettbewerbsverbote mit IT-Freiberuflern sind wirksam

25.02.2000
von Meinhard Erben* Nach wie vor werden Unternehmensberatungen häufig von ihren Rechtsanwälten dahingehend beraten, dass Wettbewerbsverbote (Kundenschutzklauseln) mit IT-Freiberuflern unwirksam seien. Wer dieser Empfehlung folgt, kann sich leicht vor Gericht wiederfinden.

In einem Schreiben, das der Autor vor kurzem von einer Unternehmensberatung erhielt, heißt es wörtlich: "Vorausschicken möchte ich, dass unsere Rechtsbeistände uns empfohlen haben, das Wettbewerbsverbot einfach zu ignorieren; es wäre unter den gegebenen Bedingungen gar nicht oder nur sehr schwer durchsetzbar." Die neuesten Urteile in der Rechtsprechung sollten den Unternehmensberatungen Mut machen: Danach sind Wettbewerbsverbote für Freiberufler wirksam.

Unternehmensberatungen, die Freiberufler zur Arbeit bei einem Endkunden verpflichten, vereinbaren mit diesen freien Mitarbeitern häufig, dass sie nach Vertragsende zwei Jahre lang nicht in anderen Zusammenhängen für denselben Endkunden tätig sein dürfen. Gewiss bedeutet ein solches Wettbewerbsverbot eine empfindliche Einschränkung der Berufsfreiheit des Freiberuflers. Die Rechtsfrage ist allerdings die, ob die Unternehmensberatung daran ein rechtlich anerkennenswertes Interesse hat. Wenn ja, darf sie den Freiberufler binden, soweit sich das Wettbewerbsverbot sachlich, örtlich und zeitlich in angemessenem Rahmen hält.

Das ist dann der Fall, wenn die Unternehmensberatung ein Wettbewerbsverbot in Form einer Kundenschutzklausel mit dem Freiberufler vereinbart hat. Das heißt, die Unternehmensberatung darf dem Freiberufler nur verbieten, für solche Kunden tätig zu werden, für die er im Rahmen des Vertrags mit der Unternehmensberatung tätig geworden war. Außerdem muss das Verbot zeitlich auf die Dauer von zwei Jahren begrenzt sein. Eine örtliche Einschränkung erübrigt sich im Regelfall dadurch, dass die Abmachung sich ohnehin nur auf den Sitz des Kunden bezieht.

Freiberufler argumentieren häufig, solche Wettbewerbsverbote seien unwirksam, weil sie keine Zusage einer Karenzentschädigung enthielten. Das ist allerdings wenig schlüssig: Das Gesetz sieht die Zusage einer Karenzentschädigung nur für Wettbewerbsverbote mit Festangestellten vor. Der Freiberufler ist kein Festangestellter. Er will frei sein (Steuervorteile, Image). Bei Vertragsabschluss wird ihm häufig die Wahl zwischen freier Mitarbeit und Festanstellung gegeben. Er entscheidet sich dann für freie Mitarbeit.

Berater ist nicht weisungsgebunden

Im Prozess gegen die Unternehmensberatung beruft sich der Selbständige sodann häufig darauf, er sei doch wie ein festangestellter Arbeitnehmer zu behandeln. Das Wettbewerbsverbot sei deshalb unwirksam. Das ist in der Regel schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Freiberufler vor und nach dem Wettbewerbsverstoß die gleiche Tätigkeit beim gleichen Endkunden ausübt, und zwar wiederum im Wege freier Mitarbeit. Die gleiche Tätigkeit kann aber nicht gleichzeitig Festanstellung und freie Mitarbeit bedeuten.

Es bleibt deshalb dabei, dass der Freiberufler das ist, was er sein wollte, nämlich Freiberufler, und zwar auch im Hinblick auf das mit ihm vereinbarte Wettbewerbsverbot. Er verzichtet nämlich bewusst auf den Schutz des Gesetzes. Dafür erhält er eine weit höhere Vergütung als ein Festangestellter, der die gleiche Tätigkeit ausübt.

So hat auch das Landgericht (LG) München I mit Urteil vom 17. Juli 1997 entschieden. In der Berufungsinstanz hat das OLG München die Einschätzung des LG München I mit Urteil vom 16. Januar 1998 ausdrücklich bestätigt. Das LG München I hatte treffend ausgeführt, dass die Unternehmensberatung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an dem Wettbewerbsverbot hat.

Schließlich ist sie es gewesen, die den Kunden akquiriert hat. Die von ihr aufgebauten Kontakte dürften aber nicht vom Freiberufler ausgenutzt werden und wirtschaftlich nur diesem zugute kommen. Das OLG München hat festgestellt, dass den Gründen aus dem Urteil des LG München I nichts hinzuzufügen sei.

Auch das LG Heilbronn hat die Argumente eines Freiberuflers gegen die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots im Urteil vom 22. Juni 1998 nicht übernommen. In diesem Prozess hatte der Freiberufler sich insbesondere darauf berufen, der Endkunde werde durch das Wettbewerbsverbot benachteiligt, weil er die Dienste des hochqualifizierten Freiberuflers nicht weiter in Anspruch nehmen könne. Das ist falsch, weil der Endkunde die Dienste sehr wohl in Anspruch nehmen kann, nur eben über die Unternehmensberatung, die den Auftrag akquiriert hatte.

In diesem Fall hatte die Unternehmensberatung übrigens sogar ein Abwerbungsverbot mit dem Endkunden vereinbart, das heißt, der Endkunde war seinerseits vertragsbrüchig geworden. Das zeigt das Dilemma der Unternehmensberatungen besonders prägnant.

In Fällen, in denen die Unternehmensberatung zusätzlich ein Abwerbungsverbot mit ihrem Kunden vereinbart hatte, verstoßen beide gegen die vertraglichen Vereinbarungen mit der Unternehmensberatung. Solange das seitens des Endkunden gegenüber der Unternehmensberatung nicht der Regelfall wird, nimmt die Unternehmensberatung das hin. Schließlich will sie ihren Kunden nicht verlieren.

Das neueste Urteil zu Wettbewerbsverboten ist das des LG Wuppertal vom 15. Juni 1999. Dieses Gericht hat entschieden, dass der Freiberufler weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person noch Scheinselbständiger ist. Deshalb ist ein Wettbewerbsverbot ohne Zusage einer Karenzentschädigung wirksam. Das LG Wuppertal hat zu Recht die Argumentation des Freiberuflers nicht nachvollziehen wollen, er sei wie ein Arbeitnehmer zu behandeln.

Die Unternehmensberatung hatte dem entgegengehalten, der Freiberufler sei nicht weisungsgebunden im arbeitsrechtlichen Sinne gewesen und sei insbesondere bei einem Verdienst von zwischen 20000 und 25000 Mark zuzüglich Mehrwertsteuer nicht wirtschaftlich abhängig gewesen und auch nicht sozial schutzbedürftig wie ein Arbeitnehmer.

Zu dem weiteren Argument des Freiberuflers, auf ihn würden sämtliche vier Kriterien der Scheinselbständigkeit zutreffen, hat das LG Wuppertal keine Stellung genommen. Das ist plausibel und richtig: Für die arbeitsrechtliche Einstufung kommt es allein darauf an, ob der Freiberufler Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person ist. Die sozialversicherungsrechtliche Frage, ob er scheinselbständig Beschäftigter ist, hat damit nichts zu tun.

Das LG Wuppertal hat im Übrigen die Argumentation der Unternehmensberatung bestätigt, dass diese ein schutzwürdiges Interesse daran habe, den Freiberufler vor einer möglichen Abwerbung durch den Kunden durch ein Wettbewerbsverbot zu binden. Das geschieht nach dem ausdrücklichen Text des Urteils zur Sicherung der Existenz der Unternehmensberatung. Diese müsse die Möglichkeit haben, ihre Kundenbeziehung zu pflegen und durch die Entsendung eines anderen Mitarbeiters zu festigen. Zu diesem Zweck sei das Wettbewerbsverbot gerechtfertigt, das allerdings zeitlich zu befristen sei.

*Meinhard Erben ist selbständiger Rechtsanwalt in der Bürogemeinschaft mit Rechtsanwalt Dr. Christoph Zahrnt in Neckarsulm.